Was unterscheidet die beiden Formen und Glaubenswege? Was verbindet sie? Und wie fühlt es sich für Sabrina und Tobias an? Es sind ihre Taufgeschichten: die eine mit Überraschung, Kindergesang und tiefer Beziehung zu einem Pfarrer. Die andere still, beiläufig, fast, aber genau deshalb richtig.
Sabrina ist heute Mitte fünfzig. Aufgewachsen ist sie in der ehemaligen DDR, ohne Kirchenbezug und ohne Taufe. Erst als sie ihren Mann kirchlich heiraten will, stößt sie auf das Thema Taufe. Ihr Gemeindepfarrer zeigt sich wenig offen für eine Hochzeit ohne Kirchenzugehörigkeit beider Partner: "Ich bin voll aufgelaufen – da hatte ich überhaupt keine Lust mehr", erzählt sie und stellt rückblickend fest: "Ich hätte mich nie taufen lassen, nur damit ich meinen Mann heiraten kann. Das wäre für mich eine Lüge gewesen."
Doch zufälligerweise hatte das Paar bereits kurz zuvor auf einer Hochzeitsmesse einen evangelischen Pfarrer kennengelernt, der die fehlende Taufe nicht als Problem betrachtete. Ihn kontaktieren die beiden. Er trifft sich mit ihnen, lernt sie kennen, nimmt sich Zeit. Die Trauung findet schließlich statt, ohne Druck und ganz ohne Vorbedingungen. "Ich glaube, ich hatte auch den Vorteil, dass dieser Pfarrer relativ schnell gemerkt hat, dass ich nicht Dinge tue, weil man sie tut. Das bin ich nicht."
Auch bei Tobias, heute 38 Jahre alt und Vater von drei Kindern, spielt Zeit eine Rolle. Er war immer schon evangelisch geprägt, aber nie Mitglied der Kirche gewesen, erzählt er. "Ich hatte es lange vor mir hergeschoben", sagt er. Die Entscheidung kommt leise, ohne Erweckungserlebnis, einfach weil es sich irgendwann für ihn stimmig anfühlt. So entschließt er sich erst als Erwachsener zur Taufe, aber nicht im Gemeindegottesdienst, sondern auf einer Pop-up-Taufe. Für ihn ist klar: "Ich wollte nicht gleich in eine Gemeinde reingespült werden, die ich gar nicht kenne. Wo ich nicht weiß, wer da ist – und mich dann als Erwachsener erklären muss, warum ich mich jetzt taufen lasse." Stattdessen sucht er einen geschützten Rahmen, in dem er die Entscheidung für sich treffen kann. "Ich bin in keine Gemeinde hineingewachsen. Ich wohne zwar schon länger hier, aber ich fühle mich dort nicht verwurzelt. Da gleich mit einer öffentlichen Taufe in einem Gemeindegottesdienst aufzutreten – das hätte sich für mich falsch angefühlt."
Stimmig beschreibt auch das Gefühl von Sabrina. Nach ihrem Umzug in eine neue Stadt erlebt sie, wie Kirche im Alltag wirken kann. Bei Problemen mit der Kinderbetreuung hilft ihr zunächst eine evangelische Mutter-Kind-Gruppe. Später dann rücken andere Mütter im kleinen evangelischen Kindergarten vor Ort zusammen, machen Platz und sorgen so dafür, dass ihre Kinder betreut werden können. Als später die Taufe für ihre Kinder ansteht, spricht sie erneut mit dem Pfarrer, der sie auch getraut hatte. Im Gespräch stellt er die entscheidende Frage: "Und du, Sabrina?" Der Moment ist unerwartet – und genau deshalb stark. "Ich habe in dem Augenblick, als er mich gefragt hat, kurz drüber nachgedacht – und es war so ein: Ja klar, warum nicht. Es war eine Selbstverständlichkeit. So wie atmen."
Taufgottesdienst im engsten Familienkreis
Ihre Taufe selbst ist dann eingebettet in einen für ihre Familie abgestimmten Gottesdienst mit Liedern, die sie kennt, in einer Gemeinde, in der sie sich wohlfühlt. Aber sie ist für die anwesenden Gäste auch eine Überraschung: Niemand wusste bis zu diesem Tag etwas davon: "Es war keine große spirituelle Erleuchtung. Aber es war echt. Und es passte."
Tobias beschreibt seine Taufe als "beiläufig, aber nicht bedeutungslos". Was er damals will, ist eine Taufe ohne großes Aufsehen, ohne Erklärungsdruck. Als er zufällig über eine Pop-up-Taufaktion liest, weiß er: "Das passt." Die Friedenskirche, in der sie stattfindet, ist an diesem Tag mit verschiedenen Taufstationen ausgestattet. Seine Frau – selbst wieder in die Kirche eingetreten – ist dabei ebenso die drei Kinder. Martin schaut sich die Stationen an und entscheidet sich für einen ruhigen Nebenraum. "Dort war nur meine Familie, der Pfarrer und ein Fotograf. Und die Kerze, die meine Kinder an diesem Tag vor Ort selbst gestaltet hatten. Das war berührend." Im Ganzen dauert es nur 15 Minuten, aber die, so Tobias, waren sehr intensiv.
Beide Taufgeschichten erzählen auf ihre Weise vom inneren Ringen mit der Kirche und zeigen zeitgleich Potenzial, wenn sie offen und menschenfreundlich auftritt. Sabrina weiß, dass ihre Geschichte nicht typisch ist. Und genau darin liegt für sie ihre Stärke. Sie macht anderen Mut, den eigenen Weg zu gehen – nicht den vorgezeichneten. "Wenn jemand sich taufen lassen will, dann soll er es tun – aber nicht, weil das Umfeld das erwartet", sagt sie. Tobias sieht seine spontane Entscheidung auch als Teil einer gesellschaftlichen Verantwortung: "Wir profitieren alle von christlicher Prägung. Wenn ich möchte, dass Kirche weiterhin eine Rolle spielt, dann reicht es nicht, sie nur von außen zu beklatschen."
Nach der Taufe verändert?
Auf die Frage, ob sich seitdem innerlich etwas verändert habe, antwortet Tobias nüchtern: "Nein – nicht plötzlich. Es ist eher ein Symbol für eine Entwicklung, die schon länger lief." "Verändert als solches würde ich nicht sagen", sagt auch Sabrina. "Aber in dem Moment hat es sich einfach richtig angefühlt." Tobias will sich weiter umsehen: Welche Gemeinde passt? Wo findet er Anschluss? "Ich wollte es in dieser Reihenfolge. Erst die Taufe. Dann sehen, was sich entwickelt."
Die Familie von Sabrina ist weiter mit ihrer Gemeinde verbunden und mit dem Pfarrer der sie traute und Sabrina taufte freundschaftlich verbunden. Die Kinder waren nach der Konfirmation, im Stil von Harry Potter, mit Gleis 9¾ vor der Kirche, dann sogar gerne noch als Konfi-Teamer dabei. Kirche, das findet Sabrina, kann eben auch kreativ, nahbar und voller Leben sein.
Autoren
Katja Eifler
Katja Eifler volontierte nach ihrer Studienzeit im Lokalradio im Rhein-Kreis Neuss. Anschließend arbeitete sie als Radioredakteurin. Später als Redaktionsleiterin eines Wirtschaftsmagazins am Niederrhein. Heute ist sie freischaffende Journalistin, Online-Texterin, Coach und Moderatorin. Seit April 2023 ist sie als Redakteurin vom Dienst für evangelisch.de tätig.