Ortstermin im Streit um "Reformations-Fenster"

 Die Marktkirche St. Georgii et Jacobi
© epd-bild / Jens Schulze
Wie wirkt ein Kirchraum? Die evangelische Marktkirche in Hannover soll ein neues Fenster vom Künstler Markus Lüpertz bekommen, was nun kritisch geprüft wird.
Ortstermin im Streit um "Reformations-Fenster"
Das Landgericht Hannover macht sich in der Marktkirche selbst ein Bild im Fall des umstrittenen Lüpertz-Kunstwerks
Ein Geschenk sorgt für Streit. Altbundeskanzler Gerhard Schröder will der Marktkirche in Hannover ein modernes Fenster stiften. Jetzt verhandelt ein Gericht, ob das vom Künstler Markus Lüpertz gestaltete Werk in den Backsteinbau passt.

So einen Gerichtstermin hat es in der evangelischen Marktkirche in Hannover wohl noch nie gegeben. Streitpunkt ist das "Reformationsfenster", das Altbundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) der Kirche stiften will. Zum Auftakt des Prozesses haben die Beteiligten bei einem Ortstermin selbst ein Bild gemacht. Es gehe darum, "völlig unbefangen und nur dem Gesetz und Recht verpflichtet" die Kirche auf sich wirken zu lassen, sagte der Vorsitzende Richter der 18. Zivilkammer am Landgericht Hannover, Florian Wildhagen.

Die Prozessbeteiligten haben sich bei einem Ortstermin ein Bild von der Stimmung der Kirche gemacht: Der Vorsitzende Richter der 18. Zivilkammer am Landgericht Hannover, Florian Wildhagen (re.) und Georg Bissen ( li.), der den Einbau verhindern will.

Schröder (76) will der Kirche das 13 Meter hohe Buntglasfenster schenken. Der Künstler Markus Lüpertz (79), ein Freund des Altkanzlers, hat dafür einen Entwurf mit Motiven der Reformation gefertigt, der bereits bei den Glasstudios Derix in Taunusstein bei Wiesbaden in Arbeit ist. Anlass der geplanten Schenkung war das 500. Reformationsjubiläum vor drei Jahren. Seither tobt ein Streit um das Fenster.

Bereicherung oder Verfälschung

Der Kirchenvorstand der Gemeinde hat sich für einen Einbau in die mittelalterliche Backsteinkirche entschieden. "Wir sehen das Fenster als Bereicherung", sagte der Vorsitzende Reinhard Scheibe. Der Erbe des Architekten Dieter Oesterlen (1911-1994), der in Tokio lebende Rechtsanwalt Georg Bissen, hat dagegen geklagt. Er war persönlich zu dem Ortstermin angereist. Als Inhaber der Urheberrechte macht er geltend, das moderne Fenster passe nicht in den gotisch geprägten Innenraum der Kirche. Oesterlen hatte die im Krieg zerstörte Kirche nach 1946 wiederaufgebaut und neu gestaltet. Bissen betonte: "Es geht darum, dass das Werk meines Stiefvaters in der großartigen Atmosphäre der Schlichtheit und Geschlossenheit erhalten bleibt."

Eine knappe Dreiviertelstunde lang machten sich drei Richter, Vertreter der Kirche, Bissen und die jeweiligen Anwälte vor Ort ein Bild. Richter Wildhagen protokollierte die Eindrücke mit einem Aufnahmegerät: "Es eröffnet sich das Hauptschiff, das geprägt ist von Backstein-Architektur." Ein besonderes Augenmerk fiel dabei auf die seitliche Fensterreihe mit in hochgestreckten gotischen Bögen kachelförmig gefassten Scheiben, die fast durchsichtig und nur leicht gefärbt sind.

Florian Wildhagen vor einem der fraglichen 13 Meter hohen Fenster.

Das Glaskunstwerk von Lüpertz soll eines dieser Fenster ersetzen. Sein Entwurf zeigt unter anderem eine große weiße Figur, die Martin Luther darstellen soll. Er ist vor allem wegen fünf großer schwarzer Fliegen auf dem Bild umstritten - auch in der Kirchengemeinde selbst. Hannovers Stadtsuperintendent Rainer Müller-Brandes verteidigte die Entscheidung für das Werk, die der Kirchenvorstand als demokratisch gewähltes Gremium getroffen habe. "Das Fenster fordert heraus", sagte er: "Kirche darf, Kirche muss sich verändern. Und Kirchenräume müssen sich verändern dürfen."

Eine mündliche Verhandlung vor dem Landgericht ist für den 3. November anberaumt. Die Kosten für Material, Herstellung und Einbau des Fensters werden auf rund 150.000 Euro geschätzt. Zur Finanzierung will Schröder Vortragshonorare weitergeben.