Parteien zur Bundestagswahl 2017 im Check: FDP

Bundestagswahl 2017: Religion und Politik, Parteien im Check
Foto: epd-bild/Rainer Öttel / Collage: evangelisch.de
"Beim Kirchenasyl sehe ich keinen Widerspruch zu unserer Verfassung", sagt Michael Theurer von der FDP.
Parteien zur Bundestagswahl 2017 im Check: FDP
Am 24. September 2017 wählen die Deutschen den Bundestag: evangelisch.de hat sechs zur Wahl stehende Parteien gefragt, wie sie zur Kirchensteuer, zur Sonntagsruhe und zum Kirchenasyl stehen. Hier sind die Antworten des religionspolitischen Sprechers der FDP, Michael Theurer.

Welche Rolle sollte die evangelische Kirche in der Gesellschaft spielen?

Michael Theurer: Als evangelischer Christ spielt die evangelische Kirche in unserer Gesellschaft für mich persönlich eine wichtige Rolle. Die Freiheit des religiösen Bekenntnisses ist ein liberaler Wert. Wir Liberalen sind der Meinung, dass jeder Mensch nach seiner Fasson glücklich werden soll. Für mich persönlich ist die Evangelische Kirche in Deutschland eine große und wichtige Organisation, aber viel wichtiger als die zahlenmäßige Größe ist der Inhalt, also die Botschaft, die die evangelische Kirche in unsere Gesellschaft sendet. Aus meiner Sicht ist das ihre wichtigste Rolle: eine Botschaft zu senden.

Wie stehen Sie zu politischen Äußerungen bzw. politischem Engagement der Kirchen?

Theurer: Christen sind als Menschen in die Welt gestellt und können sich frei zu jedem politischen Thema äußern. Das ist auch häufig mit einer politischen Botschaft verbunden. Für Entscheidungsträger in der Regierung und den Parlamenten, wohlgemerkt ist die FDP momentan außerparlamentarische Opposition, manchmal unbequem, aber nötig. Und zu einer lebendigen Demokratie gehört natürlich auch die Interessenvertretung. Insofern übernimmt die evangelische Kirche hier auch eine politische Aufgabe.

Wie arbeiten sie mit der evangelischen Kirche zusammen?

Theurer: Ganz praktisch trifft sich das Bundespräsidium der Freien Demokraten, dem ich angehöre, in regelmäßigen Abständen mit der Kirchenspitze, beispielsweise mit Heinrich Bedford-Strohm und anderen. Ich persönlich treffe mich zudem in regelmäßigen Abständen mit dem Bischof der evangelischen Landeskirche in Württemberg, Frank Otfried July. Gleichzeitig halten die entsprechenden Repräsentanten auch den Kontakt zu den Parlamenten. Auf europäischer Ebene veranstaltet die EKD Frühstücke und einen Jahresempfang. So gibt es regelmäßig die Gelegenheiten sich zu aktuellen politischen Themen auszutauschen.

Was möchte ihre Partei tun, um auch andere Religionen als das Christentum in Deutschland zu integrieren?

