TV-Tipp: „Auf kurze Distanz“ (ARD)

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TV-Tipp: „Auf kurze Distanz“ (ARD)
2.3., ARD, 20.15 Uhr: „Auf kurze Distanz“
Dieser Film ist ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, wie man ein schwieriges Thema geschickt verpackt: Eigentlich ist „Auf kurze Distanz“ ein düsterer Thriller über Wettbetrug im Sport. Erfolgsautor Holger Karsten Schmidt beschreibt in seinem Drehbuch, wie die Manipulationen im ganz großen Stil funktionieren. Sein Publikum aber findet das Werk über die emotionale Anteilnahme, denn der Film ist vor allem ein emotionales Drama über Freundschaft und Verrat.

Die Geschichte beginnt mit einer Hinrichtung im Wald und blendet dann sechs Monate zurück: Polizist Klaus Roth (Tom Schilling) wird aus dem regulären Dienst abgezogen und in Berlin als verdeckter Ermittler eingesetzt. Er soll sich in einen serbischen Familienclan einschleichen, der die illegale Wettszene dominiert. Tatsächlich gelingt es ihm, das Vertrauen des gleichaltrigen Luka (Edin Hasanovic), dem Neffen des Paten, zu gewinnen. Die entsprechende Schlüsselszene ist zwar weit hergeholt, aber eindrucksvoll: Roth rettet den jungen Serben vor der Polizei, indem er mit seinem Auto ein Einsatzfahrzeug mit zwei Beamten ins Hafenbecken schiebt. Die beiden Männer werden Freunde, Luka macht den angeblichen Milan sogar zum Paten seines Sohnes, und langsam, aber sicher bekommt Klaus ein Loyalitätsproblem: Seine Gefühle für Luka sind nicht gespielt, er mag den Serben, der vielleicht kein heller Kopf ist, aber ein großes Herz hat.

Natürlich weiß Schmidt dank seiner großen Thriller-Erfahrung, wie man so eine Geschichte konzipieren muss. Deshalb sind die Szenen, in denen es um das schmutzige Wettgeschäft geht, nicht bloß interessant, sondern auch spannend, zumal ein Krieg zwischen dem Clan und der italienischen Mafia droht. Nicht allzu detailliert, aber doch plausibel beschreibt der zweifache Grimme-Preisträger Schmidt, der von den Recherchen des investigativen Journalisten Benjamin Best profitieren durfte, wie Wettbetrug in großem Stil funktioniert. Geködert werden vor allem die kleinen Fische, Kicker aus der dritten Liga oder ein Tennissternchen ohne Aussicht auf Grand-Slam-Karriere. Mit einem Foul im eigenen Strafraum oder einem Aufschlagfehler zu rechten Zeit können sie einen Haufen Geld verdienen. Unangenehm wird es für die Sportler allerdings dann, wenn sie zwei Herren dienen und widersprüchliche Vorgaben bekommen, weshalb die Karriere eines Tennisspielers (Vladimir Burlakow) äußerst schmerzhaft endet.

Selbst die seltenen Sonnenstrahlen wirken nicht wärmend

Regisseur des Films ist Philipp Kadelbach, der nach dem Spektakel „Hindenburg“ sowie den beiden aufsehenerregenden und vielfach ausgezeichneten historischen Werken „Unsere Mütter, unsere Väter“ und „Nackt unter Wölfen“ diesmal einen bildsprachlich betont einfach gehaltenen zeitgenössischen Film gedreht hat. Das visuelle Konzept (Kamera: Jakub Bejnarowicz) ist dennoch ausgefeilt und ziemlich düster, selbst die seltenen Sonnenstrahlen wirken nicht wärmend. Das passt perfekt zur Mission der Hauptfigur, denn Roth muss als verdeckter Ermittler sein altes Leben komplett hinter sich lassen und der Freundschaft zu Luka zum Trotz kühlen Kopf bewahren. Tom Schilling verkörpert den Zwiespalt, in dem sich der junge Mann befindet, überaus glaubwürdig: Der Einzelgänger fühlt sich in der Familie des ebenso charismatischen wie misstrauischen Clanchefs (Lazar Ristovski) sichtlich wohl, zumal ihn Luka wie einen Bruder behandelt; aber er hat einen konkreten Auftrag.

Das Drehbuch sollte ursprünglich von Stephan Wagner verfilmt werden, landete schließlich bei Kadelbach und ist für dessen Umsetzung von Oliver Kienle bearbeitet worden; im Grunde kein ungewöhnlicher Vorgang, sieht man mal davon ab, dass Holger Karsten Schmidt zu den profiliertesten deutschen Fernsehfilmautoren gehört. Der Autor hat sein Material parallel zum Drehbuch auch als Roman verarbeitet (als Taschenbuch im Rowohlt Verlag). Vermutlich hätte Wagner einen anderen, zumindest aber aufwändigeren Film aus der Vorlage gemacht, doch auch Kadelbachs Arbeit kann sich sehen lassen. Die Schauspieler sind ausnahmslos gut geführt. Bei Schilling, schon Kadelbachs Hauptdarsteller in „Unsere Mütter, unsere Väter“, ist das nicht weiter überraschend, aber Edin Hasanovic, bislang viel zu oft auf den leicht beschränkten Kleinganoven reduziert, liefert hier eine seine besten Leistungen, zumal er als gebürtiger Bosnier seine Rolle genauso zweisprachig spielen kann wie etwa Aleksandar Jovanovic (als Sohn des Paten). Auch die Nebenrollen sind ansprechend und namhaft besetzt, unter anderem mit Emilia Schüle als Lukas Frau und dem Dänen Jens Albinus als Leiter der verdeckten Ermittlung, dessen Figur im Vergleich zum Roman allerdings etwas kurz kommt. Davon abgesehen geben Schmidt und Kadelbach desillusionierende Einblicke in eine Parallelwelt, von der sich der gemeine Sportfan keine Vorstellung macht; ein nicht nur wegen der düsteren und unheilvoll endenden Geschichte mutiger Film. Im Anschluss zeigt die ARD Bests Dokumentation „Wettbetrug im Fußball - Ein Milliardengeschäft für die Mafia“.