Spielzeug kaufen ist kein Kinderspiel

faires Kinderspielzeug zu Weihnachten
Foto: Alita Ong/Stocksy
Kinderspielzeug sollte die Fantasie fördern und ungiftig sein.
Spielzeug kaufen ist kein Kinderspiel
Weihnachtsgeschenke für die Kinder? Das ist einfach: Was zum Spielen! Doch schnell hat man klischeebesetzte, unfair hergestellte oder sogar giftige Spielsachen erwischt. Was Eltern, Omas und Paten beim Weihnachtseinkauf im Spielzeugladen beachten sollten, fasst Karin Vorländer zusammen.

Spielen ist für Kinder keine Beschäftigung zum Zeitvertreib, sondern ihr Hauptberuf. Bis zum Ende des 6. Lebensjahres spielen Kinder etwa 15.000 Stunden - wenn man sie lässt. "Spiel ist die höchste Form der Forschung", sagte Albert Einstein. Spielerisch erwerben, erproben und stärken Kinder ihre geistigen, emotionalen und körperlichen Fähigkeiten. Im Spiel be-greifen sie im wahrsten Sinne ihre Umwelt. Spielen fördert Experimentierfreude und Einsichten, es weckt Phantasie, Geschicklichkeit, Ausdauer, Konzentration, Einfühlungsvermögen und Anstrengungsbereitschaft. Spielerisch verarbeiten und ahmen Kinder nach, was sie im Alltag erleben. Im Spiel schlüpfen sie in andere Rollen, und erproben dabei auch Spiel-Räume der eigenen Ausgestaltung dieser Rolle. Im gemeinsamen Spiel können (und müssen) Kinder sich mit Spiel-Regeln vertraut machen. Sie lernen Absprachen zu treffen oder Rücksicht zu nehmen und bauen damit soziale Beziehungen auf.

Zeug zum Spielen

Längst nicht zu jedem Spiel brauchen Kinder industriell gefertigtes gekauftes Spielzeug. Spielende Kinder können alles in alles verwandeln: Ein Stock wird zum Besen, zum Musikinstrument zum Kochlöffel oder zur Pistole. Kieselsteine verwandeln sich in einen Schatz; ein Pappkarton wird zur Ritterrüstung. Das beste Spielzeug für Kinder, so der Erziehungswissenschaftler Albert Wunsch, seien "unbesetzte Teile", die Raum für Phantasie lassen. Eine Verkleide-Kiste mit Decken, Tüchern, abgelegten Kleidern und Hüten birgt einen unerschöpflichen Fundus für Rollenspiele. Naturmaterialien, Materialreste und Verpackungen haben das Zeug zum Spielzeug, denn sie wecken Neugier und Phantasie.

Donata Elschenbroich, Expertin für Bildung in den frühen Jahren, ermutigt Eltern, ihre Kinder auf eine "Expedition zu den Gegenständen des täglichen Lebens" mitzunehmen, statt ihnen die Welt vor allem im Miniformat des kommerziellen Spielzeugs zu präsentieren. "Denn", so führt sie aus, "in den Dingen steckt das Wissen der Welt und die Alltagsgegenstände sind spannender als viele Spielzeuge." Was zum Beispiel kann man mit einer Wäscheklammer alles machen? Was hat es mit einer Balkenwaage auf sich oder mit einer Pipette oder gar einem echten Stethoskop? Donata Elschenbroich regt dazu an, Kinder nicht in eine Sonderwelt von gekauftem Spielzeug zu entlassen, sondern sie "helfen" zu lassen: Kinder lieben es beim Einkaufen und Aufräumen, beim Wäscheaufhängen und Autoputzen, beim Kochen und Backen, beim Laubfegen, Tischdecken oder Staubsaugen einbezogen zu werden.

Allerdings gab es schon immer eigens für Kinder hergestellte Sachen zum Spielen. Bereits in der Steinzeit spielten Kinder mit geschnitzten oder aus Ton gefertigten Puppen, und auch der Ball gehört zu den frühen Spielzeugen. Heute aber nimmt der Anteil gekauften Spielzeugs immer mehr zu. Wobei laut EU-Richtlinie alle Erzeugnisse als Spielzeugt gelten, "die dazu gestaltet oder offensichtlich bestimmt sind, von Kindern im Alter bis zu 14 Jahren verwendet zu werden".

Ein normales Spielwarengeschäft hält im Durchschnitt 2000 Artikel bereit. Per Internet gibt es Zugriff auf ein schier unendliches Angebot an Spielzeug aller Art für alle Altersstufen: Mobilees und Rasseln, Puppen, Teddys und Kuscheltiere, Konstruktionsspielzeug, Puzzles, Fahrzeuge, Lern- und Gesellschaftsspiele, Spiel- und Sportgeräte, Experimentierkästen, eine Unzahl von Computerspiele und Spielkonsolen machen die Auswahl guten Spielzeugs schwer.

Vor dem Spielzeugkauf sollte man sich über einige Grundsatzfragen klar werden:

Wie früh will ich Kindern digitale Spiele zugänglich machen?

Möchte ich Spielzeug verschenken, das im Rahmen der rosa-blauen Welle, die seit einiger Zeit durch die Spielzeugwelt schwappt, vorhandene Rollenklischees spiegelt und womöglich zementiert?

