Demokratie-Verein sieht Nachholbedarf bei Volksentscheiden

Demokratie-Verein sieht Nachholbedarf bei Volksentscheiden
In zehn deutschen Bundesländern gab es noch nie einen Volksentscheid. Deutschland hat viel Nachholbedarf bei der direkten Demokratie. Der Verein "Mehr Demokratie" möchte das ändern. Berlin könnte als Vorbild dienen.
21.04.2014
epd
Jens Büttner

Deutschland hat nach Expertenmeinung bei der Mitwirkung der Bürger an politischen Entscheidungen weiterhin Nachholbedarf. Zwar sei die bevorstehende Abstimmung zum Tempelhofer Feld am 25. Mai in Berlin der mittlerweile 22. Volksentscheid auf Länderebene, sagte der Vorstandssprecher des Vereins Mehr Demokratie, Ralf-Uwe Beck, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Jedoch verteilten sich diese nunmehr 22 Volksentscheide auf lediglich sechs der 16 deutschen Bundesländer.

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In zehn Bundesländern habe noch nie ein Volksentscheid stattgefunden, kritisierte Beck. Hinzu komme, dass Deutschland das einzige Land in der Europäischen Union sei, in dem seit 1945 noch nie auf nationaler Ebene ein Volksentscheid durchgeführt wurde. Auch in der neuen großen Koalition sei wegen der Verweigerung der Union hierzu kaum eine Änderung zu erwarten, kritisierte der Vorstandssprecher von Mehr Demokratie.

Spitzenreiter unter den Bundesländern sind nach Becks Angaben Hamburg mit sieben sowie Bayern mit sechs und Berlin mit fünf Volksentscheiden. Außerdem kommen Schleswig-Holstein auf zwei und Sachsen und Sachsen-Anhalt auf je einen Volksentscheid. Auf den unteren Plätzen im bundesweiten Ranking stünden derzeit Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen. Dort seien die Hürden für eine direkte Mitwirkung der Bürger an politischen Entscheidungen am höchsten, sagte Beck. Das mache sich an teilweise unüberwindbar hohen Forderungen zur Mindestzahl von Unterschriften für ein Volksbegehren oder überaus kurzen Fristen und der Pflicht zur Amtseintragung fest.

Das Volk entscheidet 2014 nur über das Tempelhofer Feld

Jedoch geht der Verein davon aus, dass die direkte Demokratie wegen weiterer Reformen in mehreren Bundesländern auf dem Vormarsch ist. Anzeichen beziehungsweise Vorhaben zu Gesetzesänderungen in diesem Bereich gebe es unter anderem bei den bisherigen "Schlusslichtern" Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen. Weiter reformiert werden soll aber auch in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Thüringen, fügte Beck hinzu. Betroffen seien jeweils die kommunale oder die Länderebene, in einigen Fällen auch beide Ebenen.

Im vergangenen Jahr habe es vor allem im lange zurückliegenden Saarland sowie auf kommunaler Ebene in Schleswig-Holstein und auch in Bremen Verbesserungen gegeben. Damit sich auch auf Bundesebene etwas in Richtung direkter Demokratie bewegt, dringe der Verein auf die Einsetzung einer Enquete-Kommission des Bundestages, fügte der Vorstandssprecher hinzu.

Der bevorstehende Volksentscheid zur künftigen Nutzung des sogenannten Tempelhofer Feldes in Berlin zeitgleich mit der Europawahl am 25. Mai wird nach Angaben des Vereins Mehr Demokratie aller Voraussicht nach der einzige Volksentscheid in Deutschland in diesem Jahr bleiben. Im vergangenen Jahr hatte es in Hamburg einen erfolgreichen Volksentscheid für die Rekommunalisierung der Energie-Versorgungsnetze gegeben. In Berlin scheiterte dagegen eine Abstimmung zum Rückkauf des Stromnetzes und der Gründung eines Stadtwerks am notwendigen Quorum.

Der Verein Mehr Demokratie setzt sich seit 25 Jahren für den Ausbau der direkten Demokratie in Deutschland ein. Der Verein hat nach eigenen Angaben bundesweit 7.000 Mitglieder.