Warum taufen Christen eigentlich?

Mit Blüten dekoriertes Taufbecken.
Foto: Stocksy.com/Claudia Lommel
Eigentlich ist die Antwort auf die Frage, warum Christen taufen, ganz einfach: Weil Jesus von Nazareth getauft wurde. Die ersten Gemeinden übernahmen den Ritus als Zeichen: Wer getauft ist, gehört dazu.

Kurz bevor Jesus als Prediger auftrat, war schon Johannes, genannt "der Täufer", in Palästina unterwegs. Johannes predigte "die Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden" (Markus 1,4). Die Menschen ließen sich von ihm im Jordan untertauchen (so die wörtliche Übersetzung des griechischen Wortes baptizo – taufen), sozusagen als sichtbaren Neubeginn ihren Lebens. Auch Jesus kam und ließ sich von Johannes taufen. Die Evangelisten erzählen, dass in diesem Moment der Geist Gottes "wie eine Taube" auf ihn niederfuhr (Markus 1,10; Lukas 3,22; Matthäus 3,16). Damit ist symbolisch ausgedrückt, dass es durch Jesus eine direkte Verbindung zwischen Himmel und Erde, zwischen Gott und den Menschen gibt.

Jesus selbst taufte laut dem Neuen Testament nicht. Aber laut dem Evangelisten Matthäus beauftragte er seine Jünger zu taufen: "Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe." (Matthäus 28,19). Im Taufbefehl wird die Taufe mit einem Leben als Christ verbunden: Wer getauft wird, erhält den Auftrag, nach Jesu Vorbild und nach seinen Worten zu leben.

Was die Taufe theologisch bedeutet, hat der Apostel Paulus mit drastischen Bildern im Römerbrief aufgeschrieben: "Wisst ihr nicht, dass alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft? So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, auch wir in einem neuen Leben wandeln. (…) Wir wissen ja, dass unser alter Mensch mit ihm gekreuzigt ist, damit der Leib der Sünde vernichtet werde, sodass wir hinfort der Sünde nicht dienen. Denn wer gestorben ist, der ist frei geworden von der Sünde. Sind wir aber mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden, und wissen, dass Christus, von den Toten erweckt, hinfort nicht stirbt; der Tod kann hinfort über ihn nicht herrschen." (Römer 6,3-9)

Paulus sieht die Taufe hier als Sinnbild für den Tod und die Auferstehung Jesu. In diesem Bild stecken mehrere Bedeutungen. Erstens: Wer sich taufen lässt, glaubt an die Auferstehung Christi und seiner Nachfolger. Zweitens: Die Getauften sind "frei geworden von der Sünde", was nicht heißt, dass sie ab der Taufe keine Fehler oder moralischen Übertretungen mehr begehen. Sünde bedeutet die bewusste Abwendung des Menschen von Gott und eine Lebensführung ohne ihn. Freiheit von Sünde heißt also, wieder mit Gott vereint zu sein. Das gilt mit der Taufe grundsätzlich, auch wenn schon Paulus einräumen musste, dass man es im Alltag nicht immer merkt: Das Leben ist auch für Christen nicht sorglos und perfekt. Der Apostel schrieb: "Wir sind zwar gerettet, doch auf Hoffnung" (Römer 8,24) und meinte damit, dass Christen – drittens – in Erwartung einer zukünftigen Welt leben.

In der Taufe geschieht der Anfang des neuen Lebens. Sie ist der Aufnahmeritus in die christliche Gemeinde (Galater 3,26-28; Apostelgeschichte 2,41). Aus dem Ritus hat sich im Laufe der Kirchengeschichte ein Sakrament entwickelt, eine zeichenhafte Handlung auf Grundlage von Gottes Wort, verbunden mit einem Naturelement, dem Wasser. Man darf die Taufe nicht als magische Handlung missverstehen: In dem Moment, wo der Täufling das Wasser berührt, "passiert" nichts. Die Taufe ist ein Zeichen, und alles, was mit ihr neu im Leben einsetzt, kann nur geglaubt werden.

In den neutestamentlichen Schriften wird die Taufe mit dem Empfang des Heiligen Geistes verbunden (1 Korinther 12,13 bzw. Apostelgeschichte 2,38-39, Johannes 3,3-6). Auch das ist wieder ein Begriff, der heute schwer zu fassen ist: Was macht der Heilige Geist mit dem Getauften? Er steht gewissermaßen für die Verbindung zwischen Mensch und Gott (Markus 1,10-11), er schenkt Glauben und Gewissheit, er gibt Hoffnung und Trost. Von Martin Luther wird berichtet, dass er sich selber immer wieder mit den Worten "Ich bin getauft" tröstete und den Satz sogar auf einen Tisch schrieb.

Eine Frage, die seit der Alten Kirche über die Reformation bis heute diskutiert wird, ist: Wer handelt in der Taufe zuerst? Der Mensch, der die Taufe begehrt und damit seinen Glauben bekennt? Oder handelt zuerst Gott, der dem Menschen überhaupt erst den Glauben schenkt? Man hat sich in der lutherischen und reformierten Kirche darauf geeinigt, dass beides gilt: In der Taufe kommen Verheißung Gottes und Glaube des Menschen zusammen - allerdings mit einer deutlicheren Betonung auf dem Handeln Gottes: Er nimmt jeden Menschen bedingungslos an, unabhängig von irgendwelchen Vorleistungen oder Bekenntnissen. Weil der Mensch selbst seinen eigenen Glauben nicht selbst aufbringen kann, werden in unseren Kirchen kleine Kinder getauft. Meistens wird dabei das Kinderevangelium vorgelesen, in dem Jesus sagt: "Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn solchen gehört das Reich Gottes." (Lukas 18,16). Die Kinder werden mit ihrer Taufe in die Gemeinschaft der Glaubenden aufgenommen. Übrigens kommen sie da nicht wieder raus, auch nicht durch einen Kirchenaustritt als Erwachsene. Denn Gottes Zusage bleibt. Getauft ist getauft.

Autoren

Anne Kampf

Foto: Margit Berger, Fotostudio Fuhrmann Siegen

Anne Kampf ist Journalistin und evangelische Theologin. Von November 2010 bis Januar 2017 war sie Redakteurin bei evangelisch.de. Seit August 2019 ist sie Pfarrerin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) in der Bethaniengemeinde Frankfurt.