TV-Tipp: "Das Sacher. In bester Gesellschaft" (ZDF)

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TV-Tipp: "Das Sacher. In bester Gesellschaft" (ZDF)
16.1., ZDF, 20.15 Uhr: "Das Sacher. In bester Gesellschaft"
Das Rezept hat vor vier Jahren schon einmal perfekt funktioniert: ein Hotel als Dreh- und Angelpunkt für einen historischen Mehrteiler über Männer und Frauen und die Zeit, in der sie leben. Die mit Stars gespickte Familiensaga "Das Adlon" war ein Jahrhundertroman. "Das Sacher" muss sich zwar mit dem Prädikat "Ein Fernsehroman" begnügen, aber das hat keinerlei qualitative Gründe: Die Handlung erstreckt sich nur über knapp drei Jahrzehnte.

Das Drehbuch stammt erneut von Rodica Döhnert, die sich diesmal an Goethes "Wahlverwandtschaften" orientiert hat. Zentrale Figuren ihrer Geschichte über den Untergang der kaiserlich-königlichen Monarchie Österreich-Ungarn sind zwei Paare, die sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts im weltberühmten Wiener Hotel Sacher über den Weg laufen: Die junge Ungarin Konstanze (Josefine Preuß) ist kürzlich mit dem Habsburger Hans Georg von Traunstein (Laurence Rupp) verheiratet worden, einem Utopisten, der sich für eine Versöhnung der Klassen engagiert. Im Stillen träumt auch Konstanze von einem völlig anderen Dasein. Deshalb fühlt sie sich zur Berlinerin Martha Adelheid (Julia Koschitz) hingezogen, die an der Seite ihres Mannes Maximilian (Florian Stetter) das Leben einer selbstständigen Frau führt. Die beiden haben gemeinsam einen Verlag gegründet. Es zeigt sich, dass die heimlich schreibende Konstanze eine begabte Autorin ist; ihre unter einem Pseudonym veröffentlichten Romane werden zu Bestsellern. Zusätzlich zur Freundschaft der beiden ungleichen Frauen  entwickelt sich über Kreuz eine erotische Faszination zwischen den Paaren, der aber nur Max und Konstanze nachgeben.

Handlungsstränge kunstvoll miteinander verwebt

Dieses Beziehungsgeflecht ist jedoch nur die emotionale Basis des Films. Das Drehbuch besteht aus einer Vielzahl von Handlungssträngen, die Döhnert dank des Hotels, in das die Handlung immer wieder zurückkehrt, nicht etwa miteinander verknotet, sondern kunstvoll miteinander verwebt. Anna Sacher, die nach dem Tod ihres Mannes gegen verschiedene Widerstände die Leitung des Hotels übernimmt, ist daher die dritte starke weibliche Hauptfigur, und ähnlich wie Preuß und Koschitz ist auch Ursula Strauss eine ausgezeichnete Besetzung. Wie eine Spinne in ihrem Netz knüpft Anna Sacher, Zigarren paffend, Verbindungen zwischen ihren Gästen. Auf diese Weise weitet Döhnert geschickt den Blick, denn da sich im Sacher sämtliche Honoratioren die Klinke in die Hand geben, wird hier auch die Politik gemacht, die die Zeitläufte bestimmt: Zu Beginn des neuen Jahrhunderts wird die Kluft zwischen Tradition und Moderne immer größer; der Untergang der Belle Epoque beginnt.

Natürlich ist die Idee, Historie herunterzubrechen auf die Menschen, die sie erleben, nicht neu, aber Döhnert ist das ausgezeichnet gelungen: weil sich die Erzählebenen mit den beiden Paaren und die Geschichte der Zeit immer wieder gegenseitig durchdringen; es ist in der Tat faszinierend, wie alles mit allem zusammenhängt. Die fast schon verschwenderisch namhafte Besetzung der Nebenfiguren beweist zudem, wie prestigeträchtig diese Koproduktion von ZDF und ORF ist; die Liste der etablierten Schauspieler umfasst eineinhalb Dutzend Namen, zu den denen neben Dietmar Bär, Joachim Król und August Schmölzer vor allem Peter Simonischek gehört: Traunstein senior ist der unsympathische Repräsentant der alten Weltordnung. Robert Palfrader leitet als Portier und Erzähler durch den Zweiteiler. Regie führte Robert Dornhelm. Der Österreicher hat sich in Amerika einen Namen als Spezialist für historische TV-Produktionen gemacht. Die letzten Jahre der K.u.k-Monarchie kennt er bereits aus seinen beiden "Kronprinz Rudolf"-Dramen. Auch "Das Sacher" schwelgt in großer Ausstattung. Schon der verstörende Auftakt, der in krassem Gegensatz zum liebevoll als Bilderbuch mit lebendigen Fotografien gestalteten Vorspann steht, verdeutlicht jedoch, dass Döhnert und Dornhelm mehr als bloß ein Kostümfilm vorschwebte. Kameramann Marcus Kanter hat ohnehin herausragende Arbeit geleistet. Besonders gelungen ist jedoch ein im expressionistischen deutschen Stummfilmstil gestalteter Handlungsstrang, in dem sich das historische Drama zeitweise zum Horrorthriller wandelt: Ein entführtes Mädchen, Marie, landet nicht wie geplant in einem Bordell, weil es vom Notenwart (Simon Schwarz) der nahen Oper gerettet wird. Der Mann hält sie fortan viele Jahre lang wie eine Mischung aus Gefangener und Tochter bei sich im Keller; die Parallelen zum Schicksal von Natascha Kampusch werden kein Zufall sein. Mit dieser Ebene illustrieren Döhnert und Dornhelm den Gegensatz zwischen Unten und Oben: Die in kunstvoll düsterem Schwarzweiß gehaltenen Unterweltbilder sind ein reizvoller Kontrast zum Luxus der reich kostümierten Oberwelt, auf deren Mitglieder Marie (Jasna Fritzi Bauer) nur bei Opernaufführungen einen Blick erhascht. Das Mädchen entpuppt sich als Hans Georgs uneheliche Tochter und findet später raus, dass sie ihre Jahre im Keller dem alten Traunstein zu verdanken hat. Als sie ihr Gefängnis endlich verlässt und die Familie von Traunstein in große Turbulenzen stürzt, ist dies der Anfang vom Ende der herrschenden Klasse, die Europa in einen ersten vernichtenden Weltkrieg führt. Am Schluss überrascht Döhnert noch mit einem kleinen Knüller, als sich rausstellt, wer tatsächlich hinter Maries Entführung steckt. Den zweiten Teil zeigt das ZDF am Mittwoch.