Druck auf Papst wächst - Laien wollen Schuldbekenntnis

Druck auf Papst wächst - Laien wollen Schuldbekenntnis
Im Zusammenhang mit den Fällen von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche gerät Papst Benedikt XVI. immer stärker unter Erklärungsdruck. Nach einem Bericht der "New York Times" wusste der frühere Münchner Erzbischof Joseph Ratzinger weit mehr über den Einsatz eines bekannt pädophilen Priesters, als die Kirche bisher zugeben will.

Die Basisbewegung "Wir sind Kirche" forderte ein umfassendes Schuldbekenntnis des Papstes und der Bischöfe. "Das ist etwas, da kann die Kirche sich nicht mehr rausreden. Der Deckel des Vatikans muss gesprengt werden", sagte Sprecher Edgar Büttner im Vorfeld der "Wir sind Kirche"-Bundesversammlung an diesem Wochenende in Würzburg.

Das Erzbistum München und Freising, das der heutige Papst Joseph Ratzinger von 1977 bis 1982 leitete, wies die Vorwürfe gegen das Kirchenoberhaupt erneut zurück. Auch Vatikansprecher Padre Federico Lombardi bezeichnete den Zeitungsbericht als "reine Spekulation". Ratzinger habe damals nichts über die Wiedereinsetzung des belasteten Priesters gewusst.

Merkel: An die Opfer denken

Nach den Worten von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) soll der Runde Tisch zum Thema Kindesmissbrauch "keine parteipolitische Veranstaltung" werden. "Ich freue mich sehr, dass die frühere Bundesfamilienministerin Christine Bergmann (SPD) die Aufgabe der Beauftragten der Bundesregierung hierzu übernommen hat", sagte Merkel der "Passauer Neuen Presse". Beim Kindesmissbrauch sollten alle Seiten in erster Linie an die Opfer denken. Der CDU-Rechtspolitiker Günter Krings setzte sich für härtere Strafen und längere Verjährungsfristen ein.

Sigrid Grabmeier vom "Wir sind Kirche"-Bundesteam kritisierte, die katholische Kirche wolle nicht sehen, dass sie als Institution und öffentliche Körperschaft eine große Verantwortung habe. Die Initiative drängt zudem auf eine öffentliche Diskussion über das Zölibat. Außerdem müssten die Opfer in den Mittelpunkt gestellt, Prävention strukturell verankert werden. Zur Verantwortung des Papstes sagte Hans Peter Hurka, Vorsitzender von "Wir sind Kirche" Österreich: "Wenn er Rücktritte fordert von Bischöfen und konsequent vorginge, dann müsste er das auch von sich selbst fordern."

Bericht: Ratzinger wurde informiert

Laut "New York Times" wurde der damalige Kardinal Ratzinger Anfang 1980 Jahre per Aktennotiz über die neuerliche Einsetzung des pädophilen Priesters in der Seelsorge informiert. Aus der Notiz geht laut "Times" weiter hervor, dass Ratzinger am 15. Januar 1980 eine interne Besprechung leitete, bei der über die Versetzung des Priesters gesprochen worden sei. Die Existenz dieser Notiz sei von zwei Kirchenvertretern bestätigt worden, berichtete die US-Zeitung.

Die Erzdiözese München wies die Darstellung scharf zurück. Der Beitrag enthalte keine Informationen, "die über das hinausgehen, was die Erzdiözese bislang über den Kenntnisstand des damaligen Erzbischofs über die Personalie mitgeteilt hat". Das Bistum gehe nach wie vor davon aus, "dass der damalige Erzbischof die Entscheidung, den Priester wieder in der Pfarrseelsorge einzusetzen, nicht gekannt hat". Der Priester war ursprünglich aus Nordrhein-Westfalen gekommen und hatte sich im Laufe von Jahrzehnten immer wieder an Kindern vergriffen. Trotzdem wurde er bis in die jüngste Vergangenheit in der Seelsorge eingesetzt.

