Hendricks und Gabriel kritisieren Atomkraft-Pläne der EU

Hendricks und Gabriel kritisieren Atomkraft-Pläne der EU
Pläne der EU-Kommission zur Stärkung der Atomkraft in Europa stoßen bei der Bundesregierung auf Kritik. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) wandte sich scharf gegen entsprechende Überlegungen.

Düsseldorf, Berlin (epd) "Das ist eine verrückte und unverantwortliche Idee", sagte sie der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Mittwochsausgabe). Es sei ein Irrtum, "zu glauben, man könne mit noch mehr Atomkraft das Klima retten". Auch Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) äußerte sich ablehnend.

Es sei absurd, darüber nachzudenken, wie man eine der ältesten Technologien zur Energieerzeugung erneut mit Subventionen ausstatten wolle, sagte der Bundesminister für Wirtschaft und Energie am Rande politischer Gespräche in Brüssel. Die Kernenergie werde schon seit Jahrzehnten gefördert und sei immer teurer geworden. "Vor allen Dingen ist es so, dass nirgendwo in Europa letztlich das Problem der nuklearen Entsorgung, also der Fall des Atommülls gelöst ist. Deswegen sind wir strikt dagegen, das zu machen."

Reduzierung des Kohlendioxid-Ausstoßes

Gabriel sagte, dass die Europäische Union Energieproduktion fördern könne, diese müsse aber nachhaltig, sicher und klimaschonend sein. Daneben sei auch die Förderung der Forschung zur nuklearen Sicherheit in Ordnung. Das aktuelle Papier gehe aber "deutlich darüber hinaus".

Die EU-Kommission will nach Medienberichten die Nutzung von Atomkraft stärken. Einem Strategiepapier zufolge sollen dazu die Mitgliedstaaten bei der Erforschung, Entwicklung, Finanzierung und beim Bau innovativer Reaktoren stärker kooperieren. Mit der Initiative sollen nach Ansicht von Experten die Ziele zur Reduzierung des Kohlendioxid-Ausstoßes in der EU erreicht und zugleich die Abhängigkeit von russischem Gas verringert werden.

Eine Sprecherin der EU-Kommission betonte in Brüssel, dass es sich bei dem zitierten Papier lediglich um ein Diskussionspapier über zukünftige Schwerpunktgebiete im Bereich der Forschung handele. Atomenergie sei dabei nur eins von zehn Gebieten. Die Positionen im Papier sollten nächste Woche Dienstag offen diskutiert werden, hieß es weiter. Eine nicht bindende Absichtserklärung der EU-Kommission solle im Anschluss die Forschungspolitik- und Institute in den Mitgliedsländern lenken. Ob ein Land Atomkraft für seine Energieversorgung nutzt, sei darüber hinaus weiterhin eine nationale Entscheidung.

Wirtschaftsminister Gabriel bewertete die Pläne anders: Zwar könne jedes Land in Europa selbst über die Nutzung von verschiedenen Energieformen entscheiden, es gehe aber im aktuellen Fall um etwas anderes, urteilte der SPD-Vorsitzende. "Niemand mischt sich ein in die nationale Entscheidung, welche Form von Energiemix ein Land haben will. Hier geht es um die Frage, ob Europa bestimmte Formen fördert. Das ist was anderes als eine nationale Entscheidung."

"Kostspielige Technologie"

Umweltministerin Hendricks betonte die Notwendigkeit einer Wende zu erneuerbaren Energien für den Klimaschutz. Nicht gebraucht werde "ein Festhalten an einer veralteten und zudem kostspieligen Technologie, mit deren Nutzung wir viele Generationen nach uns unumkehrbar belasten".

Die Umweltorganisation Greenpeace und der Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Anton Hofreiter, forderten die Bundesregierung auf, ihren Einfluss in Brüssel geltend zu machen und eine unverantwortliche Energiepolitik zu stoppen. Die noch laufenden Reaktoren seien für die Menschen in den betroffenen Regionen lebensgefährlich und für die Steuerzahler extrem teuer, sagte Hofreiter.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) wies auf die ökonomischen Folgen der Pläne hin. "Die Atomenergie ist eine wahnsinnig kostspielige Technologie, eine Technik der Vergangenheit", sagte Energie-Expertin Claudia Kemfert beim Nachrichtensender n-tv. Der Rückbau der Kraftwerke koste viel Geld: "Die Sicherheitsanforderungen sind enorm teuer, die Endlagerung nicht geklärt. Da sollte man jetzt erstmal die alten Meiler in den Griff bekommen, als im großen Stil auf Neubau zu setzen", betonte Kemfert.