Die "Communität Don Camillo": Eine Brücke zwischen Stadt und Kloster

Foto: epd-bild / Peter Lindoerfer
Gläubige beim Gottesdienst des Berliner "Stadtkloster Segen"
Die "Communität Don Camillo": Eine Brücke zwischen Stadt und Kloster
Darauf hat Berlin gewartet: Mitten im Prenzlauer Berg steht seit wenigen Jahren das "Stadtkloster Segen". Betrieben wird es von der "Communität Don Camillo", einer modernen Klostergemeinschaft von Familien und Singles aus der Schweiz. In die deutsche Hauptstadt wurden sie gerufen von einer Kirchengemeinde, die nach Fusion eine neue Nutzung für die Berliner Segenskirche suchte. Die Idee "Stadtkloster" könnte auch auf andere Großstädte überspringen. Ein Porträt des Projektes.

Weithin sichtbar im Prenzlauer Berg ragt der Kirchturm aus einem burgähnlichen rot geklinkerten Wohnhaus an der Schönhauser Allee empor. Eine riesige, schattige Toröffnung saugt hinein in den winzigen Innenhof. Dort sieht man sich dem Portal der evangelischen Segenskirche gegenüber.

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Innen, im wilhelminisch überladenen Kirchensaal, haben sich zehn Personen versammelt. Mit dem Psalmwort "O Gott, komm mir zur Hilfe / Herr, eile mir zu helfen" beginnen sie das Mittagsgebet, gregorianisch gesungen im Wechsel zwischen Männern und Frauen.

Solche Stundengebete in der Tradition des Benediktinerordens finden in der Segenskirche täglich statt: um acht Uhr und um zwölf Uhr, an einigen Wochentagen auch um 21 Uhr. Verantwortet werden sie von der "Communität Don Camillo", die sich 2007 hier angesiedelt und das "Stadtkloster Segen" aufgebaut hat.

Kulturschock: Von der idyllischen Schweiz ins pulsierende Berlin

Die Gebete sind das Herzstück der spirituellen Angebote des Stadtklosters. Zugleich geben sie den Kommunitätsmitgliedern, die überwiegend aus der Schweiz stammen, ein Stück Heimat in der manchmal immer noch fremden Metropole Berlin. "Die gewohnten Gebetszeiten haben uns getragen mitten in dem Kulturschock, den der Umzug nach Berlin für uns bedeutete", sagt Barbara Schubert-Eugster vom Klosterteam. Inzwischen seien sie hier angekommen.

Gerufen hatte sie die Kirchengemeinde Prenzlauer Berg Nord, die 2001 aus der Fusion von vier Einzelgemeinden entstanden war. Um nicht an allen vier Standorten das gleiche Programm zu senden, suchte die fusionierte Gemeinde eine neue Nutzung für die Segenskirche. Die Idee eines Stadtklosters setzte sich durch. Ein Komitee um Pfarrer Gisbert Mangliers machte sich auf die Suche nach einer geistlicher Gemeinschaft, die die Kirche mit neuem Leben füllen könnte.

Das Ehepaar Schubert (links unten und rechts oben) haben das "Stadtkloster Segen" im Jahr 2007 gegründet.

Taugt klösterliche Spiritualität auch für die Großstadt?

2004 wurde der Pfarrer fündig – in der ländlichen Westschweiz, bei der Communität Don Camillo in Montmirail. Er fragte an. Und stieß auf offene Ohren. "Innerhalb der Communität überlegten wir damals gerade: Was können wir von der Spiritualität, die wir unter ländlichen Bedingungen eingeübt haben, auch in der Großstadt umsetzen?" Das Angebot aus Berlin kam wie gerufen.

2007 zog das Ehepaar Schubert mit seinen Kindern und einer zweiten Familie nach Berlin. Später stießen zwei Alleinstehende zu der kleinen Stadtkloster-Gemeinschaft. Für einen Euro kauften sie die Gebäude der Segenskirche – und mussten sich erstmal in viele Bauarbeiten stürzen. Zugleich war die Kirche weiterhin für das Gemeindeleben da.

Eine Musik, die man nie satt hat

Heute veranstalten die Kommunitätsmitglieder zusammen mit 20 bis 30 Ehrenamtlichen Glaubenskurse, Meditationen, Angebote für Konfirmanden und Jugendliche. Jeden Sonntag um 21 Uhr gibt es eine Abendbesinnung.

Dieser unkonventionelle Gottesdienst und die täglichen Stundengebete finden immer statt. "Verlässliche Präsenz ist ganz wichtig", sagt Barbara Schubert-Eugster. Immer wieder kämen Leute ins Mittagsgebet, die hinterher noch etwas loswerden wollten. Da sei es wichtig zu wissen, dass zu bestimmten Zeiten immer jemand da ist und ein offenes Ohr hat. "Pfarrer können das heute nicht mehr rund um die Uhr leisten. Bei einer geistlichen Gemeinschaft verteilt sich das auf mehrere Schultern", so die Seelsorgerin.

Zu den Gebetszeiten kämen Leute aus dem Kiez, Touristen und Bewohner der Gästezimmer im Haus. Unter den Teilnehmern seien immer wieder auch Leute, die mit Kirche eigentlich nicht soviel am Hut haben, aber zum Beispiel die gregorianischen Psalmen schön finden. "Das ist einfach eine Musik, die man auch nach 25 Jahren nicht über hat", ist Barbara Schubert-Eugster überzeugt. Sie muss es wissen, denn sie gehört der "Communität Don Camillo" schon seit deren Gründung an.

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Basel 1977: Eine WG der etwas anderen Art

Auslöser war ein Jugendtreffen im evangelischen Kloster Schwanberg in Franken gewesen, das ihr damaliger Freund und heutiger Ehemann Georg 1977 mit zwei Freunden besucht hatte. "Dort ging es um die Frage, was wir mit unserem Leben vorhaben", erinnert sich Georg Schubert. "Bald darauf kamen wir drei mit unseren Freundinnen zu dem Entschluss: Wir wollen unseren Glauben in Gemeinschaft leben."

Ihre Grundidee sei gewesen, einander beizustehen in den großen und schwierigen Entscheidungen des Lebens. "Wenn es um Berufs- und Partnerwahl geht, wird die Frage, wie man als Christ lebt, schnell zweit- oder drittrangig. Aber wir wollten versuchen, einander auf diesem Weg zu bestärken."

So zogen sie 1977 in Basel in eine WG und gaben sich einige Spielregeln: gemeinsame Gebete, gemeinsame Kasse, Seelsorge und Engagement in einer nahen Kirchengemeinde.

Zentrum in der Westschweiz, Außenposten in Angola

In den folgenden Jahren wuchs die Gemeinschaft allmählich auf 25 Mitglieder an, darunter viele Paare mit Kindern, aber auch Ledige. Die Kommunität zog um ins ländliche Montmirail am Neuenburger See. Auf eine Anfrage hin entstand sogar ein Außenposten in Angola: eine Gesundheitsstation, die bis 1992 von Mitgliedern der Communität betreut wurde.

Heute hat die "Communität Don Camillo" vier Standorte: Neben Montmirail sind es Basel, Bern – und eben Berlin. "Unsere Gemeinschaft hat sich in diesen 36 Jahren durch vielerlei Einflüsse immer weiter entwickelt und gewandelt", bilanzieren Barbara und Georg Schubert. "Dabei hat sich über die Jahre immer mehr herauskristallisiert, dass wir als Brückenbauer wirken wollen." Mit ihrem Berliner Projekt schlagen sie die Brücke zwischen Stadt und Kloster.