"Wir trauern um einen großen Staatsmann"

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Altbundeskanzler Helmut Kohl an seinem 80. Geburtstag im Jahr 2010.
"Wir trauern um einen großen Staatsmann"
Politiker aus dem In- und Ausland trauern um Helmut Kohl
Der CDU-Politiker starb nach langer Krankheit am Freitag im Alter von 87 Jahren in seinem Geburtsort Ludwigshafen, bestätigte die CDU und seine Familie den Medien. Politiker im In- und Ausland äußerten ihre Trauer und Betroffenheit. Sie würdigten Kohls Einsatz für die deutsche Einheit und den Zusammenhalt Europas. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nannte Kohl einen "Glücksfall für uns Deutsche". Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erklärte, Kohl werde als "Ehrenbürger Europas" in Erinnerung bleiben.

Merkel sagte in einer ersten Stellungnahme mit Blick auf die deutsche Einheit, entschlossen und geschickt hätten Kohl und seine Mitstreiter die Gunst der Stunde genutzt. "Das war höchste Staatskunst im Dienste der Menschen und des Friedens.". Die Deutschen hätten ihm viel zu verdanken. Sein Tod erfülle sie mit tiefer Trauer, sagte Merkel unmittelbar nach ihrer Ankunft am Freitag in Rom. An diesem Samstag wird sie von Papst Franziskus in einer Privataudienz empfangen.

Bundespräsident Steinmeier erklärte, Kohl sei es gelungen, "die deutsche Einheit im friedlichen Einvernehmen und in guter Partnerschaft mit unseren europäischen Nachbarn zu erreichen". Kohl habe sich um "unser Land und um Europa verdient gemacht. Wir trauern um einen großen Staatsmann - sein Werk wird Bestand haben", unterstrich der Bundespräsident.

Brücken nach Osten und nach Westen

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zeigte sich tief getroffen vom Tod des früheren Bundeskanzlers. "Helmut Kohl hat das europäische Haus mit Leben erfüllt, nicht nur, weil er Brücken nach Westen wie nach Osten gebaut hat, sondern auch, weil er niemals aufgehört hat, noch bessere Baupläne für die Zukunft Europas zu entwerfen", so Juncker.

UN-Generalsekretär António Guterres reagierte mit großer Trauer auf den Tod Kohls. Der frühere Bundeskanzler habe eine Schlüsselrolle bei der friedlichen Wiedervereinigung Deutschlands und dem historischen Prozess der europäischen Integration gespielt. Das heutige Europa sei ein Ergebnis der Vision und Hartnäckigkeit Kohls, hob der ehemalige portugiesische Premierminister hervor.

"Größter Respekt" für historische Leistung

Bundesaußenminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) bezeichnete Kohl als "wirklich großen Deutschen". "Er war ein großer Staatsmann, ein großer deutscher Politiker und vor allem ein großer Europäer, der sehr viel dafür getan hat, dass nicht nur die Deutsche Einheit gekommen ist, sondern auch dass Europa zusammengewachsen ist", teilte Gabriel mit. "Das ist sein großes Vermächtnis. So wird er uns in Erinnerung bleiben."

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) erklärte: Mit Kohl "trauern wir um eine Persönlichkeit von historischer Größe, einen deutschen Patrioten und den Ehrenbürger Europas. Kohls Gabe, persönliche Freundschaften zu Staatschefs in aller Welt aufzubauen, "schuf Vertrauen in die Verlässlichkeit deutscher Politik", so Lammert.

Auch ehemalige politische Gegner würdigten Kohls Lebenswerk. Altbundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) nannte ihn einen "großen Patrioten und Europäer". Die Einigung "unseres Landes und unseres Kontinents wird auf alle Zeit auch mit seinem Namen verbunden bleiben", sagte Schröder dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) in Hannover. Obwohl er in vielen politischen Fragen anders dachte als Kohl, habe er für dessen historische Leistung "größten Respekt", erklärte Schröder.

"Trauer um einen großen Europäer"

Der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder, verglich Kohl mit dem ersten deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer. Als Kohls Vermächtnis bleibe, "dass wir uns auch in Zukunft für das einige Europa einsetzen müssen. Europa hat Helmut Kohl immer als Friedensversicherung für die kommenden Generationen angesehen. Gerade in diesen außenpolitisch unruhigen Zeiten sollten wir uns immer daran erinnern, wie wichtig das geeinte Europa für uns ist."

