Johanna Haberer: Digitalisierung gefährdet Selbstbestimmung

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Johanna Haberer: Digitalisierung gefährdet Selbstbestimmung
Die Erlanger Publizistikprofessorin Johanna Haberer sieht die Selbstbestimmung des Menschen durch digitale Techniken bedroht. Zunächst hätten die neuen Technologien beim Einzelnen den Traum ausgelöst, mitgestalten zu können. "Da hat sich inzwischen eine Ernüchterung breitgemacht, denn genauso wie wir mitgestalten können, können die Starken auch kontrollieren", sagte Haberer.

Die evangelische Theologin warnte davor, dass Privatsphäre, Bewegungs- und Meinungsfreiheit heute "mit einer Nonchalance zur Disposition gestellt werden". Demokratische Regeln seien notwendig. Dazu müssten verschiedene gesellschaftliche Gruppen wie die Kirchen im Schulterschluss den "Staat unter Druck setzen", sagte Haberer.

Dabei müsse auch das Thema Überwachung zur Sprache kommen. Mit den USA bestehe inzwischen eine Art "technisches Kolonisierungsverhältnis". "Die sitzen auf den zentralen Servern, die die Kontrolle übernehmen", warnte sie. Das sei politisch nicht handhabbar, wenn nicht vollkommene Transparenz herrsche.

Haberer warnte zudem vor einer Entsolidarisierung der Gesellschaft. Diese könne aus einem "Selbstoptimierungsprozess" im Netz entstehen, wenn Menschen zum Beispiel ihre täglich gelaufenen Schritte speichern oder dem Arbeitgeber Daten über ihren Schlaf zur Verfügung stellen. "Wir Theologen müssen unser Menschenbild und das, was den Menschen wohltut, entgegenhalten", sagte die Professorin.

Haberer ist Initiatorin des Medienkonzils der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Bei der Tagung mit dem Titel "Bürgersein in der digitalen Welt" soll am Donnerstag und Freitag darüber diskutiert werden, wie die digitale Technik den Alltag und das Denken der Menschen verändert. Zum Medienkonzil in Nürnberg werden den Veranstaltern zufolge mehr als 200 Medienschaffende aus Publizistik, Kultur, Medienwissenschaft, Philosophie und Theologie erwartet.