Wie fing alles an?
Johannes der Täufer, ein Zeitgenosse von Jesus, predigte in der Wüste: "Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!" (Matthäus 3,2) und taufte die Menschen durch Untertauchen im Jordan. Das war nichts vollkommen Neues, denn schon vorher gab es im Judentum rituelle Reinigungsbäder. Radikale Gruppe wie die Essener oder die Gemeinschaft von Qumran kannten das Tauchbad als Symbolhandlung für das Abwaschen von Schuld. Was bei Johannes neu war: Er, der Täufer, tauchte die Menschen unter – nicht sie sich selbst. Seine Taufe geschah einmalig im Leben, sozusagen als "letzte Rettung" vor dem Ende der Welt, hatte aber keine magische Wirkung, sondern war ein Zeichen für Umkehr und den Beginn eines neuen Lebens. Es bleibt etwas unklar, wie aus der Johannestaufe der Ritus zur Aufnahme in die christliche Gemeinde wurde. Johannes taufte noch nicht "auf den Namen des Herrn Jesus" oder "auf den Namen des Vater und des Sohnes und des Heiligen Geistes", doch für sein Ritual wurde derselbe Begriff verwendet wie noch heute für die christliche Taufe: "baptisma" - "Taufe", abgeleitet von dem Verb "baptizein" - "taufen", was wiederum eine Intensivform von "baptein" - "eintauchen" ist.
Jesus und die Taufe
Nach den Berichten von zwei Evangelisten (Markus 1,9-11; Matthäus 3,14-15) ließ sich Jesus von Johannes dem Täufer im Jordan taufen. Ob Jesu Taufe ein historisches Ereignis war oder als Legende betrachtet werden muss, ist umstritten. Sie bedeutet wohl, dass Jesus mit Johannes‘ Botschaft übereinstimmte, dessen Endzeiterwartung teilte und sich darauf vorbereiten wollte. Die Taufe markierte nach den Evangelien den Beginn seines eigenen öffentlichen Wirkens. Jesu Predigt zielte weniger als die des Johannes auf Buße und Gericht, sondern mehr auf die Befreiung der Menschen. Ob Jesus selbst taufte (Johannes 3,22.26) oder nur seine Jünger (Johannes 4,2), bleibt widersprüchlich. Von Jesus ist im Matthäusevangelium der Taufbefehl überliefert, den er nach seiner Auferstehung den Jüngern übermittelte: "Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe." (Matthäus 28,18-20)
Taufe bedeutet: Du kannst neu anfangen!
Jesus verbindet die Taufe mit einem Auftrag ("lehret sie halten alles...") – ebenso wie Johannes der Täufer, der von den Getauften "rechtschaffene Früchte der Buße" forderte (Lukas 3,8). Die Taufe eines Erwachsenen kann demnach bedeuten, dass man Altes hinter sich lassen und ein neues Leben mit Gott beginnen möchte. Der Apostel Paulus beschreibt mit drastischen Worten, dass mit der Taufe der "alte Mensch" symbolisch stirbt und dann – von Sünde befreit – zu "neuem Leben" auferweckt wird (Römer 6,3-9). Die Getauften sind "frei geworden von der Sünde" (Römer 6,7), was nicht heißt, dass sie ab der Taufe keine Fehler mehr machen. Sünde bedeutet die bewusste Abwendung des Menschen von Gott; Freiheit von Sünde heißt demnach, wieder mit Gott vereint zu sein. Auch andere Stellen in den neutestamentlichen Briefen zielen darauf, dass mit der Taufe eine "Wiedergeburt und Erneuerung" (Titus 3,5) oder Reinigung (Epheser 5,26) geschieht. Martin Luther schrieb im Kleinen Katechismus über die Taufe: "Sie wirkt Vergebung der Sünden, erlöst vom Tode und Teufel und ... bedeutet, dass der alte Adam in uns durch tägliche Reue und Buße soll ersäuft werden und sterben mit allen Sünden und bösen Lüsten; und wiederum täglich herauskommen und auferstehen ein neuer Mensch, der in Gerechtigkeit und Reinheit vor Gott ewiglich lebe."
Taufe bedeutet: Du bist Teil von etwas Großem!
Nach einer flammenden Rede von Petrus beim ersten Pfingstfest ließen sich "etwa dreitausend Menschen" taufen (Apostelgeschichte 2,41). Dieses Ereignis markiert den Beginn kirchlichen Lebens, ausgehend von Jerusalem. Noch heute begründet die Taufe formal die Mitgliedschaft in allen christlichen Kirchen und sie wird gegenseitig anerkannt. Geistlich ausgedrückt bilden alle Getauften zusammen den "Leib Christi" (1. Korinther 12,12ff), in dem ethnische, soziale und geschlechtliche Unterscheidungen zwischen den Menschen radikal aufgehoben sind (Galater 3,28). Wer getauft ist, hat "Christus angezogen" (Galater 3,27), ist also quasi hineingestiegen in die Lebensgemeinschaft mit Gott, wird ein Gotteskind. Diese Gewissheit kann Menschen – gerade in schweren Zeiten und bei Glaubenszweifeln – tragen und trösten. Martin Luther soll den Satz "Ich bin getauft" sogar einmal auf einen Tisch geschrieben haben. Solcher Glaube, solche Gewissheit ist möglich durch den Empfang des Heiligen Geistes, der bei Jesu Taufe sichbar in Gestalt einer Taube auf ihn herabschwebte, und der den Menschen zu Pfingsten in Jerusalem als Feuer erschien. Zwar ist nicht zu erwarten, dass bei einerTaufe heute in unseren Kirchen die Geistkraft sichtbar und spürbar vom Täufling Besitz ergreift. Doch die Verheißung, dass sie kommt, gilt! Der Heilige Geist gibt den Getauften immer wieder Kraft zum Glauben, Hoffen und Lieben, schenkt Kreativität und Inspiration.
Ist es richtig, Säuglinge und Kleinkinder zu taufen?
Säuglinge und Kleinkinder können ihren Taufwunsch und ihr Glaubensbekenntnis noch nicht selbst formulieren und haben noch keinen Grund, im Leben "umzukehren". Trotzdem wurden vermutlich schon in den ersten christlichen Gemeinden Kinder mitgetauft, wenn sich das Oberhaupt eines Haushaltes zur Taufe entschied (Apostelgeschichte 16,15; 18,8; 1. Korinther 1,16). Klare Belege für die Taufe von Säuglingen und Kindern gibt es ab Ende des 2. Jahrhunderts. Später wurde die Kindertaufe verknüpft mit der Erbsündenlehre des Kirchenvaters Augustinus (354-430). Man ging davon aus, dass schon Säuglinge auf Sündenvergebung durch die Taufe angewiesen seien und ungetauft nicht in den Himmel kämen. Heute gelten andere Argumente für die Taufe von kleinen Kindern: Eltern wünschen sich, dass ihr Kind vom Beginn seines Lebens an zu der Gemeinschaft der Kinder Gottes dazugehört, in ihr christliche Werte lernt, bedingungslose Annahme erfährt und von Pat:innen im Leben begleitet wird. Glaube wird nicht als Voraussetzung für die Taufe angesehen, sondern als Geschenk Gottes an den Täufling.
Autoren
Anne Kampf
Anne Kampf ist Journalistin und evangelische Theologin. Von November 2010 bis Januar 2017 war sie Redakteurin bei evangelisch.de. Seit August 2019 ist sie Pfarrerin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) in der Bethaniengemeinde Frankfurt.