"Open Doors": Keine Zweifel an Christenverfolgung

Christ im Gebet
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Ein Christ im Gebet. Werden christliche Flüchtlinge in Deutschland systematisch durch Muslime verfolgt? Die Behauptungen der Studie von "Open Doors" lösen eine Diskussion aus.
"Open Doors": Keine Zweifel an Christenverfolgung
Die christliche Organisation "Open Doors" bleibt nach kritischen Medienberichten bei der Darstellung, dass Übergriffe auf Christen in deutschen Flüchtlingsunterkünften keine Einzelfälle sind. Es müsse von einem "gehäuften Auftreten" von religiös motivierter Gewalt gesprochen werden, bekräftigte die Organisation, die der theologisch konservativen Deutschen Evangelischen Allianz nahesteht.

"Open Doors" hatte am 9. Mai 2016 mit anderen Organisationen die Ergebnisse einer eigenen Umfrage in Flüchtlingsunterkünften vorgelegt. Darin sind 231 Fälle dokumentiert, in denen christliche Flüchtlinge angaben, aufgrund ihres Glaubens beleidigt, bedroht oder verletzt worden zu sein. Diese Fälle seien aber mit hoher Wahrscheinlichkeit lediglich die sprichwörtliche 'Spitze des Eisberges', schrieb "Open Doors" und erweckte damit den Eindruck, dass es in ganz Deutschland Tausende Fälle von Verfolgung und Diskriminierung von Christen gebe.

Die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" (FAS) hatte am Sonntag kritisch über die Angaben berichtet. Dabei war sie unter anderem zwei Berichten von Flüchtlingen nachgegangen, die die den Evangelikalen nahestehende Organisation benannt hatte. In einem Fall zitiert die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" den Betreiber des Heims, wonach die Opfer den Konflikt bewusst herbeigeführt hätten, um in eine bessere Unterkunft verlegt zu werden. "Open Doors" betonte, Heimleiter und Betreiber hätten oftmals "keinerlei Interesse daran, religiös motivierten Übergriffen nachzugehen". Außerdem seien die Betroffenen oft nicht bereit, selbst über ihre Erlebnisse zu sprechen. Dies sei auch im Fall des alevitischen Konvertiten so, der sich nur seinem Pastor Michel Youssif anvertraut habe. "Open Doors" hält die Aussage des Pastors weiterhin für glaubwürdig. Die FAS hatte diesen Einzelfall überprüft und war zum Ergebnis gekommen, dass der christliche Glaube des Opfers nicht der Grund für die Konflikte war. Die Angabe von "Open Doors", dass es sich hier um einen schweren Fall der Drangsalierung eines Christen handele, hält Jens Hauschke, Sprecher des Wohlfahrtsverbands Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), laut FAS für falsch. "Ein besonders krasser Fall ist das auf keinen Fall. Die Aggression ging ja von ihm selbst aus", sagt der ASB-Sprecher der Zeitung. Auch Pastor Youssif sei laut FAS mittlerweile zu der Überzeugung gelangt, dass es bei den Streitigkeiten gar nicht um dessen christlichen Glauben ging.

In einem öffentlichen Statement vom Montag, 23. Mai 2016, blieb "Open Doors" bei seiner Darstellung und erklärte erneut, die Berichte der christlichen Flüchtlinge ließen "keinerlei Zweifel daran aufkommen, warum sie Gewalt erfahren". Die ausgefüllten Fragebögen belegten, "dass es sich um religiös motivierte Übergriffe handelt". Die Zeitung hatte zudem darauf hingewiesen, dass fast zwei Drittel derer, die sich an der Befragung beteiligten, aus derselben Berliner freikirchlichen Gemeinde stammten. Deren Pfarrer Gottfried Martens hatte die Veröffentlichung mit vorgestellt. "Open Doors" teilte am Montag mit, für die Aussagekraft der Erhebung sei es "von wenig Belang", dass über die Hälfte der Befragten aus Berlin stamme.

Die Zweifel an der Studie bleiben: Belege fehlen

Den Kirchen und der Politik hatte "Open Doors" vorgeworfen, Übergriffe gegen christliche Flüchtlinge zu verharmlosen. Das haben Vertreter der evangelischen und der katholischen Kirche zurückgewiesen. Sie weisen auf die mangelhafte Datenlage hin und fordern Konzepte für alle besonders schutzbedürftigen Flüchtlinge. Ein EKD-Sprecher sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd) nach dem Erscheinen der Open-Doors-Erhebung, der Rat der EKD habe bereits zu Jahresbeginn seine Besorgnis über Gewalt gegen Christen zum Ausdruck gebracht. "Grundsätzlich sind wir der Ansicht, dass allen besonders schutzbedürftigen Flüchtlingsgruppen in Unterkünften Hilfe und Unterstützung zur Verfügung stehen muss", sagte er. Darunter könnten auch Christen sein, die als Minderheit in einer Flüchtlingsunterkunft leben. Der Sprecher verwies auf die unzureichende Datenlage zu dem Thema.

Auch die Deutsche Bischofskonferenz hegt Zweifel an den Schlussfolgerungen von "Open Doors". Eine Quantifizierung des Problems, wie von den Organisationen vorgenommen, halte man aufgrund der selbst vorliegenden Informationen nicht für möglich, sagte Sprecher Matthias Kopp. Einschüchterung, Diskriminierung und auch Gewalt gegenüber christlichen Bewohnern von Flüchtlingseinrichtungen seien "kein geläufiges, wohl aber ein immer wieder auftretendes Problem", das ernst genommen werden müsse.

"Jedes Gewaltopfer ist ein Opfer zu viel"

Gegenüber evangelisch.de hatte Thorsten Leißer, Theologischer Referent für Menschenrechte und Migration im Kirchenamt der EKD, bereits in einem Interview von September 2014 die Zahlenerhebungen von "Open Doors" kritisiert. Damals hatte die Organisation in ihrem "Verfolgungsindex" von 100 Millionen verfolgten Christen gesprochen. Leißer sagte damals "Ich finde es unmöglich, eine konkrete Zahl zu nennen – ob größer oder kleiner. Das ist nicht seriös. Ich sehe auch nicht, welchen Vorteil man hat, wenn man eine Zahl hat. Jeder einzelne, egal ob es sich um Christen oder Alewiten handelt, ob Suniten oder Schiiten – jeder, der einer Minderheit angehört und mit dem Tode bedroht wird, ist einer zu viel."

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat sich zurückhaltend zu Vorwürfen über systematische Verfolgung von Christen in deutschen Asylunterkünften geäußert. Da nur Fälle dokumentiert würden, die auch zur Anzeige gebracht wurden, und solche konkreten Daten nicht vorlägen, gehe es allein um die Frage "Wie hoch ist die Dunkelziffer", sagte de Maizière am Montag in Berlin. Eine Frage, die auch die "Open Doors"-Behebung nicht beantwortet.