Zander: Aufgabe nicht wegdelegieren

Missbrauchsbetroffenen-Vertreter Detlev Zander
epd-bild/Heike Lyding
Betroffenenvertreter Zander appelliert an Bischof Meister, mehr für die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen in der Kirche zu tun.
Aufarbeitung von Missbrauch
Zander: Aufgabe nicht wegdelegieren
Bei der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen geht die evangelische Kirche aus Sicht von Betroffenenvertretern zu zaghaft vor. Kirchenvertreter hingegen sehen eine Generationenaufgabe und sprechen von einem nötigen Kulturwandel.

Missbrauchsbetroffene haben von der evangelischen Kirche mehr Entschlossenheit bei der Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt verlangt. Das Thema müsse bis in die kleinste Kirche hineingebracht werden, sagt der Betroffenenvertreter Detlev Zander in Loccum bei Nienburg bei einer Podiumsdiskussion mit Vertreterinnen und Vertretern der hannoverschen Landeskirche, unter ihnen Landesbischof Ralf Meister. Eindringlich mahnte Zander: "Wir haben euch unsere Geschichten gegeben. Macht was draus!"

Zander appellierte auch direkt an Bischof Meister: "Es gehört zu Ihren Aufgaben, das nicht wegzudelegieren. Sie müssen da Ihre Hand drüber halten." In der evangelischen Kirche gebe es viele junge Pastorinnen und Pastoren, die Prävention und Aufarbeitung voranbringen wollten, sagt der Betroffenensprecher, der zum Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Diakonie gehört. Sie würden aber häufig ausgebremst. "Ihnen möchte ich den Rücken stärken." Die Landeskirchen müssten für diese Aufgaben Ressourcen schaffen und Geld in die Hand nehmen.

Der Landesbischof antwortete mit einem Schuldeingeständnis: "Natürlich fühle ich mich schuldig - schuldig für das, was in der Vergangenheit in der Kirche geschehen ist." Zwar tue die evangelische Kirche inzwischen viel gegen sexualisierte Gewalt, doch Meister räumt ein: "Es reicht vorne und hinten noch nicht." Die Podiumsdiskussion war Teil einer Tagung der Evangelischen Akademie Loccum unter dem Titel "Sexualisierte Gewalt im Raum der Kirche und der Diakonie: Werkstatt Aufarbeitung". Bischof Meister sagt außerdem, der Kampf gegen sexualisierte Gewalt erfordere in der evangelischen Kirche neben strukturellen Veränderungen eine Art Kulturwandel. So müsse sich die Kirche von falschen Idealvorstellungen verabschieden. Es werde Zeit brauchen, dies zu verändern: "Das ist eine Auseinandersetzung, die nicht in einer halben Generation erledigt ist."

Nach den Worten von Betroffenenvertreterin Nancy Janz sind Aufarbeitung und Prävention erst durch das Engagement der Betroffenen in Gang gekommen: "Wenn es uns nicht gegeben hätte, würden die evangelische Kirche und die Diakonie heute nicht hier sitzen." Die Betroffenen hätten auch gegen mancherlei Widerstände ankämpfen müssen, sagt Janz, die ebenfalls dem Beteiligungsforum angehört. Es sei wichtig, mit den Betroffenen ins Gespräch zu kommen: "Sie haben noch mal eine ganz andere Perspektive."

Die für Bildung zuständige Oberlandeskirchenrätin Kerstin Gäfgen-Track sagt, die Kirche stehe in der Arbeit mit jungen Menschen zurzeit unter großem Druck. "Wir müssen damit umgehen, dass die Leichtigkeit aus der Jugendarbeit ein Stück heraus ist, weil dieses Thema immer mitschwingt." Die hannoversche Landeskirche habe rund 10.000 ehrenamtliche Jugendmitarbeiter. Diese müssten alle regelmäßig zum Umgang sexualisierter Gewalt geschult werden. Gäfgen-Track resümierte: "Wir müssen den Druck aushalten und weiterarbeiten."

Der Vorstandssprecher der Diakonie in Niedersachsen, Hans-Joachim Lenke, plädiert für ein verlässliches Meldesystem. Es sei notwendig, dass die einzelnen sozialen Mitgliedseinrichtungen dem Dachverband der Diakonie Fälle von sexualisierter Gewalt verbindlich mitteilten. So habe es vor einiger Zeit einen Mitarbeiter gegeben, der alle zwei Jahre die Stelle gewechselt und an jedem neuen Ort erneut Missbrauch begangen habe. "Das könnte auffallen, wenn wir ein Meldesystem hätten. Wir werden versuchen, es zu etablieren."