Experte: Whitney Houston hat Grenzen überwunden

Whitney Houston performt während eines Konzerts in der Drammenshallen in Drammen, Norwegen
© epd-bild/akg-images/NTB scanpix/Keneth Wood
Whitney Elizabeth Houston war eine US-amerikanische R&B-, Soul- und Pop-Sängerin und Schauspielerin und wäre am 9. August 60 Jahre geworden.
Popmusik-Ikone
Experte: Whitney Houston hat Grenzen überwunden
Am 9. August wäre sie 60 geworden: Sängerin Whitney Houston. Mit ihrer Stimmgewalt habe sie ethnische Grenzen überwunden, sagt der Rektor der Essener Folkwang Universität der Künste Andreas Jacob.

In den USA sei der Markt strikt geteilt gewesen in die Musik von Weißen und Schwarzen, sagte Popmusik-Experten Andreas Jacob. Houston, die am 9. August 60 Jahre alt geworden wäre und 2012 starb, habe sich bewusst dazwischen positioniert. Diese Strategie habe zu einem großen Erfolg geführt, so der Experte, ihr aber von Vertretern der schwarzen Emanzipation auch den Vorwurf eingetragen, sie würde sich assimilieren: "Wenn man sich außerhalb solcher Schubladen bewegt und Mainstream macht, findet man sich auch immer in einer Debatte rund um Identitäten wieder."

Die stimmgewaltige Künstlerin ("I wanna dance with somebody") gilt mit mehr als 220 Millionen verkaufter Alben als bislang erfolgreichste Sängerin. Mit ihrer Stimme, die mühelos über drei Oktaven reichte, konnte sie jeden Popsong zu großer Kunst erheben. Sie hatte mehr Nummer-Eins-Hits in Folge als die Beatles. In dem Film "Bodyguard" (1992) war sie an der Seite von Kevin Costner auch als Schauspielerin zu sehen. Der Soundtrack enthält ihren größten Hit "I Will Always Love You". 

In der Karriere Houstons habe es viel Fremdbestimmtheit gegeben, sagte Jacob. "In den Sphären, in denen sie sich bewegt hat, zerrten viele Seiten an ihr: die Familie, die Platten-Industrie und ihre eigenen Ansprüche." Viele sehr persönliche Bereiche seien in die Öffentlichkeit gekommen, von ihrer problematischen Ehe bis zu ihrer sexuellen Ausrichtung.

Die Künstlerin aus Newark im US-Bundesstaat New Jersey wurde in eine äußerst musikalische Familie hineingeboren. Ihre Cousine war die Pop-Ikone Dionne Warwick, ihre Patentante Aretha Franklin. Die Mutter Cissy Houston begleitete als Backgroundsängerin Elvis, Aretha Franklin, Jimi Hendrix oder Dusty Springfield.

"Gott hat mir diese Gabe verliehen"

Ihre ersten musikalischen Erfahrungen sammelte Whitney in der Kirche: "Gott hat mir diese Gabe verliehen", sagte sie einmal. Ihre Gesangsausbildung habe sie im Gospelchor in der Kirche absolviert: "Denn dort habe ich gelernt, Inspiration und ganz viel Gefühl in die Stimme zu legen."

"Ihre Stimme übertraf alles, was ich je gehört habe", erinnerte sich der Hit-Produzent und Arista-Chef Clive Davis, der die junge Sängerin unter Vertrag nahm. Seine Strategie war es, eine Pop-Ikone schaffen, die nicht nur in den Charts der schwarzen Musik Erfolg hat, sondern auch im weißen Amerika akzeptiert wird. Das Konzept ging auf: Höhepunkt ihrer Karriere war der Auftritt beim "Super Bowl" 1991. Als die schwarze Sängerin die Nationalhymne "The Star Spangled Banner" sang, löste sie Begeisterungsstürme aus.

Musik an die "weiße Gesellschaft" angepasst?

Vertreter der schwarzen Emanzipationsbewegung warfen ihr hingegen vor, dass sie sich mit ihrer Musik der weißen Gesellschaft angepasst habe. Bei der Preisverleihung der Musiksendung "Soultrain" wurde sie von einem schwarzen Publikum ausgebuht. Ähnlich wie Whitney Houston habe auch die schwarze Sängerin Tina Turner einen gewalttätigen Ehemann und die Diskussion um schwarze und weiße Musik erlebt, sagt Andreas Jacob. Turner habe jedoch selbst darüber bestimmt, welche Art von Musik sie machte und welches Bild von ihr in der Öffentlichkeit existiert habe. "Bei Tina Turner war das Narrativ, dass sie ihr Schicksal selbst in die Hand genommen hat, ihren Ehemann rausgeschmissen und es da herausgeschafft hat", so Jacob.

Die Tragik der großen Sängerin Whitney Houston war offenbar, dass sie ihr Leben einem glatten Mainstream-Image untergeordnet hatte, das ihr überhaupt nicht entsprach. In den Schwarzenvierteln von New Jersey aufgewachsen, war sie wohl schon früh in Kontakt mit Drogen gekommen. Mit ihrer langjährigen Freundin Robyn Crawford soll sie zeitweise in einer Beziehung gelebt haben, die sie aber in der Öffentlichkeit verneinte. In ihrer Ehe mit dem Rapper Bobby Brown, mit dem sie die Tochter Bobbi Kristina (1993-2015) hatte, erlebte sie lange Jahre Untreue, Gewalt und Drogenmissbrauch.

Eine unglückliche Ehe

In der Ehe habe sich Houston "in eine unberechenbare, verzweifelte Frau" verwandelt, "deren Leben völlig aus den Fugen geriet", schreibt Mark Bego in seiner Biografie. Immer massivere Drogen- und Alkoholprobleme waren die Folge. Im Jahr 2007 ließ sie sich scheiden. Ihrem Vater entzog sie ihr Management, dieser verklagte sie daraufhin auf 100 Millionen Dollar.
2009 gelang Houston mit "I Look to You" nochmal ein Comeback-Album. Sie hatte einen immer größeren Tross zu versorgen, fast die ganze Familie war bei ihr angestellt. Eine Therapie soll sie abgebrochen haben, weil kein Geld mehr auf dem Konto war.

Am Vorabend der Verleihung der Grammy Awards in Beverly Hill wurde sie am 11. Februar 2012 von ihrer Assistentin leblos in der Badewanne gefunden. Die Gerichtsmediziner stuften ihren Tod durch Ertrinken als Unfall ein, jedoch hätten ein Herzleiden und Kokainmissbrauch dazu beigetragen. Weggefährten wie die Backgroundsängerin Pattie Howard, die in der Doku "Can I Be Me" zu Wort kommen, sehen jedoch eine tiefere Ursache: "Sie starb an gebrochenem Herzen."

Die Musik von Houston hat nach Worten Jacobs viele Künstlerinnen von Missy Elliott, Lauryn Hill, Alicia Keys bis Céline Dion beeinflusst. "Whitney Houston war ein Stimmwunder erster Güte. Es ist unfassbar, was sie konnte", würdigte der Hochschulrektor die Musikerin. Als an der Folkwang-Universität die ersten Musical-Jahrgänge begonnen hätten, hätten alle versucht, die Pop-Balladen von Houston zu singen. "Das ist aber extrem schwer - die meisten sind daran gescheitert."