Theurer: Die Freiheit des religiösen Bekenntnisses ist ein liberaler Wert. Religionsfreiheit ist für uns ein hohes Gut. Deshalb setzen wir uns seit vielen Jahren dafür ein, dass es einen muslimischen Religionsunterricht gibt. Ich kann mich erinnern, dass es darum in der baden-württembergischen Landespolitik einen heftigen Streit gegeben hat. Wenn wir die Entwicklung der vergangenen 40 Jahre anschauen, ist da eigentlich eine große Chance verspielt worden. Es wäre entscheidend und wichtig gewesen, schon in den 1970er und 1980er Jahren der damaligen Einwanderergeneration aus der Türkei einen muslimischen Religionsunterricht anzubieten. Und zwar von Lehrern, die an Universitäten ausgebildet sind; mit einer dem kirchlichen Staatsexamen vergleichbaren Prüfung. Das wäre nach unserer festen Überzeugung besser gewesen, als die Konstruktion, die dann gefunden wurde: Mit dem türkischen Staat und mit Religionslehrern, die praktisch in Türkisch unterrichten, aber eben auch unsere kulturellen Gepflogenheiten und die Grundsätze des Grundgesetzes nur schwer mit vermitteln können. Insofern setzen wir hier auch auf den Religionsunterricht für Muslime. Wichtig ist, dass darüber gesprochen wird, was die Inhalte sind. Das kann man als Einmischung sehen, aber wenn es um Unterricht an staatlichen Schulen geht, dann ist natürlich auch eine gewisse Kontrollaufgabe des Staates erforderlich. Aber das ist nur ein Aspekt. Ich glaube, dass der Dialog der Weltreligionen eine große Rolle spielt; auch auf der Grundlage dessen, was das Weltethos-Institut in Tübingen erarbeitet hat, was auch die Kirchen im Religionsdialog anbieten, glaube ich, dass wir die Arbeit in Deutschland intensivieren müssen. Das ist aber nicht nur eine Aufgabe der Politik, sondern vor allem auch der Zivilgesellschaft.

Michael Theurer von der FDP beantwortet die Frage: "Was will ihre Partei für die evangelische Kirche tun?"

Im Grundgesetz (Artikel 140) sind Religionsfreiheit und kirchliches Selbstbestimmungsrecht in Deutschland auch im öffentlichen Bereich gewährleistet, anders als z. B. in Frankreich. Wie stehen Sie dazu (Stichwort: Tanzverbot an Karfreitag bspw.)?

Theurer: Ich persönlich bin der Meinung, dass am höchsten christlichen Feiertag ein Tanzverbot gerechtfertigt ist. Wir haben allerdings in unserer Gesellschaft auch starke Tendenzen, die sagen, man möchte sich nicht so stark einschränken lassen. Ich glaube, eine so weitgehende Einschränkung der individuellen Freiheit wie das Tanzverbot, kann es nur an ganz wenigen ausgewählten, höchsten Feiertagen geben. Den Kirchen als gesetzlichen Körperschaften sind ja sehr weitgehende Befugnisse eingeräumt. Ich denke, dass dieses Rechtsinstitut sich in der Bundesrepublik bewährt hat.

Hält ihre Partei an den Privilegien für die christlichen Kirchen fest?

Theurer: Bei der Formulierung "Privilegien" würde ich ein Fragezeichen anfügen. In der Diskussion ist beispielsweise die Kirchensteuer. Die FDP hat in den 1970er Jahren mit ihrem Kirchenpapier für Furore gesorgt. Es gibt ökonomische Studien, die zeigen, dass die Kirchensteuer auch für den Staat einen Effizienzgewinn bedeutet. Die Kirchen zahlen einen Verwaltungsanteil an den Staat zurück. Mit den aktuellen Beschlusslagen haben wir uns nun davon leiten lassen, dass die Kirchensteuer ein sinnvolles Instrument ist. Niemand, der nicht in der Kirche sein will, muss Kirchensteuern zahlen. Insofern kann ich das auch als Liberaler rechtfertigen. Ich gebe aber zu, dass es innerhalb der FDP auch andere Stimmen gibt, die das Privileg der Kirchensteuer infrage stellen würden.

Wie soll es mit der Kirchensteuer weitergehen?

Theurer: Das ist aus meiner Sicht eine Schlacht der Vergangenheit. Im Kirchenpapier hat die FDP damals die Trennung von Staat und Kirche gefordert, auch die Abschaffung der Kirchensteuer. Die FDP hat diese Position später korrigiert. Insofern steht die Abschaffung der Kirchensteuer nicht zur Debatte.

Wie sieht es mit den jährlichen Staatsleistungen für die Kirchen aus, die circa 500 Millionen Euro im Jahr ausmachen?

Theurer: Das ist ein heißes Eisen. Das zu entwirren ist sicherlich eine Aufgabe; von der ich allerdings der Meinung bin, dass es wichtigere Prioritäten gibt. Wir haben dazu auch keine Beschlusslage herbeigeführt.

