"Es gibt Parallelen zwischen Sport und Kirche"

Frauenfußball Nationalmanschaft Team jubelt
© Sebastian Christoph Gollnow/dpa
Das deutsche Team freut sich gemeinsam an der Trainerbank über den 3:0 Treffer von Stürmerin Klara Bühl beim Vorrundenspiel der Gruppe H gegen Marokko bei der Frauen-WM - Endstand: 6:0.
Landespastorin zur Fußball-WM
"Es gibt Parallelen zwischen Sport und Kirche"
Heute,  24. Juli, ist das Deutsche Nationalteam bei der Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen in (Australien/Neuseeland) mit einem Sieg gegen Marokko ins Turnier eingestiegen. Susanne Paul, Landespastorin für Frauenarbeit in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers, wünscht sich grundsätzlich mehr Anerkennung von Frauen auf dem Spielfeld. Andernfalls könnten die ihre Kraft und Energie an anderen erfolgsversprechenden Orten investieren.

Tanja Niestroj (Evangelische Medienarbeit, EMA): Frau Paul, bevor Sie zur Landespastorin für die Frauenarbeit berufen wurden, waren sie viele Jahre Pastorin in der Martin-Luther-Gemeinde in Ramlingen-Ehlershausen, ein Dorf, in dem der Fußball fest verankert ist. Mit wieviel Leidenschaft haben Sie der Fußball-WM für Frauen entgegengefiebert?

Susanne Paul: Ich freue mich sehr. Ich mag die Art, wie Frauen Fußball spielen. Da stecken viel Technik und weniger Showeinlagen drin. Und ich finde, der Frauenfußball hat sich in den letzten Jahren unglaublich entwickelt. Außerdem bin ich sehr beruhigt, dass auch das Fernsehen die Attraktivität von Frauenfußball erkannt hat.

Das Interesse an Frauenfußball nimmt ja offensichtlich zu, von einem regelrechten Boom wie in England können die Frauen hierzulande aber nur träumen. Ob in den Jugendmannschaften oder höheren Ligen – in allen Klubs zeigt sich, dass Fußball noch immer eine Männerbastion ist. Warum haben es Mädchen und Frauen in diesem Sport schwerer?

Susanne Paul: Eine kleine Geschichte dazu: Unter meinen Konfirmandinnen waren in einem Jahrgang viele Fußballspielerinnen. Der RSE hat für sie ein Turnier ausgerichtet und die Mädchen freuten sich ungeheuerlich, waren nachher aber auch ein bisschen enttäuscht. Die Jungs hatten beim Turnier vorher richtig tolle Trikots bekommen, ihre waren ganz einfache. Sie haben dann darüber einen Jugendgottesdienst gestaltet und so ihrem Ärger, ihrer Enttäuschung, aber auch ihrem Wissen darüber, dass sie genauso gut Fußball spielen wie die Jungs, Ausdruck verliehen. Dieses Erlebnis ist gar nicht den bösen Absichten des Vereins zuzuschreiben. Sondern es demonstriert das immer noch geringere Ansehen der Frauen, die Fußball spielen. Bei den Männern sitzen das Geld und die Sponsoren sowie eine sehr starke Lobby. Es wird noch einige Zeit kosten, hier etwas Balance hineinzubringen.

Deutschlands Klara Bühl freut sich über ihren 3:0 Treffer beim  Vorrundenspiel der Gruppe H bei der Frauen-WM.

Sie setzen sich in der Landeskirche für Frauenrechte ein. Sehen Sie Parallelen zwischen der Rolle der Frauen in der Kirche und im Sport? Schließlich kämpfen Frauen in der Kirche ja auch seit langem dafür, dass sich in Sachen Gleichberechtigung mehr tut. 

Susanne Paul: Da gibt es schon Parallelen. Zum Beispiel heißt es nicht Männerfußball, sondern immer Frauenfußball. Wenn Männer Fußball spielen, ist das normal. Spielen Frauen Fußball, muss es extra benannt werden. Wenn Gott als Herr oder Vater angeredet wird, ist das normal. Wenn Gott als Mutter oder mit anderen weiblichen Attributen angeredet wird, gibt es immer noch Anlass zur Diskussion. Fehler, die Frauen machen, werden oft mit ihrem Geschlecht in Verbindung gebracht. Das ist bei Fußballkommentatorinnen ähnlich.

Die Strukturen in unserer Kirche sind männlich geprägt. Die Struktur in der Bundesliga auch. Und in beiden Fällen merken wir, wie viel Kraft, Geduld und Energie nötig ist, sie zu ändern. Und sowohl in der Kirche als auch beim Fußball besteht die Gefahr, dass die Frauen verloren gehen, weil sie ihre Kraft, Geduld und Energie an anderen erfolgsversprechenden Orten investieren.

Das Interview der Evangelischen Medienarbeit (EMA) wurde im Vorfeld der Fußball-WM geführt. evangelisch.de bedankt sich für die Genehmigung zur Übernahme des Textes.