Alles bleibt anders: Die Kirche als Dauerbaustelle

Baustelle in einer Kirche in Berlin-Spandau 1996
Foto: epd-bild/Paul Langrock
Die Kirche der Reformation ist eine Baustelle - niemand weiß, welches Baumaterial das beste ist und was jemals aus der Kirche wird.
Alles bleibt anders: Die Kirche als Dauerbaustelle
Beim EKD-Zukunftsforum im Ruhrgebiet galt: Erst der Auftrag, dann die Struktur
Drei Tage lang haben Superintendentinnenen, Dekane, Pröpstinnen und Ehrenamtliche der mittleren Ebene aus allen Landeskirchen beim EKD-Zukunftsforum über die Kirche von morgen nachgedacht. Fazit: Bevor die Kirche sich verändert, muss sie sich auf Gottes Wort besinnen. Erst der Auftrag – dann die Struktur.

Es war wie ein kleiner Kirchentag: Workshops, Vorträge und Diskussionen an verschiedenen Orten im Ruhrgebiet. Aber nein, etwas war anders… die Teilnehmenden wirkten sehr nachdenklich, ruhig und konzentriert, und sie kamen nicht so bunt daher wie ein Kirchentag: Die meisten Männer trugen grauen Anzug und Krawatte, die Frauen (deutlich in der Minderheit) bunte Schals zum Hosenanzug. Eine Art seriöser Kirchentag. Rund 800 Leitende der mittleren Ebene wurden von der EKD erst einmal verwöhnt: Mit hochkarätigen Rednern (Joachim Gauck, Margot Käßmann), einem stimmungsvollen Showprogramm am Freitagabend und ständig und überall Catering. "Wertschätzung und Oase" nannte das Pfarrer und Synodalassessor Rüdiger Penczek aus Köln, "was ja auch mal schön ist – ich hab' das genossen".

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"Transformation" war die große Überschrift über diesem EKD-Zukunftsforum: Die Kirche verändert sich, weil die Zeiten sich ändern. Immer wieder müssen neue Formen gesucht werden, um Gemeinschaft zu leben und Gottes Wort zu verkündigen. "Veränderungen gehören zu unserem genetischen Code", sagte der Ratsvorsitzende der EKD, Nikolaus Schneider, zu Beginn. Aktuelle Baustellen sind vor allem der Bevölkerungsrückgang und die kaum berechenbare Finanzausstattung der Kirche in der Zukunft. Gemeinden, Kirchenkreise und Dekanate werden sich äußerlich transformieren – und dabei kommt es für die Akteure darauf an, immer vom Auftrag her zu denken.

Schneider erinnerte im Gottesdienst sehr klar und eindeutig daran, worin der Auftrag gründet: in Gottes Wort. Und zwar immer – ob sich die Kirche in einer Notsituation befindet wie vor 80 Jahren, als die Barmer Theologische Erklärung formuliert wurde, oder ob wir das Jahr 2014 schreiben und die Kirchenkreise sich mit Personalmangel und Gemeindefusionen herumplagen müssen. "Gottes Wort bleibt in Ewigkeit" (Jesaja 40,8 und 1. Petrus 1,25), es schenke "Verlässlichkeit und dauerhaften Halt", sagte Schneider. Und mit dem Wort bleibt – bei allen Veränderungen – der Auftrag bestehen, "die Botschaft von der freien Gnade Gottes auszurichten an alles Volk" (aus These VI der Barmer Theologischen Erklärung). Mit den Thesen von Barmen und Schneiders Predigt war ein Grund gelegt für drei Tage kollegiale Beratungen über die Zukunft der Kirche.

Die Gemeinde im Dorf lassen

Aber natürlich wurde nicht nur genossen und beraten, sondern auch malocht, unter anderem in umgebauten Kohlepott-Industrieanlagen wie der Zeche Zollverein in Essen, der Kokerei Hansa in Dortmund oder der Heinrichshütte in Hattingen. Solche Tagungsorte sollten eine Parallele zu den Transformationen in der Ruhrpott-Wirtschaft ziehen, die zwar weh taten, aber am Ende zu etwas Gutem führten: Aus Halden sind Parks geworden, aus Industriehallen Kulturstätten. Zwischen rostigem Stahl und frischem Kaffee machte Norbert Ständike, ehrenamtlicher Präses der Synode des Kirchenkreises Cottbus (EKBO), die Entdeckung, dass in anderen Kirchenkreisen in Sachen Transformation "gleiche Probleme existieren wie bei uns auch": weniger Kirchenmitglieder, bald auch weniger Pfarrer, weniger Interesse an Glaube und Kirche. Schon die Gemeinsamkeiten zu erkennen "ist ermutigend gewesen", fand der Synodenpräses.

