Das Kreuz mit dem Queer?

Das Kreuz mit dem Queer?
kreuz & queer
Foto: thinkstock/Emdurodog
Geradezu selbstverständlich steht im Titel des neuen Blogs auf evangelisch.de das "und"-Zeichen zwischen "Kreuz" und "Queer". Wundersame Normalität oder ein Argwohn weckender Versuch, Widersprüche zu glätten?

Pfarrer, die selbstbewusst über ihr Schwulsein sprechen, Segnungen für ein lesbisches Paar, das sich verpartnert hat, Gottesdienste zum CSD-Auftakt ‑ schöne Zeichen, dass es mittlerweile möglich ist, seinen Glauben und seine sexuelle Orientierung zu leben.

Aber auch das: Christen demonstrieren gegen "sexuelle Vielfalt" als Thema in Bildungsplänen, Mitglieder von Landeskirchen schreiben Online-Petitionen in extrem homophober Sprache, einzelne Prediger verteidigen unter Verweis auf die Bibel ein Privileg der Mann-Frau-Ehe und wollen Homosexuelle eher als zu duldendes Übel verstanden wissen.

Es gibt gute Gründe, als Schwuler, Lesbe, Transgender mit dem Kreuz über Kreuz zu liegen. Es gibt viele gute Gründe, zu fragen, wie sich der persönliche Glaube mit den Institutionen des Glaubens vereinbaren lässt.

Wenn ich versuche, "Kreuz" und "Queer" zu verbinden, dann denke ich an "kreuz und quer": ein Hin und Her, ein Durcheinander, das ausgetretene und vorgegebene Pfade verlässt.

Als "queer" verstehe ich dabei nicht unbedingt die Addition von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender zu etwas Vorhandenem, sondern auch eine Haltung, die sich traut, quer zu scheinbar festgefügten Normen zu denken und zu leben, um Raum für andere Möglichkeiten zu schaffen. Dies besonders in Zeiten, da der Ruf nach einfachen Antworten und der "reinen" Lehre wieder populär zu werden scheint. Hier ist "queer" für mich ein kritischer Geist, der zu meinem Verständnis vom guten Geist dazugehört.

Weshalb ich es wichtig finde, auch das mediale Bild, das die (kirchlichen) Medien von Homosexuellen zeichnen, immer mal wieder zu hinterfragen. Wie "queer" ist es, wenn Schwule und Lesben nur noch als heiratssüchtige Paare wahrgenommen werden? Erschöpft sich die Verbindung von "Kreuz" und "queer" möglicherweise darin, sich gegenseitig der eigenen Rechtschaffenheit zu versichern?

Vielleicht ist aber auch der Glaube eine Zumutung für Schwule und Lesben - nicht nur in einem politischen Sinn? In einer wenn auch nicht areligiösen, so doch zunehmend kirchenfernen Gesellschaft mag das "Kreuz" im Queeren sonderbar erscheinen. Wie lässt sich Glauben in einer LGBT-Community leben?

In der Verbindung "kreuz & queer" sehe ich nicht nur das produktive Durcheinander, sondern auch das Miteinander, das gemeinsame Interesse an Fragen, an der Suche nach neuen Antworten und am Austausch von vielfältigen Erfahrungen. Und das immer mit dem Wagnis, dass einem das Kreuz in die Que(e)re kommt und umgekehrt!

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