Erzbischof verteidigt Papst

Auch das Oberhaupt der Katholiken in England und Wales verteidigte den Papst. Er sei kein «untätiger Beobachter» gewesen, schrieb der Erzbischof von Westminster, Vincent Nichols, in der Zeitung "The Times" von Freitag. Er habe als Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre Änderungen in der Kirche eingeführt, um Kinder besser zu schützen. Nichols reagierte damit auch auf neue Vorwürfe, wonach es der Vatikan in den 1990er Jahren versäumt habe, gegen einen US-Priester vorzugehen, der bis zu 200 gehörlose Jungen missbraucht haben soll.

Im Mittelpunkt der neuen Vorwürfe aus den USA steht der 1998 gestorbene Priester Lawrence Murphy, der von 1950 bis 1974 in einer Schule für gehörlose Kinder gearbeitet hatte. 1996 habe Kardinal Ratzinger auf Briefe des damaligen Erzbischofs von Milwaukee, Rembert G. Weakland, nicht geantwortet, hatte die "New York Times" berichtet.

Der Orden der Legionäre Christi gab am Freitag den sexuellen Missbrauch an Seminaristen durch ihren Ordensgründer offiziell zu und entschuldigte sich bei den Opfern. "Wir drücken allen durch die Taten unseres Gründers Geschädigten unseren tiefsten Schmerz und unser Bedauern aus und bitten um Vergebung", hieß es in einer in Rom veröffentlichten Erklärung des Ordens. Erst eine vatikanische Untersuchung habe die Taten ihres 2008 gestorbenen Gründers, Marcial Maciel Degollado, ans Licht gebracht, hieß es weiter.

Missbrauchsfälle auch in Schleswig-Holstein?

In katholischen Einrichtungen in Schleswig-Holstein gab es möglicherweise auch Missbrauchsfälle. In einem Kinderheim in Bad Oldesloe und einem Schullandheim in Neubörnsen im Kreis Herzogtum Lauenburg sollen in den 1950er und 60er Jahren Zöglinge von Geistlichen sexuell missbraucht worden sein. "Wir haben die Vorwürfe zur Prüfung an die Lübecker Staatsanwaltschaft weitergeleitet", sagte der Sprecher des Erzbistums Hamburg, Manfred Nielen am Freitag und bestätigte damit eine Meldung der "Lübecker Nachrichten" vom selben Tag.

Auch beim renommierten Windsbacher Knabenchor wurden in früheren Jahrzehnten Schüler geschlagen und misshandelt. "Wir bedauern dies zutiefst, entschuldigen uns und bitten um Vergebung", sagte der Internatsleiter, Pfarrer Thomas Miederer, am Freitag im bayerischen Windsbach. Die Vorfälle bei dem evangelischen Chor spielten sich von den 1950er bis Ende der 1970er Jahre ab. So seien Schüler von einem früheren Direktor hinter verschlossener Türe mit Peitsche und Rohrstock geprügelt worden. "Es gab massive Grenzüberschreitungen", sagte Miederer. Was nicht verjährt sei, werde der Staatsanwaltschaft übergeben.

Krisensitzung in der Odenwaldschule

Bei der Krisensitzung der von Missbrauchsfällen erschütterten Odenwaldschule im südhessischen Heppenheim wird es an diesem Samstag keine Neuwahlen geben. Dies teilte die scheidende Vorsitzende des Vorstandes, Sabine Richter-Ellermann, mit. Es sei nicht möglich gewesen, hierfür die in der Satzung vorgeschriebene Frist einzuhalten. Neue Vorstände sollen zu einem späteren Zeitpunkt bestimmt werden. An der bekannten Reformschule sind vor drei Wochen lange zurückliegende Übergriffe in größerem Ausmaß bekanntgeworden. Die Schule spricht von 33 Betroffenen in den Jahren von 1966 bis 1991. Acht frühere Lehrer werden beschuldigt.

dpa