Die Gedanken der Israel-Rückkehrer

Pfarrerin Bettina Klünemann spricht mit Reisenden
© epd-bild/Tim Wegner
Pfarrerin Bettina Klünemann spricht mit Reisenden am Terminal 1 im Flughafen Frankfurt (Archivbild).
Seelsorge am Flughafen
Die Gedanken der Israel-Rückkehrer
Rund eine Woche nach den Terrorakten der Hamas wurden deutsche Staatsbürger aus Israel ausgeflogen. Mit welchen Gedanken kamen sie zurück? Die Mitarbeitenden der Flughafenseelsorge haben es erfahren und halfen beim Ankommen.

Auf mehrere Maschinen verteilt, kamen zwischen Donnerstag und Sonntag letzter Woche jeweils rund 800 Menschen in München und Frankfurt an – im Gepäck die Eindrücke von dem, was sie in den Tagen zuvor, mehr oder weniger nahe am Geschehen, miterleben mussten.

Die Mitarbeitenden der Flughafenseelsorge nehmen sie am Flughafen in Empfang, sind erste Ansprechpartner – in seelischer Not, aber auch für ganz praktische Dinge. "Die Erleichterung war den Menschen ins Gesicht geschrieben", schildert Christine Stöhr, Pfarrerin am Münchner Flughafen, ihre Eindrücke. Natürlich seien auch Tränen geflossen, "etwa bei Eltern, die ihre Kinder nun in Sicherheit wussten".

Auch viele Presseleute warten auf die Ankömmlinge. Nicht jeder will mit ihnen sprechen. "Wir haben die Leute da auch ein bisschen geschützt", sagt Bettina Klünemann, Pfarrerin und Psychologin am Frankfurter Airport. "Einige haben wir auch bis zum Zug begleitet." Denn die meisten Passagiere wollen vor allem schnell zu ihren Zielorten gelangen, sind teilweise schon seit Tagen unterwegs. "Irgendwann kann man dann auch nicht mehr", so Klünemann. Die Seelsorger helfen bei der Orientierung und bringen die Menschen gut auf den weiteren Weg.

Im Raum der Flughafenseelsorge am Frankfurter Airport ist Platz auch für vertrauliche Gespräche.

Viele waren als Familie, in Reise- oder Pilgergruppen in Israel unterwegs. "Für die war es vielleicht etwas leichter als für Einzelreisende, die Situation zu verarbeiten", hat Klünemann beobachtet. Viele wirken sehr mitgenommen. Manchmal entwickeln sich längere Gespräche, die Menschen reden sich das Erlebte von der Seele: Das Heulen der Sirenen, Raketeneinschläge in unmittelbarer Nähe, die bangen Momente im Bunker. Auch die Sorge um Bekannte und Freunde, wenn die Gruppe auseinandergerissen wird. "Da haben sich richtige Schicksalsgemeinschaften entwickelt", berichtet Anabel Platalla, die als Pfarrvikarin am Frankfurter Flughafen im Einsatz ist.

Durchkreuzte Pläne, zwiespältige Gefühle

Die Ereignisse brechen unmittelbar in den Alltag der Menschen hinein. Der Ehrenamtliche Torsten Reinhardt (Frankfurt) hat etwa von einer geplanten Familienfeier gehört. "Als die Verwandten aus Deutschland eintrafen, waren drei Männer bereits zur Armee eingezogen worden." Ein Ehepaar hatte ihre Tochter besucht und wollte sie eigentlich mit nach Deutschland nehmen. "Doch sie blieb bei ihrer Familie. ‚Israel ist meine Heimat‘, sagte sie."

Auch das Leben von Studierenden und Freiwilligen ist durch die Anschläge durcheinander geraten. Lebenspläne sind durchkreuzt. "Viele müssen nun ausreisen, obwohl sie eigentlich im Land bleiben und dort arbeiten wollten", berichtet Reinhardt. "Sie haben das Gefühl, die Leute dort im Stich zu lassen." Mit diesem Zwiespalt klarzukommen sei für junge Menschen eine besonders große Herausforderung, so Bettina Klünemann.

"Wissen nie genau, was uns erwartet"

Die kirchlichen Mitarbeitenden am Flughafen sind auf solche Krisensituationen, auf die Hilfe in existentiellen Fragen eingestellt. Die meisten haben spezielle Qualifikationen, etwa in der Notfallseelsorge. "Wir waren auf die Situation vorbereitet", sagt Christine Stöhr. Im Notfall kann sie am Flughafen München auch zusätzliche Kräfte kurzfristig mobilisieren.

In Frankfurt waren jetzt sechs bis acht Mitarbeitende aus der Seelsorge und dem kirchlichen Sozialdienst für Passagiere, der vom Diakonischen Werk getragen wird, im Einsatz. "Wir versuchen, vorab möglichst viele Informationen zu bekommen", sagt Klünemann. "Trotzdem wissen wir nie genau, was uns erwartet und müssen uns schnell in die Situation hineinfinden."

Menschen, die aus Krisenregionen kommen, sind für die Flughafenseelsorger:innen nichts Ungewöhnliches. "Das gehört leider zu unserem Alltag", sagt Klünemann und erinnert an die jüngsten Fälle – die Waldbrände in Griechenland, den Bürgerkrieg im Sudan und natürlich auch den Ukraine-Krieg. "Jede Krise auf der Welt kriegen wir hier unmittelbar zu spüren."

Auch wenn keine unmittelbare Hilfe benötigt wird – die Menschen seien "dankbar für unsere Anwesenheit und die Bereitschaft, zuzuhören", sagt Christine Stöhr. "Sicherheit und Stabilität zu vermitteln, ist das Wichtigste", bestätigt Anabel Platalla. "Damit die Ängste nicht wieder hochkommen."