Bundesregierung verurteilt Rede von Björn Höcke

Thüringens AfD-Chef Björn Höcke sitzt am 17.05.2016 im Thüringer Landtag in Erfurt (Thüringen) während einer Pressekonferenz auf dem Podium.
Foto: dpa/Martin Schutt
Björn Höcke, aufgenommen im Thüringer Landtag in Erfurt (Archiv).
Bundesregierung verurteilt Rede von Björn Höcke
Der AfD-Politiker Björn Höcke bekommt auf seine Rede über die Erinnerungskultur an den Holocaust großen Widerspruch. Bundesfamilienministerin Schwesig forderte sogar, Höcke solle vom Verfassungsschutz beobachtet werden.

Die Bundesregierung hat die Äußerungen des AfD-Politikers Björn Höcke über das Erinnern an den Holocaust kritisiert. Diese Rede berühre den "Kern unseres Selbstverständnisses", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin. Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) und der Chef der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, plädierten dafür, Höcke vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen.

Deutschland sei nach den Verbrechen der Nazi-Zeit den Weg der aktiven Erinnerungskultur gegangen, betonte Seibert. Dieser Weg habe das Land zukunftsfest gemacht. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe wiederholt betont, wie wichtig es sei, das Wissen über die Gräuel des Holocaust weiterzugeben und die Erinnerung wachzuhalten.

Der Thüringer AfD-Vorsitzende Höcke hatte am Dienstag, 17. Januar, bei einem Auftritt in Dresden über das Holocaust-Mahnmal in Berlin gesagt, die Deutschen seien "das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat". Deutschland befinde sich im Gemütszustand "eines total besiegten Volkes" und brauche eine "erinnerungspolitische Wende um 180 Grad". (Wer es nachlesen will: Die Rede von Björn Höcke hat der Tagesspiegel hier im Wortlaut dokumentiert.) Die Äußerungen sorgten parteiübergreifend für Entsetzen. Der Thüringer Verfassungsschutz kündigte an, die Rede Höckes zu prüfen.

Schwesig: AfD "nicht so harmlos und anständig, wie sie sich gerne gibt"

Bundesfamilienministerin Schwesig sagte dem "Spiegel": "Jemand wie Höcke sollte in Zukunft vom Verfassungsschutz beobachtet werden, andere Akteure der AfD mit rechtem Gedankengut auch." An Höcke sehe man, "dass die AfD rechtsextremistische Züge hat, dass sie gar nicht so harmlos und anständig ist, wie sie sich gerne gibt", erklärte die Ministerin. Sie warnte zugleich davor, Rechtsextremismus in Deutschland zu unterschätzen.

Nach Angaben des Bundesinnenministeriums wird die Partei bislang nicht überwacht. Es gebe keine tatsächlichen Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen der Gesamtpartei, sagte ein Sprecher. Es würden aber Einzelpersonen beobachtet, wenn diese in anderen extremistischen Bereichen auffällig geworden sind, beispielsweise mit Bezügen zu rechtsextremistischen Organisationen.

Der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Krüger, bezeichnete die Aussagen Höckes als "typischen NPD-Sprech" und verfassungsfeindlich. Deshalb müssten die Landesämter und das Bundesamt für Verfassungsschutz Menschen wie Höcke und andere, die offen antisemitisch argumentieren und die Verfassungsordnung in Deutschland infrage stellen, künftig beobachten, sagte Krüger dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dies gelte allerdings nicht für die AfD als Ganzes.

"Höcke und seine Anhänger wollen eine andere Republik", unterstrich Krüger. Dabei gehöre es zur ihrer Strategie zu testen, "wie weit man nach rechts ausbrechen kann". Bislang seien diese teilweise seit Jahrzehnten in der Gesellschaft vorhandenen rechtsextremen, nationalistischen und teilweise antisemitischen Einstellungen domestiziert worden.

Krüger zufolge versuchen AfD-Spitzenpolitiker zurzeit mit ihren Äußerungen bewusst einen "medialen Testlauf", um herauszufinden, welche Positionen von ihrer potenziellen Wählerschaft noch akzeptiert werden. "Die Gesellschaft ist jetzt aufgefordert, sich damit offensiv auseinanderzusetzen und klare rote Linien für den öffentlichen Diskurs zu ziehen", forderte Krüger.

Eine Tabuisierung sei dabei der falsche Weg, betonte der Präsident der Bundeszentrale. Die AfD sitze bereits in zehn Landesparlamenten und demnächst möglicherweise auch im Bundestag. "Wir brauchen den öffentlichen Diskurs und die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Positionen der AfD", unterstrich Krüger.