Möchte ich Wünsche nach Spielzeug erfüllen, das Krieg und Gewalt zum Thema hat?

Wie stehe ich zu Waffen- oder Horrorspielzeug oder Modepuppen samt Luxuskonsum- Zubehör?

Auf jeden Fall sollte Spielzeug "altersgerecht sein, lange halten, einen hohen Aufforderungscharakter haben und ein Kind in Sachen Kreativität und/oder Denkleistung herausfordern. Gutes Spielzeug sollte zudem durch andere Spielsachen, etwa  Konstruktionsmaterialien wie Lego oder Bausteine, ergänzt und altersentsprechend erweitert werden können.

Die Fotogalerie von Kai Loeffelbein gibt Einblicke in die Spielzeugproduktion in China.

Wer gutes Spielzeug sucht, sollte sich klar machen, dass Spielwarenhersteller keineswegs in erster Linie ein pädagogisches Interesse, sondern ein ausgeprägtes Gewinninteresse haben. "Zweifellos nimmt das Angebot an unsinnigen und überflüssigem Kinderspielzeug bis zu ausgesprochenem Schund und Wegwerfspielzeug ständig zu", stellt der "spiel gut" -Arbeitsausschuss Kinderspiel und Spielzeug e.V. fest. Dessen ehrenamtliche Experten aus verschiedenen Fachrichtungen haben es sich seit 1954 zur Aufgabe gemacht, unabhängig von Handel und Industrie pädagogisch wertvolles Spielzeug auszuzeichnen. Ehe ein Spielzeug das orangefarbene "Spiel Gut Siegel" erhält, das der gemeinnützige Verein pro Jahr etwa 250 und 600 Mal vergibt, muss es von Kindern ausprobiert worden sein und eine ganze Reihe von Kriterien erfüllten: Ist das Spielzeug für die empfohlene Altersgruppe geeignet? Fördert es Fantasie und Vorstellungsvermögen? Knüpft es an altersgerechte Lebenserfahrungen an? Bietet es vielfältige und fortwährende Spielmöglichkeiten? Haltbarkeit, Schönheit und Umweltverträglichkeit werden ebenso in den Blick genommen wie die Frage, ob ein Spielzeug sicher ist.

Um Sicherheit und Umweltverträglichkeit ist es nämlich keineswegs gut bestellt. So fielen beim jüngsten Test der Stiftung Warentest zwei Drittel aller Kuscheltiere durch die Sicherheits- und Schadstoffprüfung. Sie enthielten Allergene, Duftstoffe, krebserregende Substanzen und Weichmacher, die die Fortpflanzung gefährden und seit Jahren verboten sind.

Weniger ist mehr

Inzwischen gibt es für Spielzeug eine ganze Reihe unterschiedlicher Siegel. Unverzichtbar ist in jedem Fall das GS Siegel: Es sagt aus, dass die Hersteller die Sicherheitsnormen erfüllen. Das Schnellwarnsystem RAPEX informiert über gefährliche oder potentiell gefährliche Verbrauchsgüter. Dabei macht Spielzeug mehr als ein Viertel der beanstandeten Waren aus. Fast zwei Drittel der Waren, vor denen RAPEX warnt, kommen aus China. Der wöchentliche Newsletter fasst die aktuellen Spielzeugwarnungen auf Deutsch zusammen.

Uwe Kleinert von der Werkstatt Ökonomie in Heidelberg rät, sich Zeit zu nehmen und sich vor dem Kauf in Testzeitschriften zu informieren, möglichst im Fachhandel zu kaufen und das Spielzeug vor Ort in Augenschein zu nehmen. "Vertrauen Sie Ihrer Nase. Was schon nach Chemie riecht, strömt auch chemische Stoffe aus", so Kleinert.

Ein besonderes Anliegen ist ihm, dass in der Spielzeugproduktion faire Produktionsbedingungen herrschen. In Deutschland kommen vier von fünf Spielzeugen aus China. Und dort herrschen weithin üble Bedingungen für die überwiegend weibliche Belegschaft: Extrem lange Arbeitszeiten bei niedrigsten Löhnen, das Verbot sich gewerkschaftlich zu organisieren, Redeverbot während der Arbeit, fehlender Mutterschutz und Verletzung von Menschenrechten sind verbreitet. Die von Kleinert mit initiierter Aktion "fair spielt" setzt sich für menschenwürdige Arbeitsbedingungen in der Spielzeugindustrie ein. Sie vergibt zwar selbst kein Gütesiegel, aber sie informiert in ihrer laufend aktualisierten Firmenliste darüber, welche Unternehmen den Verhaltenskodex des internationalen Weltspielzeugverbandes einhalten und welche nicht.

Derart bewusst beim Spielzeugkauf vorzugehen, ist mit Sicherheit kein Kinderspiel, sondern erfordert eine Menge Zeit und Aufwand. Womöglich hat es den Nebeneffekt, dass sich die Einsicht verbreitet: Weniger ist mehr. Denn die Spielzeugregale in Kinderzimmern quellen ohnehin oft über und viele Kinder wissen vor lauter Spielsachen nicht mehr, was sie spielen sollen. Wie wäre es, gemeinsame Zeit zum Spielen zu verschenken?