TV-Tipp: "Verräter – Tod am Meer"

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Freitag, 16. Juni, 3sat, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Verräter – Tod am Meer"
Der Hintergrund ist verbürgt, die Handlung fiktiv; ihr enormer Reiz besteht darin, dass sie dennoch authentisch sein könnte.

Das Drehbuch basiert auf dem Roman "Innere Sicherheit" von Christa von Bernuth. Darin geht es ähnlich wie in Volker Schlöndorffs Film "Die Stille nach dem Schuss" um RAF-Terroristen, die Anfang der 80er Jahre in der DDR untertauchten durften.

Hauptfigur des von Stefanie Veith und Nils Willbrandt adaptierten Buchs ist der junge Volkspolizist Martin Franzen (Albrecht Schuch), der 1988 gemeinsam mit einem Kollegen die Leiche einer erschossenen Frau aus der Ostsee fischt. Da sich in der Nähe auch ein Schlauchboot findet, deutet alles auf eine gescheiterte "Republikflucht" hin. Obwohl die Kugel den Körper wieder verlassen hat, ergibt die Obduktion angeblich zweifelsfrei Aufschluss über das Kaliber, das den Waffen der Grenzschutztruppe entspricht; es gab jedoch keinerlei Meldung über einen entsprechenden Vorfall.

Martin, eigentlich ein linientreuer Beamter, kommt die Sache seltsam vor, zumal der Witwer (Jan Messutat) beteuert, seine Frau habe keine Fluchtabsichten gehegt. Der Fall wird dem Volkspolizisten entzogen und an die Staatssicherheit übergeben; er reist trotzdem zu einer Freundin und Kollegin des Mordopfers. Die Frau liegt im Sterben und bestätigt die Aussage des Witwers, überlässt ihm jedoch einen Brief der Toten, den sie einer Nina in Berlin überbringen sollte. Diese Nina (Hannah Herzsprung) entpuppt sich als ehemalige Terroristin, der die Stasi Asyl gewährt.

Bis hierher halten sich Roman und Drehbuch an die Realität, nun kommt die Fiktion ins Spiel, und jetzt wird "Verräter – Tod am Meer" (Erstausstrahlung war 2017) zum Polit-Thriller: Auf Geheiß der Stasi sollen die geflüchteten RAF-Mitglieder weiterhin töten; ganz oben auf der Todesliste steht ein westdeutscher Bankchef, der angeblich verhindert, dass die DDR einen Milliardenkredit bekommt. Später erfährt Martin jedoch den wahren Grund für die geplante Ermordung des Mannes. Er findet raus, dass Staatssicherheit und Bundesnachrichtendienst Hand in Hand arbeiten; nun sollen Nina und er ebenfalls liquidiert werden.

Regie führte die vielbeschäftigte Franziska Meletzky, die zuvor den Wirtschafts-Thriller "Vertraue mir" (ZDF 2016) gedreht hatte; zu ihren besten Arbeiten gehört bis heute ein niedersächsischer Doppel-"Tatort" über Zwangsprostitution ("Wegwerfmächen"/"Das goldene Band", NDR 2012). Anders als diese Filme hat sie "Verräter – Tod am Meer" mit beinahe zu viel Zurückhaltung inszeniert. Die Spannung resultiert zunächst aus der Frage, wie die vielen Bruchstücke, die der Volkspolizist sammelt, zusammenpassen, und dann aus der Ungeheuerlichkeit der Geschichte; selbst gegen Ende, als Stasi und BND gemeinsam Jagd auf das Paar machen, kommt jedoch kaum Nervenkitzel auf.

In jeder Hinsicht sehenswert ist allerdings die Arbeit der vor allem durch ihre vielen Filme mit Hans Steinbichler bekannten Kamerafrau Bella Halben; ihre Bildgestaltung verleiht der Handlung eine ungemütliche, kühle Atmosphäre, die erfolgreich kaschiert, dass der Film für ein historisches Drama mit vergleichsweise wenig Aufwand auskommen musste. Außerdem passt sie perfekt zu Martins Stimmung, denn der Volkspolizist zweifelt von Minute zu Minute mehr an dem System, dem er dient.

Albrecht Schuch gehört mittlerweile zu den Topstars des deutschen Films; für seine famose Verkörperung von Thomas Brasch ("Lieber Thomas") ist er 2022 mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet worden. Vor "Verräter" hatte er bereits als Uwe Mundlos im Auftakt zur NSU-Trilogie "Mitten in Deutschland" ("Die Täter – Heute ist nicht alle Tage") eine denkwürdige Leistung abgeliefert.

Interessant ist auch die Rolle von Christian Redl als Martins väterlicher Freund, der gern in philosophischen Rätseln spricht und irgendwie in das Komplott involviert ist; die Nebenrollen sind mit Anian Zollner (als Ninas Führungsoffizier), Jule Ronstedt (als mutige Pfarrerin), Stephan Kampwirth (als BND-Agent) sowie Uwe Preuß (als Martins Vorgesetzter) ohnehin markant und gut besetzt.