Zuversichtsbrief, Woche 66: Tu, was du kannst!

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Zuversichtsbrief, Woche 66: Tu, was du kannst!

Am ersten Tag der Woche versammelten wir uns, um das Brot zu brechen. Paulus sprach zu den Versammelten. Weil er am folgenden Tag abreisen wollte, zog sich seine Rede bis Mitternacht hin. In unserem Versammlungsraum im oberen Stockwerk brannten viele Öllampen. In der Fensteröffnung saß ein junger Mann namens Eutychus. Als Paulus so lange sprach, wurde er vom Schlaf übermannt. Er stürzte im Schlaf aus dem dritten Stock hinunter. Als man ihn aufhob, war er tot. Paulus ging hinab. Er warf sich über ihn, nahm ihn in die Arme und sagte: „Beruhigt euch – er lebt noch!“ Paulus ging wieder hinauf. Er brach das Brot in Stücke und aß mit ihnen. Dann redete er noch lange zu den Versammelten. Schließlich wurde es Morgen, und Paulus machte sich auf den Weg. Den Jungen aber brachten sie gesund nach Hause. Für die Versammelten war das eine große Ermutigung.

Apostelgeschichte 20,7-12. Das ganze Kapitel hören Sie hier vorgelesen von Helge Heynold.

Liebe Apostel,

kennen Sie die wörtliche Bedeutung dieses Wortes: Apostel? Es bedeutet Gesandte. In der christlichen Tradition wird der Begriff synonym mit den Jüngern Jesu verwendet. Dabei steht Apostel bereits in den ältesten Schriften des Neuen Testaments auch für diejenigen, die Jesus von Nazareth nicht begegnet sind, sich aber dennoch gesandt fühlen, die christliche Botschaft zu verbreiten. Ich mag diese erweiterte Bedeutung, denn ich bin überzeugt davon, dass Jesus Christus immer wieder Menschen sendet. Wer auch immer davon überzeugt ist, dass die Botschaft des Gekreuzigten und Auferstandenen Leben rettet, wird sich gern senden lassen, diese Freude mit den eigenen Fähigkeiten weiterzuverbreiten. Ich denke, dass sich jeder Mensch, der jemanden liebevoll in den Arm nimmt und von der Liebe Gottes erzählt, Apostel nennen darf.

Die sogenannte Apostelgeschichte in der Bibel setzt sicherlich andere Maßstäbe. Sie erzählt von Menschen, die ihr Leben aufs Spiel setzten, um von ihrem Glauben zu erzählen. Sie erzählt von Pfingsten und einer Predigt von Petrus, die 3000 Leute dazu brachte, sich taufen zu lassen. Die Apostelgeschichte ist eine Erfolgsgeschichte der christlichen Gemeinden. Selbst der große Verfolger der Gemeinde Saulus wird zum Apostel und reist über Land und Meer, um von Jesus Christus zu erzählen.

Saulus oder Paulus, wie er sich selbst nennt, sagt von sich selbst in seinen Briefen, dass er kein charismatischer Redner ist. Sein Medium sind Briefe. In der Apostelgeschichte stehen Geschichten, in denen Paulus durchaus großartige Reden hält, dennoch scheint auch hier seine eigentliche Begabung darin zu liegen, neue Wege zu finden. Wie er in seinen Briefen neue Lösungen für festgefahrene Diskussionen findet, so geht Paulus auch in der Apostelgeschichte immer wieder neue und eigene Wege. Er überzeugt nicht zuletzt dadurch, dass er Grenzen überschreitet. Herkunft? Sozialer Status? Geschlecht? Paulus überwindet diese Grenzen beinahe ungeniert. In Philippi geht Paulus an einem Sabbat an den Fluss und spricht hier die Frauen an, die höchstwahrscheinlich hierhergekommen sind, um ihre rituellen Waschungen vorzunehmen.

Nun aber ist Paulus in Troas, und er hat es eilig, weil er nach Assos weiterreisen will. So nimmt das Verhängnis seinen Lauf. Paulus redet lang und länger, bis ein Jugendlicher mit dem schönen Namen „Glückliches Geschick“ einfach nicht mehr kann. Er schläft ein und fällt aus dem Fester. Man hebt ihn auf, und als man seinen Tod feststellt, kommt Paulus bereits herbeigeeilt und wirft sich über ihn. „Keine Panik“, ruft er, „Er lebt!“ Ein Wunder? Eine Totenerweckung? Oder einfach eine Fehldiagnose derjenigen, die Eutychus zuerst fanden? Die Apostelgeschichte lässt das offen. Wichtig ist, dass der junge Mann später gesund nach Hause kommt.

Ich liebe diese kleine Geschichte sehr, weil sie so bildlich erzählt ist. Beinahe wie in einer etwas überdrehten Komödie geht es zu. Dazu kommt die Tatsache, dass hier anscheinend deutlich davor gewarnt wird, zu lange zu predigen. Allerdings fährt Paulus nach dem Unfall mit dem Gottesdienst offensichtlich fort, wie geplant. Abendmahl und dann wieder viele Worte. Am Schluss ist die Gemeinde sehr ermutigt, allerdings durch die Tatsache, dass Eutychus wieder gesund daheim ist, nicht ausdrücklich durch Pauli Predigt.

Ich glaube, dass Paulus einen Fehler vormacht, den unsere Kirchen an vielen Stellen bis heute nachmachen. Wenn er doch weiß, dass er kein großer Redner ist, warum redet er dann so lange? Weil es dazugehört, wenn man ein Apostel ist? Paulus selbst schreibt davon, dass es ganz unterschiedliche Gaben gibt. Gleichzeitig geht er davon aus, dass er als Repräsentant der Kirche lange Reden halten muss. Das bringt den jugendlichen Eutychus um. Als Paulus ihn später in den Arm nimmt, wird er lebendig. Bis heute werden Geistliche hauptsächlich an ihrer Fähigkeit zu predigen gemessen, dabei gibt es unzählige Möglichkeiten, als Apostel überzeugend zu sein. Das gilt insbesondere im Umgang mit Jugendlichen.

Was für eine Wochenaufgabe soll nun daraus entstehen? Eine zweifache! Erstens: Seien Sie bei der nächsten Predigt, die Ihnen nicht gefällt, gnädig und denken Sie sich: „Selbst Paulus hat Leute in den Schlaf gepredigt.“ Zweitens: Machen Sie in dieser Woche bewusst etwas, von dem Sie wissen, dass Sie es gut können! Suchen Sie möglichst nach etwas, das nicht zu den Aufgaben gehört, die andere von Ihnen erwarten. Man erwartet von Ihnen ein Mittagessen, aber Sie können besser backen? Backen Sie! Sie müssten eigentlich Fenster putzen, aber Sie saugen viel lieber Staub? Saugen Sie, was das Zeug hält! Sie dichten besser, als dass Sie Protokolle schreiben? Dann haben Sie vielleicht eine spannende Woche vor sich.

Herzliche Grüße!

Ihr Frank Muchlinsky