Aus dem Waisenhaus in Odessa nach Berlin

Steinmeier im jüdischen Bildungszentrum Chabad Berlin mit Waisenkindern
© epd-bild/AP/Michael Sohn
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat in Berlin jüdische Kinder besucht, die vor dem Krieg aus dem ukrainischen Odessa geflohen sind. Das jüngste Kind ist gerade zweieinhalb Monate alt.
Vor Krieg geflüchtet
Aus dem Waisenhaus in Odessa nach Berlin
Chabad Berlin organisiert seit einer Woche Evakuierungstransporte aus Odessa. Die ersten rund 100 jüdischen Kinder sind seit Freitag in Berlin, weitere Busse werden am Montagabend erwartet. Am Montag besuchte der Bundespräsident die Kinder.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am Montag in Berlin-Wilmersdorf jüdische Kinder und Waisenkinder besucht, die vor dem Krieg aus dem ukrainischen Odessa geflohen sind. Das Staatsoberhaupt aß im Jüdischen Bildungszentrum Chabad Berlin mit den Flüchtlingskindern sowie deren Begleiterinnen und Begleitern gemeinsam zu Mittag und informierte sich über deren Schicksal.

Sie alle seien Opfer eines menschenverachtenden Krieges, den Russlands Präsident Wladimir Putin gegen die Ukraine führe, sagte Steinmeier: "Wir in Deutschland müssen ihnen zur Seite stehen." Er sei von Herzen dafür dankbar, was die Menschen hierzulande gerade vielerorts für die ukrainischen Kriegsflüchtlinge täten. Er danke auch der jüdischen Bildungseinrichtung Chabad für die tatkräftige Hilfe, die Kinder aus dem Kriegsgebiet herausgeholt zu haben und ihnen die Möglichkeit zu geben, in Berlin zur Ruhe zu kommen und die Erlebnisse zu verarbeiten.

Steinmeier sagte, die enorme Hilfsbereitschaft der Berlinerinnen und Berliner am Hauptbahnhof der Hauptstadt sei in den vergangenen Tagen schon vielfach Gegenstand der medialen Berichterstattung gewesen. "Aber auch das hier verdient unsere Aufmerksamkeit", sagte der Bundespräsident.

Evakuierung durch Spenden finanziert 

Die mehr als 100 Mädchen und Jungen aus Odessa waren nach einer tagelangen Fahrt und mehr als 2.000 Kilometer Strecke durch sechs europäische Länder am Freitag in Berlin eingetroffen. Ihre Evakuierung war von der jüdischen Bildungs- und Hilfsorganisation Chabad in Berlin-Wilmersdorf in Zusammenarbeit mit einem örtlichen Rabbiner in Odessa organisiert worden. Einige der Kinder sind Vollwaisen, andere haben noch einen Elternteil oder Eltern, lebten aber in einem Heim, hieß es.

Das jüngste ist demnach ein gerade zweieinhalb Monate alter Junge. Zwei Kinder seien unter zwei Jahren und der Rest der insgesamt 108 Kinder sei zwischen drei und 18 Jahren alt. Nach Angaben von Chabad sind sie zunächst in einem Hotel im Westen Berlins untergebracht.

Für die Versorgung und Betreuung hatte die jüdische Organisation in den vergangenen Tagen Sach- und Geldspenden gesammelt. Die koschere Verpflegung inklusive Küchenpersonal der mehr als 100 Kinder für einen Monat kostet laut Chabad etwa 144.000 Euro.

Wie es mit ihnen weitergehe, würden die nächsten Wochen zeigen, sagte Chabad-Sprecherin Jana Erdmann dem Evangelischen Pressedienst (epd). Eine Möglichkeit sei, dass einige von ihnen nach Israel oder in die USA gebracht werden. "Natürlich wollen viele auch in die Ukraine zurück, wenn das wieder möglich ist", sagte Erdmann.

Am Montagabend erwartet Chabad Berlin weitere Busse mit jüdischen Kriegsflüchtlingen aus der südukrainischen Hafenstadt, dieses Mal Kinder mit ihren Müttern. Angekündigt seien zwischen 50 und 100 Personen. Die jüdische Community in Odessa zählt laut Erdmann etwa 90.000 Menschen. Als weltweites Netzwerk hat Chabad auch dort eine Gemeinde.