US-Zwischenwahlen: Republikaner brauchen die Evangelikalen

Donald Trump polarisiert
© Andrew Harnik/AP/dpa
Bei gläubigen Wählern liegen Donald Trumps Republikaner vor den US-Kongresswahlen am 9. November vorne.
US-Zwischenwahlen: Republikaner brauchen die Evangelikalen
Bei gläubigen Wählern liegen Donald Trumps Republikaner vorne, besonders bei den weißen Evangelikalen. Manche Außenstehende kritisieren diese Allianz. Doch sie hat eine eigene Logik, auch bei den US-Kongresswahlen am 6. November.

Bei den US-Kongresswahlen am 6. November kommt es auf die Mobilisierung der Stammwähler an: Bei der erwarteten Beteiligungsrate von etwas mehr als 40 Prozent der Wahlberechtigten können organisierte Minderheiten den Ausschlag geben. Bei den Republikanern gehören zur Basis die weißen Evangelikalen. Sie stellten bei Trumps Erfolg 2016 laut Nachwahlbefragung etwa ein Viertel der Wähler. Rund 80 Prozent dieser Bevölkerungsgruppe stimmten für Trump.

"America First" kein Motto für Christen

Der Trump-kritische evangelikale Pastor Doug Pagitt aus Minneapolis in Minnesota sieht das mit Sorge. Seit Wochen ist er mit einem guten Dutzend Gleichgesinnter unterwegs. Ihr Bus trägt in großen Buchstaben die Aufschrift: "Wählt für das Allgemeingut". Donald Trumps "America First" (Amerika zuerst) sei kein Motto für Christen, predigt Pagitt. Zuerst kämen Jesus Christus und das Königreich Gottes.

In Gesprächen auf Parkplätzen und in Tankstellen höre er von manchen evangelikalen Christen, dass sie "enttäuscht sind von Trumps Verhalten", sagte Pagitt dem Evangelischen Pressedienst (epd). Doch viele wählten trotzdem republikanisch. Viele seien tief frustriert, dass aus ihrer Sicht ihre Lebensweise schon so lange nicht mehr respektiert werde in Politik und Gesellschaft. Trump spreche für dieses traditionelle Amerika.



In der evangelikalen Welt sehe man "Trump als Instrument für eine längst fällige Kurskorrektur", erläuterte der Chefanalyst des konservativen TV-Senders "Christian Broadcasting Network", David Brody, in einem Gastbeitrag in der Zeitung "USA Today". Bei Interviews mit evangelikalen Christen kriege er oft zu hören, dass Gott Donald Trump trotz dessen Verfehlungen erhöht habe.

Trump mache Wünsche wahr

Weiße Evangelikale wollen am 6. November die republikanische Mehrheit im Kongress erhalten. Grund: Trump und die Republikaner machen Wünsche wahr. Jüngstes Beispiel ist die Freilassung des in der Türkei unter Hausarrest stehenden evangelikalen Pastors Andrew Brunson, die der US-Präsident erwirkt hatte. Oder die Ernennung des von Trump nominierten konservativen Juristen Brett Kavanaugh zum Obersten US-Gericht.

Am ersten Dienstag im November wählen US-Amerikaner das Repräsentantenhaus neu und ein Drittel der Senatoren. In beiden Kammern im Kongress haben die Republikaner gegenwärtig eine Mehrheit. Nach zahllosen Umfragen, Protestkundgebungen und empörten Statements von Kritikern ist die Wahl der erste handfeste Test: Wie viele US-Amerikaner sind mit ihrem Präsidenten zufrieden?

Weiße Evangelikale sind offenbar ziemlich zufrieden. Laut einer Umfrage der evangelikalen Forschungseinrichtung "LifeWay Research" im Oktober halten 88 Prozent der Evangelikalen nach wie vor zu den Präsidentschaftskandidaten, für die sie 2016 gestimmt haben. Schwarze Evangelikale wählten fast ausschließlich die Demokratin Hillary Clinton.

Konservative Christen sollten nicht "nett" wählen

Dabei scheine Trumps aggressiver und beleidigender Ton viele Evangelikale nicht zu stören, bedauerte Pastor Pagitt. Ganz im Gegenteil: Manche mögen es sogar, "wenn er ausfällig wird", sagte Pagitt, und verwies auf einen Twitter-Text des Präsidenten der evangelikalen "Liberty Universität", Jerry Falwell. Falwell tritt in den Medien häufig als Verteidiger von Trump auf. Konservative Christen sollten keine "netten Menschen" mehr wählen, betonte Falwell. Die USA bräuchten "Straßenkämpfer" wie Donald Trump.

Das Engagement der konservativen Politik mit den weißen Evangelikalen geht zurück in die siebziger Jahre und auf Ronald Reagan, US-Präsident von 1981-89. Das umzukehren, sei sehr schwierig, sagt Meinungsforscher Robert Jones vom "Public Religion Research Institute" im Rundfunksender NPR. Es gehe nicht mehr nur um einzelne politische Punkte, sondern um eine Art "Stammesidentität", die entstanden sei.



Den Erfolg der konservativen Politik bei Evangelikalen verstehe er auch als "Versagen" der Demokratischen Partei und "fortschrittlicher Verbände", sagte Pagitt. Sie hätten diesen Teil von Amerika aufgegeben. Die Rechten seien in diese Lücke getreten. Der Weg zurück sei jetzt sehr lang.