Deutschland: Menschenrechte mehr schützen

Klimaaktivisten der Gruppe Letzte Generation bei einer Sitzblockade
Stefan Rampfel/dpa
Sorge über Menschenrechte in Deutschland herrscht auch über "die hasserfüllte öffentliche Auseinandersetzung und übermäßige staatliche Reaktionen" auf friedliche Sitzblockaden der Klimabewegung.
Grund zur Sorge
Deutschland: Menschenrechte mehr schützen
Das Deutsche Institut für Menschenrechte beobachtet, wie es Deutschland mit den Grundrechten hält. Laut dem am Montag in Berlin veröffentlichten Jahresbericht bieten Einschnitte bei der Versammlungsfreiheit Grund zur Sorge. Auch beim Recht auf Wohnraum und beim Schutz von Frauen vor Gewalt ist noch viel zu tun. Ein Überblick.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte sieht im Umgang mit Klimaprotesten und propalästinensischen Demonstrationen die Versammlungsfreiheit gefährdet. Institutsdirektorin Beate Rudolf äußerte ihre Sorge über "die hasserfüllte öffentliche Auseinandersetzung und übermäßige staatliche Reaktionen" auf friedliche Sitzblockaden der Klimabewegung. Zugleich bezeichnete sie lang andauernde Verbote propalästinensischer Proteste als "hoch problematisch". Vorschläge aus der Politik, die Versammlungsfreiheit für Ausländer:innen abzuschaffen, kritisierte Rudolf bei der Vorstellung des Menschenrechtsberichts 2023 scharf. 

ASYLSUCHENDE: Deutliche Kritik gibt es an der aktuellen Debatte über den Umgang mit Flüchtlingen und Migranten. Ein Verstoß gegen Deutschlands grund- und menschenrechtliche Verpflichtungen wäre es nach Bewertung von Institutsdirektorin Beate Rudolf, wenn Sozialleistungen für Asylsuchende auf null gesenkt würden. Solche Vorschläge nannte sie "inakzeptabel" und betonte: "Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren."

GEWALT GEGEN FRAUEN: Betroffene von häuslicher Gewalt erhalten nicht genügend Schutz. So fehlten laut Jahresbericht bundesweit rund 15.000 Familienplätze in Frauenhäusern, während die Zahl der Anzeigen steigt. Nachbesserungen sind den Angaben nach auch im Asyl- und Aufenthaltsrecht nötig, vor allem, wenn das Aufenthaltsrecht einer Frau von dem des gewalttätigen Ehemanns abhängt. Das Menschenrechtsinstitut ruft die Bundestagsabgeordneten auf, diese Schutzlücken im aktuellen Gesetzgebungsverfahren zum zweiten Migrationspaket zu schließen.

POLIZEI: Die Bundes- und Landespolizeien gehen laut Bericht zu lax mit sensiblen Daten zu Hautfarbe, vermeintlicher ethnischer Herkunft oder Sprache um. Da auch die polizeiliche Datenverarbeitung dem Verbot rassistischer Diskriminierung unterliegt, dürften solche Daten nur in absoluten Ausnahmefällen verarbeitet werden und seien besonders zu schützen. Bund und Länder werden aufgerufen, im Datenschutzrecht und Polizeirecht genaue Voraussetzungen für die Verarbeitung sensibler Daten zu schaffen.

VERSAMMLUNGEN: Bei Protesten der Klimaschutzbewegung "Letzte Generation" muss das Recht auf Versammlungsfreiheit gewahrt bleiben. So fallen auch Sitzblockaden laut Bericht unter den Schutz der Versammlungsfreiheit, selbst wenn der Verkehr gestört wird. Präventivhaft ist nur zur Verhinderung schwerwiegender Gewalt verhältnismäßig. Der Bericht verweist darauf, dass dieses Instrument eingeführt wurde, um terroristische Anschläge zu verhindern. Vorschläge, die Versammlungsfreiheit für Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit abzuschaffen, stehen laut Rudolf indes "im eklatanten Widerspruch" zum Grundgesetz und zur Europäischen Menschenrechtskonvention.

WAHLALTER: Die Bundesregierung wird aufgerufen, einen Gesetzentwurf zurHinweis: Absenkung des Wahlalters bei Bundestagswahlen auf 16 vorzulegen. Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP heißt es: "Wir wollen das Grundgesetz ändern, um das aktive Wahlalter für die Wahl zum Deutschen Bundestag auf 16 Jahre zu senken."

WOHNRAUM: Es gibt zu wenige bezahlbare, barrierefreie Wohnungen. In den kommenden Jahren soll die Versorgungslücke Prognosen zufolge auf mehr als zwei Millionen Wohnungen anwachsen. Das Menschenrechtsinstitut empfiehlt, dass Bund und Länder bei der sozialen Wohnraumförderung nur noch barrierefreie Wohnungen bezuschussen. Bei Neubauprojekten sollten Länder ferner sicherstellen, dass Mindestzahl für barrierefreie Wohnungen nicht unterlaufen werde.