Die Linken-Politiker Katja Kipping, Sahra Wagenknecht, Bernd Riexinger und Dietmar Bartsch erklärten, über alle politischen Differenzen hinweg "steht heute die Trauer um einen großen Europäer" im Vordergrund. Kohl habe die soziale "Spaltung des Landes nie so groß werden lassen wie seine Nachfolger und es vermieden, die Bundesrepublik in militärische Abenteuer zu stürzen".

Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin sagte zum Tode Kohls, "schon in seiner Jugend hat er versucht, die Grenzpfähle zwischen Deutschland und Frankreich abzubauen." Zwar hätten sich die Grünen gegen ihn gegründet und zu seiner Abwahl beigetragen. "Aber sein Verdienst um die unumstößliche Einbindung des vereinten Deutschland in Europa wird bleiben", sagte Trittin dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) würdigte den verstorbenen Altbundeskanzler Helmut Kohl als "Ausnahme-Politiker". Kohl sei "einer der ganz großen Kanzler der Bundesrepublik, ein international hoch geschätzter Staatsmann und ein überzeugter Europäer" gewesen, betonte Seehofer in einer Pressemitteilung. Helmut Kohl habe immer an die deutsche Einheit geglaubt, auf sie hingearbeitet und im "richtigen Moment mit Tatkraft, Entschlossenheit, Geschick und Weitblick die historisch einmalige Chance zur Wiedervereinigung ergriffen".

Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) sagte am Freitagabend in Wiesbaden: "Wir verlieren mit Helmut Kohl einen großen Kanzler und wahrhaftigen Europäer." Hessen, Deutschland, Europa und die Welt habe ihm viel zu verdanken. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) nannte Kohl einen der "herausragenden politischen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts". Er habe die europäische Idee verkörpert wie wenige andere.

Auch Kirchenvertreter nehmen Anteil

Als Mensch und Politiker habe Kohl "Weitblick mit Realismus" und "Visionen mit Freundschaft" verbunden, erklärten der EKD-Ratsvorsitzende, der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, und die Präses der EKD-Synode, Irmgard Schwaetzer, in einem Kondolenzschreiben an Kohls Witwe Maike Kohl-Richter.

"Ohne das Vertrauen, das Helmut Kohl bei vielen Politikern in aller Welt genoss, wäre die deutsche Einheit nicht so schnell und so friedlich zustande gekommen", schreiben Bedford-Strohm und Schwaetzer. Zugleich hoben die EKD-Vertreter die maßgebliche Rolle Kohls für die europäische Einigung hervor: "Gemeinsam mit anderen jungen Europäern wollte Kohl symbolisch die Schlagbäume beseitigen."  Das Schengener Abkommen, das die Grenzkontrollen zwischen den beteiligten Staaten abschaffte, und die Wirtschafts- und Währungsunion seien in erheblichem Maße sein Werk.  "Gerade jetzt - in einer Zeit, in der die Europäische Union von vielen Menschen infrage gestellt wird - erinnert die Evangelische Kirche in Deutschland mit Dank an den Beitrag Helmut Kohls dazu, diese Union zu entwickeln und den Frieden auf unserem Kontinent zu stärken."

Der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Volker Jung, bezeichnete Kohl als "außerordentlich bedeutenden Staatsmann", mit dessen politischen Wirken die deutsche Wiedervereinigung und die Stärkung Europas untrennbar verbunden seien. Er habe immer wieder das Gespräch mit den Kirchen gesucht und sei für sie "ein hervorragender Gesprächspartner" gewesen. Christian Schad, der pfälzische Kirchenpräsident, würdigte Kohl als jemanden, der die Einheit Deutschlands und die europäische Einigung gestaltet habe. "Heute wissen wir, wie unendlich kostbar dieses Einigungswerk war und ist", sagte Schad.