Sollte es in Zukunft weiterhin konfessions- und religionsgetrennten Unterricht geben?

Theurer: Der konfessionsgebundene Unterricht ist in einigen Landesverfassungen garantiert. Deswegen würde ich ihn auch nicht infrage stellen, er ist ein Bestandteil des religiösen Bekenntnisses, das in unserer Verfassung besonderen Schutz genießt. Gleichzeitig halte ich es im Curriculum für sinnvoll für alle Schülerinnen und Schüler, auch für die, die keiner Kirche oder Religionsgemeinschaft angehören, einen Religionskundeunterricht anzubieten. Und ich finde es auch richtig, dass in den Lehrplänen des Faches Religion über den eigenen Kirchturm hinausgeblickt wird. Sodass Kenntnisse über andere Religionen mitvermittelt werden. In jüngster Zeit gibt es in der FDP durchaus auch die Stimmen derjenigen, die keiner Religionsgemeinschaft angehören, die sagen, in einem weltanschaulich neutralen Staat verbietet sich ein von den Kirchen verantworteter Religionsunterricht.

Kirchenasyl: Der Rechtsstaat im Dilemma

Wie halten Sie es mit dem Kirchenasyl?

Theurer: Ich glaube, man hat in der Vergangenheit mit respektvollem Umgang einen pragmatischen Weg gefunden. Ich empfehle diesen so weiterzugehen. Das ist ein freundlicher Gruß nach München. Historisch gesehen hat das Kirchenasyl eine große Bedeutung, weil autoritäre Herrscher in Zeiten des Feudalismus und der Monarchie respektiert haben, dass sich dort Flüchtende in die Obhut der Kirche begeben haben. Gleichzeitig steht der Rechtsstaat in einem Dilemma, er macht sich angreifbar, weil wir eben aktuell das Thema rechtsfreier Räume haben. Wir reden über Parallelgesellschaften, auch Bereiche in denen das Gewaltmonopol des Staates nicht durchgesetzt wird, Bereiche, wo es zu Verstößen gegen Grundrechte kommt. Solche rechtsfreien Räume kann ein Rechtsstaat nicht dulden. Hier muss es zu einer Durchsetzung der rechtsstaatlichen Ordnung kommen. Nun ist es beim Kirchenasyl aber so, dass ein Grundrecht eingefordert wird, dass ein politisch Verfolgter Asyl genießen soll. Insofern sehe ich hier auch keinen Widerspruch zu unserer Verfassung. Ansonsten dürfte der Rechtsstaat nicht duldend daneben stehen. Kirchenasyl sollte in einer liberalen Demokratie jedoch nicht notwendig sein müssen.

Wie stehen Sie zur Sonntagsruhe?

Theurer: Ich persönlich finde es gut, wenn es einen Tag in der Woche gibt, an dem der Mensch ruht. Das ist ja auch ein biblisches Gebot. In den einzelnen Religionen sind das jedoch unterschiedliche Tage. Deswegen lässt sich das gesellschaftlich nach meinem Dafürhalten nicht mehr rechtfertigen ausgerechnet den Sonntag gesetzlich vorzuschreiben, bei dem dann auch alle anderen, die diese religiösen Gefühle nicht teilen, zur Ruhe kommen müssen. Mir ist wichtig, dass wir in gegenseitigem Respekt einen Konsens in unserer Gesellschaft erreichen. Dass die religiösen Gefühle der Gläubigen respektiert werden. Wir müssen mit Sicherheit darüber sprechen, dass ein ungestörter Kirchgang und eben auch ein ungestörter Gang in die Synagoge oder in die Moschee ermöglicht werden; ohne, dass die Andacht durch große Lärmbelästigungen gestört wird. Umgekehrt glaube ich, in einer modernen und zunehmend säkularen Gesellschaft, können die Religionsgemeinschaften und Kirchen nicht verlangen, dass ihre Einstellung zur Sonntagsruhe jegliche andere Aktivität, meistens Freizeitaktivitäten, zum Stillstand bringt. Das entspricht nicht mehr der gesellschaftlichen Realität in Deutschland.