Demokratien weltweit unter Druck

Hände recken sich zur Wahl empor vor Weltkarte
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Freie und faire Wahlen sind weltweit in Gefahr.
Studie der Bertelsmann Stiftung
Demokratien weltweit unter Druck
Autokratien sind auf dem Vormarsch. Weltweit hat sich die Lage der Demokratie laut einer Studie massiv verschlechtert. Länder wie Brasilien oder Polen zeigten jedoch, dass eine Trendumkehr möglich sei.

Die Zahl der Autokratien nimmt weiter zu: 63 Demokratien stehen zurzeit einer Mehrheit von 74 Autokratien gegenüber, wie die Bertelsmann Stiftung am Dienstag in Gütersloh bei der Vorstellung einer Studie mitteilte. Ein knappes Drittel aller untersuchten 137 Länder habe nur äußerst geringe politische Beteiligungsmöglichkeiten - ein Negativrekord seit Beginn der Untersuchungen vor 20 Jahren. Zugleich gebe es jedoch auch positive Beispiele von Ländern, bei denen die Zivilgesellschaft für den Erhalt der Demokratie gesorgt habe.

Allein in den vergangenen zwei Jahren waren laut der Studie in 25 Ländern die Wahlen weniger frei und fair. In 32 Staaten sei die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit weniger geachtet und in 39 Ländern die Meinungs- und Pressefreiheit stärker eingeschränkt worden. Am Ende einer kontinuierlichen Aushöhlung der Demokratie stehe in vielen Ländern wie Bangladesch, Mosambik oder der Türkei die autoritäre Herrschaft, erklärte die Bertelsmann Stiftung.

Zugleich gebe es jedoch auch Demokratien, die dem Druck standhielten. Die Regierungsführung in baltischen Staaten, aber auch in Taiwan, Südkorea, Costa Rica, Chile und Uruguay sorge nicht nur für gute Ergebnisse im Bildungs- und Gesundheitssystem sowie beim Lebensstandard, sondern auch für die Stärkung der Demokratie, hieß es.

Eine wichtige Bastion zur Verteidigung von Demokratie sei die Widerstandskraft der demokratischen Zivilgesellschaft. In Brasilien, Kenia und Sambia habe zivilgesellschaftlicher Nachdruck im Zusammenspiel mit Wahlbehörden korrekte Wahlen gewährleistet, heißt es in der Studie. In Polen und Sri Lanka sei erfolgreich zum Schutz bürgerlicher und sozialer Rechte mobilisiert worden. In einigen Ländern Ostmittel- und Südosteuropas wie in der Republik Moldau, Nordmazedonien, Polen, Slowenien und Tschechien oder Lateinamerikas hätten relativ freie Wahlen eine Wende eingeläutet. Das gelte auch für Brasilien, Guatemala und Honduras.

Widerstand gegen autoritäre Tendenzen sei erfolgreich, wenn sich der Druck der Straße mit der institutionalisierten Kontrolle von ungezügelter Regierungsmacht verbinde, erklärte die Bertelsmann Stiftung. Der Ausbau und Schutz dieser Kräfte und Institutionen sei das beste Mittel, um Demokratie zu stärken. Um einer Erosion der Demokratie entgegenzuwirken, brauche es Kontrollinstanzen wie Justiz, Parlament oder Medien.

Demokratiequalität und gute Regierungsführung seien eng miteinander verwoben, hieß es in der Studie. 45 desorganisierte und korrupte Regime von Kambodscha über Simbabwe bis Venezuela, die fast alle autokratisch regiert werden, bildeten die Schlusslichter auf der Skala des effizienten Regierens. Effizient geführte Autokratien blieben die Ausnahme.

Der Transformationsindex der Bertelsmann Stiftung (BTI) analysiert seit 2006 alle zwei Jahre die Qualität von Demokratie, Marktwirtschaft und Regierungsführung in 137 Entwicklungs- und Transformationsländern. Grundlage sind den Angaben zufolge mehr als 5.000 Seiten an detaillierten Länderberichten, die in Zusammenarbeit mit knapp 300 Experten führender Universitäten und Think Tanks in über 120 Ländern erstellt werden. Der aktuelle Untersuchungszeitraum erstreckt sich den Angaben zufolge vom 1. Februar 2021 bis zum 31. Januar 2023.