Der Bischof des katholischen Bistums Speyer, Karl-Heinz Wiesemann, hob hervor, Kohl habe stets "die Bedeutung des christlichen Glaubens für ein Zusammenleben in Frieden und Gerechtigkeit" im Blick gehabt. Er habe sich auch als Politiker offen zu seinem Glauben bekannt. Zeitlebens habe er eine lebendige Beziehung zum Bistum und zu seiner Heimatpfarrei in Ludwigshafen-Oggersheim gepflegt. Er habe sich auch außerordentlich um den Erhalt des Speyrer Doms verdient gemacht.

Papst bekundet "aufrichtige Anteilnahme"

Papst Franziskus hat den verstorbenen Altkanzler Helmut Kohl als großen Staatsmann und überzeugten Europäer gewürdigt. "Die Nachricht vom Heimgang des Bundeskanzlers a. D. Helmut Kohl nach langer schwerer Krankheit hat mich tief bewegt. Der Familie des Verstorbenen wie auch Ihnen und dem ganzen deutschen Volk, das um den 'Kanzler der Einheit' trauert, bekunde ich aufrichtige Anteilnahme", erklärte das katholische Kirchenoberhaupt nach Angaben des vatikanischen Presseamtes am Samstag in einer Privataudienz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Rom.

Als "großer Staatsmann und überzeugter Europäer" habe Kohl mit Weitblick und Hingabe für das Wohl der Menschen in Deutschland und der europäischen Nachbarn gearbeitet, fügte Franziskus hinzu: "Der barmherzige Gott lohne ihm sein unermüdliches Wirken für die Einheit Deutschlands und die Einigung Europas sowie seinen Einsatz für Frieden und Versöhnung." Kohl gehörte der katholischen Kirche an.

Kondolenzbücher im Roten Rathaus und im Bundeskanzleramt

Im Berliner Roten Rathaus sowie im Bundeskanzleramt liegen ab Montag Kondolenzbücher zum Tod von Helmut Kohl aus. Dort könnten Bürger kondolieren und Abschied nehmen, teilte eine Sprecherin der Bundesregierung und die Senatskanzlei am Wochenende in Berlin mit.

Zugang zum Kanzleramt besteht am Sonntag zwischen 12 und 18 Uhr und ab Montag bis kommenden Freitag von 9 bis 18 Uhr. Besucher sollten sich mit einem Personalausweis oder Reisepass ausweisen können und auf große Gepäckstücke verzichten. 

Im Roten Rathaus liegt ein Kondolenzbuch ab Montag bis einschließlich Freitag aus. Der Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses, Ralf Wieland (SPD), und - in seiner Funktion als Bürgermeister - Kultursenator Klaus Lederer (Linke) werden sich Montagmorgen um 9 Uhr dort eintragen. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) befindet sich noch auf einer Dienstreise. Das Rote Rathaus steht für Besucher jeweils bis 18 Uhr offen. 

CDU schlägt Helmut-Kohl-Stiftung vor

Berliner Christdemokraten haben eine Stiftung in Gedenken an den am Freitag gestorbenen Altkanzler Helmut Kohl angeregt. "Helmut Kohl sollte durch eine Gedenkstiftung, wie es sie für andere herausragende Politiker gibt, geehrt werden", sagte die Berliner Parteichefin Monika Grütters dem Berliner "Tagesspiegel" (Sonntag) mit Blick auf die sechs überparteilichen Politikergedenkstiftungen in Deutschland. Diese erinnern an bedeutende Staatsmänner wie Konrad Adenauer, Willy Brandt oder Helmut Schmidt.

Für Grütters, die auch Kulturstaatsministerin im Bund ist, komme als Kohl-Gedenkort zuerst Berlin infrage, hieß es weiter. Kohl sei immer ein "glühender Vertreter der Idee der Hauptstadt Berlin" gewesen. Eine Gedenkstiftung schließt Grütters zufolge nicht aus, auch eine Straße oder einen Platz in Berlin nach dem Ex-Kanzler zu benennen: "Denn Helmut Kohls Wirken hat diese Stadt radikal verändert."

Auch Mario Czaja, CDU-Kreischef in Marzahn-Hellersdorf und Leiter des Zukunftsforums der Berliner Partei, plädiert für eine Gedenkstiftung. "Helmut Kohl hat weit über seine Amtszeit hinaus Fundamente für Europa und Deutschland gelegt. Darauf können viele weiteren Generationen aufbauen", sagte Czaja dem "Tagesspiegel".