Kirchentag in Nürnberg eröffnet

Open-Air-Gottesdienst: Am Rednerpult der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm.
epd/Friedrich Stark
Der 38. Deutsche Evangelische Kirchentag wurde am Mittwochabend in Nürnberg mit Open-Air-Gottesdiensten eröffnet.
Tausende bei Open-Air Gottesdienst
Kirchentag in Nürnberg eröffnet
Zu Beginn des Kirchentages warnt Bundespräsident Steinmeier vor einfachen Lösungen, um den Krieg in der Ukraine zu beenden: "Es ist auch Zeit für Waffen." Zehntausende Christen sind zum protestantischen Glaubensfest in Nürnberg zusammengekommen.

Mit eindringlichen Aufrufen zum Frieden und zum Kampf gegen die Klimakrise hat der 38. Deutsche Evangelische Kirchentag in Nürnberg begonnen. Bei der Eröffnung am Mittwochabend stellte sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit deutlichen Worten hinter die Unterstützung der Ukraine mit Waffen. Der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm warnte im Freiluft-Gottesdienst: "Mit der ökologischen Umorientierung von Wirtschaft und Gesellschaft geht es viel zu langsam. Das Klima droht zu kippen."

Zehntausende Menschen kamen auf dem Nürnberger Hauptmarkt zusammen. Der Platz war schon eine halbe Stunde vor Beginn des Eröffnungsgottesdienstes bis zum Rand gefüllt. Selbst in den umliegenden Straßen standen Kirchentagsbesucher. Ein Anblick, der nicht nur der Generalsekretärin des Kirchentages, Kristin Jahn, das Herz höher schlagen lässt. Lauter Jubel und Applaus branden in der Menge auf vor Freude, dass eine solche Zusammenkunft nach dem Ende der Corona-Pandemie wieder möglich ist. "Endlich ist Kirchentag", sagt auch der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm zu Beginn seiner Predigt: "Wir sind viele, und wir gehören zusammen.".

Von der Bühne sind vor allem viele Sonnenhüte, Sonnenbrillen und grün-gelbe Kirchentagsschals auf den Köpfen der Gottesdienstbesucher zu sehen. Denn die frühsommerliche Sonne strahlt ohne nennenswerte Wolken am Himmel.

"Die Klimakrise brennt, aber auch das Klima in unserer Gesellschaft", sagt Jahn vor Beginn des Gottesdienstes. Der Landesbischof Bedford-Strohm mahnt in seiner Predigt zum Kampf für eine bessere Welt. "Mein Enkel Amos ist jetzt vier Jahre alt. Und ich bin 63. Im Jahr 2082 wird mein Enkel so alt sein wie ich jetzt", sagt Bedford-Strohm, der im November nach zwölf Jahren aus dem Amt scheidet. "Und ich werde dafür kämpfen, dass er dann mindestens ein genauso gutes Leben hat, wie ich es jetzt habe! Und bitte, kämpft alle mit", ruft er unter dem Applaus der Menge - und meint damit nicht nur eine Welt, in der dem Klimawandel mit Ernsthaftigkeit begegnet wird, sondern auch eine Welt ohne unmoralische Angriffskriege und verheerende Dammbrüche.

"Jetzt ist die Zeit"

Die Zeit sei da, um auf dem Kirchentag darüber zu diskutieren, wohin der Weg für ein "heiles Leben" gehe, erklärt Bedford-Strohm. "Wir wollen trotzig hoffen", sagt er. Unterstützt von mehr als hundert Bläsern erklingt auf dem Hauptmarkt nach der Predigt das Motto-Lied des Kirchentags "Jetzt ist die Zeit".

Steinmeier sagte zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine: "Auch ich hätte mir nicht vorstellen können, dass ich einmal sagen würde: Neben all den anderen Anstrengungen, es ist auch Zeit für Waffen." Die Bilder und Nachrichten aus der Ukraine seien unerträglich. "Aber wir dürfen nicht so tun, als gäbe es einfache Lösungen", sagte der Bundespräsident. "Wenn Russland seine Soldaten zurückzieht, dann ist der Krieg zu Ende. Wenn die Ukraine ihre Verteidigung einstellt, dann ist das das Ende der Ukraine", fügte er unter dem Applaus der 20.000 Besucher der Eröffnungsfeier auf dem Nürnberger Hauptmarkt hinzu.

Bedford-Strohm sagte, vom Nürnberger Kirchentag mit der biblischen Losung "Jetzt ist die Zeit" solle eine klare Botschaft ausgehen: "Ja, wir wollen unser Leben neu ausrichten." Das Glück der Menschen dürfe nicht mehr am Wachstum des materiellen Wohlstands festgemacht werden, forderte er in seiner Predigt. Alle Menschen weltweit, auch die Schwächsten, sollten in Würde leben.

Kirchentagspräsident Thomas de Maizière rief angesichts der Krisen in der Welt bei der Eröffnung des Christentreffens zur Zuversicht auf. Vom Bejammern werde nichts besser. "Wir wissen um die Nöte, aber wir geben uns damit nicht zufrieden", sagte der ehemalige Bundesminister: "Wir vertrauen auf Gott und die Welt." Auf das Vertrauen und das Tun aller komme es an.

Von links: Erzpriester Radu Constantin Miron, Vorsitzender der ACK; Kirchentagspräsident Thomas de Maiziere; Anna-Nicole Heinrich, Präses der Synode der EKD; Bayerns Ministerpräsident Markus Söder; Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier; Kristin Jahn, Generalsekretärin des Kirchentages

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) lobte vor Beginn des traditionellen "Abends der Begegnung", zu dem zehntausende Menschen bei frühsommerlichem Wetter in die Nürnberger Innenstadt gekommen waren, das gesellschaftliche Engagement der Kirchen und ihrer Mitglieder. "Kirche ist da, Kirche lebt, und Kirche hat auch Zukunft", sagte der evangelische Christ Söder.
Der Nürnberger Oberbürgermeister Marcus König (CSU) hieß die Gäste in seiner Stadt willkommen. "Lassen Sie uns alle gemeinsam dem Glauben ein Stück weit wieder Glanz verleihen", sagte der Katholik.

Bis Sonntag wollen die Kirchentagsbesucher:innen bei Gottesdiensten, Konzerten und anderen kulturellen Veranstaltungen ihren Glauben feiern und bei Podiumsdiskussionen aktuelle Themen besprechen. Bundespräsident Steinmeier hält am Donnerstag eine Bibelarbeit, weitere prominenten Gäste aus der Bundespolitik sind Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und CDU-Chef Friedrich Merz.

Auf dem Programm des Kirchentags stehen mehr als 2.000 Veranstaltungen. Bis Dienstagabend wurden nach Angaben der Veranstalter 60.000 Tickets verkauft. Ob die zunächst erwartete Teilnehmerzahl von 100.000 erreicht wird, sei schwer abzuschätzen, hieß es. Der Kirchentag 2019 in Dortmund zählte rund 120.000 Teilnehmende. 2021 fand ein Ökumenischer Kirchentag in Frankfurt am Main wegen der Corona-Krise weitgehend digital statt.