Die Sonne steht hoch und wärmt die Haut, das Gras liegt als weicher Teppich unter den Fußsohlen. Es ist Tauffest an der Elbe. In einem spontanen Moment hatten wir angeboten, dass wir auch für Kurzentschlossene offen sind. Das würde doch niemand… oder? Mit sichtbar entschiedenen Schritten kommt sie auf mich zu. "Ja!", ruft sie mir schon zu, bevor sie überhaupt bei mir ankommt. "Ich will. Ich will mich heute taufen lassen." Meine Kolleg:innen ziehen mit den vielen gut vorbereiteten Familien, Kindern und Erwachsenen hinunter an die Elbe. Wie tauft man jemanden, den man eben erst kennen lernt?
Wie in der Emmausgeschichte aus der Bibel, wo zwei Jünger mit dem auferstandenen Jesus unterwegs sind (Lukas 24,13-35), gehen wir Schulter an Schulter den Sandweg langsam zur Elbe. Dieser Weg muss reichen, um ihren Taufwunsch zu verstehen. Dieser Weg muss reichen, um Jesus in ihrem Leben zu sehen. Und Monika erzählt mir ihr Leben. Sie erzählt mir von ihrer Sehnsucht, dazu zu gehören und von dem Verlangen sich mit Gott irgendwie verlässlich einzulassen. Immer dachte sie, sie wäre noch nicht so weit. Immer dachte sie, es würde noch was fehlen, sie noch nicht weit genug sein. Immer dachte sie, die getauft, sind die, die glauben. Heute hat sie der Mut ergriffen. Auch wenn sie eher die ist, die "nur" "glauben will", hatte sie heute das Gefühl, dass das ausreichen könnte und dass sie genau mit diesem zarten Wunsch hier willkommen sei. "Etwas in mir fühlt sich bei Gott zu Hause", sagt sie. "Ich will nicht mehr zögern und warten." Sie berichtet von den schweren Zeiten in den letzten Jahren und dass Gott nicht weggegangen sein. Er sei immer noch da in ihr. Dabei hätte sie allen Grund gehabt, die Hoffnung zu verlieren. Dass Gott geblieben sei, fühle sich sicher und verlässlich an, sagt sie.
An der Elbe treten wir mit den Füßen in den Sand des Ufers. Ich sehe ihr fragend in die Augen. Sie nickt. Langsam tasten sich unsere Füße tiefer in das laue Elbwasser hinein. Es hat ein wenig etwas von Schweben, dort im Wasser zu stehen und das Fließen des Flusses an den Waden zu spüren. Ich frage Monika, ob sie getauft werden will - im Namen Gottes, der väterlich mütterlich ihr Halt und Trost sei und im Namen Jesu, der ihr menschlich nahe sein will und im Namen der Geistkraft, die sie in ihrem Innern begleite wie eine Schwester. Ihre Augen leuchten, als sie "ja" sagt. Und ich spüre, dass dieser Moment etwas Heiliges hat. Hände voll Flusswasser lasse ich drei Mal über ihren Kopf laufen. Sie richtet sich auf. Mit flussnassen Händen segne ich sie. Sie ist tief bewegt und wir umarmen uns lange, obwohl wir uns gar nicht kennen. "Das ist so ein guter Tag.", sagt sie. "Es fühlt sich so richtig an."
Bis heute bin ich mit Monika hin und wieder über Social Media in Kontakt. Durch die Taufe hat sie endlich in Kontakt mit ihrer Kirchengemeinde. Dort hat sie neue Menschen kennen gelernt. Ob sie sich dort einbringen will, das überlegt sie gerade und es tut ihr gut, dass ihr das völlig frei steht.
Autoren
Bettina Schlauraff
Bettina Schlauraff arbeitet als Regionalbischöfin in Magdeburg. Sie ist leidenschaftlich Pfarrerin, Seelsorgerin und Wortkünstlerin.