TV-Tipp: "Ku’damm 59" (ZDF)

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TV-Tipp: "Ku’damm 59" (ZDF)
19.3., ZDF, 20.15 Uhr
Mit dem Dreiteiler "Ku’damm 56" ist dem ZDF vor zwei Jahren das Kunststück gelungen, von Film zu Film mehr Zuschauer anzusprechen. Die Geschichte über die Berliner Tanzschulinhaberin Caterina Schöllack und ihre erwachsenen Töchter hatte allerdings auch alles zu bieten, was großes Fernsehen ausmacht. Für die gestern gestartete Fortsetzung gilt das nicht minder.

 

Die Handlung von "Ku’damm 59" setzt drei Jahre nach dem Auftakt der ersten Trilogie ein. Weil sich weder die gesellschaftlichen noch die familiären Rahmenbedingungen geändert haben, scheinen auch die Konflikte der jungen Frauen die gleichen zu sein. Alle drei führen ein falsches Leben: Helga (Maria Ehrich) ist mit einem Staatsanwalt (August Wittgenstein) verheiratet, für den diese Ehe aber nur eine Fassade ist; Eva (Emilia Schüle) leidet unter einem despotischen Mann (Heino Ferch); und Monika ist ihrer Zeit ohnehin in jeder Hinsicht um zehn Jahre voraus. Das vermeintliche Mauerblümchen war schon in "Ku’damm 56" die interessanteste Figur, aber diesmal inszeniert Regisseur Sven Bohse Sonja Gerhardt konsequent als Star des Films, und das in jeder Hinsicht. In der ersten Trilogie beeindruckte die Schauspielerin als Tänzerin, diesmal darf sie ihr Talent als Sängerin ausleben, und sie macht das überraschend eindrucksvoll.

Da die späten Fünfziger bereits zwei Generationen zurückliegen, ist "Ku’damm 59" im Grunde ein historischer Dreiteiler, ein Eindruck, den die archaisch anmutenden Rollenbilder und die verklemmten Moralvorstellungen noch verstärken. Doch obwohl Szenen- und Kostümbild die Jahre des Wirtschaftswunders perfekt zum Leben erwecken, lässt Bohse im Nu vergessen, dass die Geschichte in einer fernen Zeit spielt, weil es so viele Anknüpfungspunkte gibt; und weil gerade Monika eine moderne Figur ist, die sich konsequent allen Konventionen widersetzt. Die Drehbücher stammen erneut von der für die ARD-Serie "Weissensee" mit dem Grimme-Preis ausgezeichneten Autorin Annette Hess, der hier all’ das gelingt, was beispielweise die beiden ZDF-Dreiteiler "Tannbach" (eins und zwei) vermissen ließen: Dort tummelten sich lauter Typen und Figuren; die beiden "Ku’damm"-Trilogien handeln von Menschen.

Vergleichbar und in der Tat ein kleines Manko von "Ku’damm 59" ist allerdings die nicht immer flüssig wirkende episodische Erzählweise. Die Zahl der handelnden Personen ist zwar deutlich überschaubarer als in der zweiten "Tannbach"-Staffel, aber Bohse hüpft dennoch des Öfteren etwas unmotiviert von einer Ebene zur nächsten, obwohl Hess die Geschichte rund um Monika herum konzipiert hat. Sie ist in jeder Hinsicht Subjekt der Handlung, weil sie auf eine für die damalige Zeit unerhörte Weise aus der ihr zugeschriebenen Rolle ausbricht; so nimmt zum Beispiel ihre Karriere als kommender Schlagerstar ein abruptes Ende, als sie bei der feierlichen Premiere eines Musikfilms verkündet, dass sie eine uneheliche Tochter hat und ihr scheinbar stets gut gelaunter musikalischer Partner Freddy (Trystan Pütter) im Konzentrationslager gewesen ist. Ihre Schwester Helga hingegen wird den Erwartungen gerecht und erduldet still, dass Ehemann Wolfgang nichts mit Frauen anfangen kann. Weil das Jugendamt ihr das Sorgerecht für Monikas Tochter übertragen hat, ist das häusliche Glück nach außen ohnehin perfekt, und das ist für die Mutter der drei jungen Frauen das wichtigste. Claudia Michelsen verkörpert Caterina erneut als gruselige Gestalt, der völlig egal ist, was ihren Töchtern widerfährt ("Unkraut vergeht nicht"); Hauptsache, der Schein bleibt gewahrt. Allerdings wagt schließlich auch Eva den Widerstand: Weil sie als Frau quasi keinen Schritt ohne Erlaubnis ihres Gatten tun darf, bricht sie aus und verdient sich ihren Lebensunterhalt als Prostituierte; bis sie eines Nacht halbtot geschlagen wird. Hauptverdächtiger ist ausgerechnet Joachim Frank (Sabin Ambrea), jener Mann, der Monika einst vergewaltigt hat, den sie aber trotzdem liebt. Er würde sie gern heiraten, hat aber anscheinend die Sekretärin (Laura de Boer) seines Vaters geschwängert. Seine Pläne, die Rüstungsfabrik des mittlerweile verstorbenen Frank senior umzustrukturieren, werden ebenfalls sabotiert.

Weil Hess und Bohse dreieinhalb Stunden Zeit für die Familiengeschichte haben, kann der Film immer wieder in die Tiefe gehen; nicht nur bei den drei weiblichen Hauptfiguren, sondern auch bei Freddy und Joachim. Von den anderen Männer bleibt vor allem Evas Ehemann im Klischee stecken, was nicht weiter schlimm ist, weil er die damals gängige Haltung repräsentiert. Selbst für Wolfgang und seinen Geliebten (Andreas Pietschmann) findet der Film Zwischentöne. Schillerndste männliche Figur ist allerdings ein Filmregisseur, an dessen Seite Caterina ein unverhofftes (aber auch fragiles) Glück findet; Ulrich Noethen verkörpert den eitlen Österreicher, der 15 Jahre zuvor noch Durchhaltefilme gedreht hat, mit viel Spielfreude als großen Zampano. Davon abgesehen ist es erstaunlich, dass Bohses Dreiteiler trotz all’ der Dramen und Tragödien so viel Spaß macht; dem Rock’n’Roll sei Dank. Den dritten Teil zeigt das ZDF am Mittwoch; alle drei Filme können schon jetzt in der Mediathek aufgerufen werden.