Die Bergpredigt im Kopf: "Eine intensive Selbsterfahrung"

Bibel im Gegenlicht
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Mehr als lesen: Auswendiglernen kann eine Art Meditation ein.
Die Bergpredigt im Kopf: "Eine intensive Selbsterfahrung"
109 Verse, 2.772 Wörter: Ein Pfarrer aus Bayern will Menschen motivieren, die Bergpredigt auswendig zu lernen. Am besten in der Lutherübersetzung von 1545.

Auswendig lernen – da denken die meisten wohl an Schule oder Konfirmandenunterricht, an lange Balladen und spröde Gebote. Nichts, das man unbedingt wiederholen möchte. Gerhard Bauer aber schon. Er hat vor etwa acht Jahren angefangen, Bibeltexte zu lernen: "Das ist eine ganz andere Wahrnehmung, eine Art Meditation, ein Eintauchen", sagt der 55-Jährige. Etwas, das der Pfarrer im fränkischen Kulmbach während des Studiums nicht gelernt hat. "Nicht nur analysieren und diskutieren, sondern erstmal verinnerlichen", sagt er. Das Memorieren heiliger Texte – ein ursprüngliches Element der Schriftreligionen, das leider verloren gegangen sei.

Nur Luther muss es sein

Im Zeichen des Reformationsjubiläums möchte Bauer eine Lanze brechen für das Auswendiglernen. Durch eine Wette: 500 Menschen will er finden, die bis 31.Oktober 2017 die Bergpredigt lernen. Ihr bekanntester Teil, die "Seligpreisungen" (Matthäus 5,1-12) , sind der Predigttext zum Reformationsfest. Einen "Wettpaten" wie im Fernsehen gibt es auch, den Sprachguru Bastian Sick. Bauer will durch seine Aktion auch die Übersetzungsleistung Luthers, "die große Errungenschaft für die deutsche Sprache" ehren.

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Der fränkische Pfarrer ist ein Liebhaber der Ausgabe von 1545, die letzte, die Luther noch selbst redigierte. "Da hat man das Gefühl, man ist dem O-Ton am nächsten", sagt Bauer. Den Wettteilnehmern steht es aber frei, eine andere Ausgabe zu benutzen – nur Luther muss es sein. Und die ganze Bergpredigt. "Der Text erschließt sich erst richtig, wenn man ihn im Zusammenhang lernt", fasst Bauer seine Erfahrung zusammen. Vor allem auch die schwierigen Passagen vom Ehebruch, vom Auge ausreißen und Hand abschlagen: "Das ist dann schon eine Zumutung."

Ebenso wie das Gesamtpensum: 109 Verse, 2.772 Wörter, 13.983 Zeichen. Bauer selbst hat mehrere Jahre dafür gebraucht. Seine Erfahrung soll den Teilnehmern zugute kommen. 28 Menschen haben sich bisher auf der Seite www.lutherdeutsch.de angemeldet. Sie kommen aus ganz Deutschland und aus Österreich. "Ich trete mit allen in Kontakt", sagt Bauer. Manche hätten schon beeindruckende Erfahrungen – etwa jene Frau, die bereits zwei Paulus-Briefe auswendig lernte: "Sie ist Amerikanerin und möchte vom englischen Text wegkommen", erzählt Bauer.

Am Ende steht keine Prüfung - aber ein Vortrag

Der Pfarrer hat den Text in vier Lernschritte aufgeteilt. Bei Bedarf gibt er Tipps. Darunter auch den, das Gelernte ganz bewusst wieder zu vergessen und dann ein zweites Mal zu beginnen. "Scheinbar paradox, aber so kann es gelingen, Ängste zu überwinden." Das Auswendiglernen sei ein Prozess, der Geduld erfordere, "eine intensive Selbsterfahrung".

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Die möchte Bauer vielen Menschen ermöglichen. Am Ende steht auch keine Prüfung. Diejenigen, die bis zum Ende durchhalten, sollen den Text zur Selbstkontrolle in ihrem Bekanntenkreis vortragen. Kommen 500 Teilnehmer zusammen, dann wird Bauer einen Wetteinsatz einlösen. Er will sich noch nicht festlegen, wie der genau aussieht. Möglicherweise stellt er sich vor die Nürnberger Lorenzkirche und trägt zu Ehren Luthers, des Übersetzers, die Bergpredigt vor. Auswendig, versteht sich.