Eröffnungsgottesdienst am Donnerstag in Wuppertal

Die Leitenden der mittleren Ebene sind diejenigen, die in den Gemeinden schwierige Veränderungen umsetzen müssen, zum Beispiel Fusionen. Das Forum war auch dazu gedacht, dass sie voneinander abgucken, denn "nicht jeder Fehler muss von jedem neu gemacht werden", meinte EKD-Synoden-Vizepräses Günther Beckstein. Ein Fehler sei zum Beispiel gewesen, dass Fusionen unter finanziellem Druck "zu schnell" durchgedrückt wurden, sagte Michael Ahme, Personalreferent in der Nordkirche, im Workshop "Alternativen zur Fusion von Kirchengemeinden". Die Kirchenkreise Lüchow-Dannenberg (Hannoversche Landeskirche) und Wittstock-Ruppin (EKBO), beide dünn besiedelt, haben unabhängig voneinander denselben Weg gefunden: Sie ließen den Gemeinden in den Dörfern ihre Eigenständigkeit, schlossen sie aber zu größeren Verbänden zusammen. Dadurch muss keine Gemeinde Angst haben, aufgegeben zu werden oder ihr Profil zu verlieren.

Stattdessen bündeln sie Aufgaben – nicht jede kleine Gemeinde muss zum Beispiel eine Konfi-Arbeit für eine Handvoll Jugendliche leisten. Durch die Zusammenarbeit würden Pfarrer entlastet und die Teamarbeit gestärkt, sagte Matthias Puppe, Superintendent aus Wittstock-Ruppin. Und sein Kollege Propst Stephan Wichert-von Holten aus Lüchow-Dannenberg ergänzte, die selbständige Arbeit der Teams in den Region funktioniere, weil es zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen eine "Gemeinschaft auf Augenhöhe" gebe.

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Oft würden Pfarrer allerdings die Zulassung von Ehrenamt als "Verlust ihrer persönlichen Führung" betrachten, erläuterte der Politologe und Publizist Henning von Vieregge im Ehrenamts-Workshop. Simon Schilling, ehrenamtliches Mitglied im Kreissynodalvorstand des Kirchenkreises an Sieg und Rhein (EKiR), meinte: "Hauptamtliche müssen lernen, mehr zu delegieren, so viel wie möglich abzugeben." Auch hier gilt: Erst der Auftrag – dann die Struktur. Denn offenbar funktioniert es immer schlechter, Menschen für die Mitarbeit in Gremien zu gewinnen. Schillings Ansatz: Angebote schaffen, zum Beispiel für die mittlere Altersgruppe, die neben Beruf und Kindern wenig Zeit hat. Wenn die Menschen erstmal in der Kirche sind, arbeiten sie auch mit – da, wo sie "einen Nutzen davon haben", sagte Schilling.

Noch grundsätzlicher drückte es Propst Wichert-von Holten aus. Die Christen in den Dörfern fragten zuerst: "Wozu in Christi Namen bin ich hier vor Ort gut?" Je nach Antwort organisiere sich die Gemeinde. "Wir verändern Strukturen nach Inhalten und Aufträgen."

Immer zuerst zuhören

Das Zukunftsforum war ein schönes Beispiel dafür, wie Haupt- und Ehrenamtliche, Theologen und Laien gleichermaßen qualifiziert über Fusionen, Personalrahmenplanung und Finanzen fachsimpeln können. Dass Fachsimpeln allein aber nicht genügt, war und ist dabei allen bewusst: "Ich glaube, die Transformation, die wir bewirken wollen, fängt damit an, dass wir hörende Subjekte sind", sagte der Kölner Pfarrer und Synodalassessor Rüdiger Penczek und beklagte einen "Mangel an Ritualen und Glaubenspraxis" auch bei Kirchenmitarbeitenden.

Erst der Auftrag – dann die Struktur: Das gilt auch ganz praktisch für die Beratungen in der mittleren Leitungsebene. Insea Eggert, ehrenamtliches Mitglied im Kirchenkreisrat von Rendsburg-Eckernförde (Nordkirche) berichtete von ihren Sitzungen: "Wir beginnen immer mit einer Andacht. Und wenn man jahrelang dabei ist und immer erst das Wort hört und dann handelt, dann prägt das auf die Dauer."

Und trotzdem: Ob bei den Transformationen am Ende etwas Vernünftiges herauskommt, weiß niemand. Die westfälische Präses Annette Kurschus malte in ihrem geistlichen Wort das Bild von der Kirche als Baustelle, auf der die Bauleute keine Ahnung haben, mit was sie eigentlich bauen: mit Heu, Holz, Stroh, Gold, Silber, Papier (1. Brief an die Korinther 3, Verse 11-13) – sie bauen quasi blind. Das Gebäude ist wacklig, die Baustelle auf Dauer eingerichtet. Erst am "Tag des Gerichts" (Paulus) wird das Ergebnis sichtbar. Bis dahin ist nur eins wichtig: Dass auf den von Gott gelegten Grund gebaut wird, nämlich auf Jesus Christus. Kurschus' Schlussandacht mit dem zwar blinden, aber sehr zuversichtlichen Ausblick in die Zukunft traf damit den Kern der Anfangspredigt von Nikolaus Schneider: "Jesus Christus ist für uns das eine Wort Gottes, aus dem unsere Kirche lebt und Zukunft gestaltet."