"Remigration" ist das Unwort des Jahres

Teilnehmer einer Mahnwache rechter Gruppen mit einem Schild "Remigration Jetzt".
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Der Ausdruck "Remigration" wird von Rechtsextremen bei einer Mahnwache für die Forderung nach Zwangsausweisungen benutzt.
Entscheidung der Jury steht
"Remigration" ist das Unwort des Jahres
Die Jury für das Unwort des Jahres prangert die Umdeutung eines Wortes aus der Migrationsforschung durch Rechtsextreme an. Die Begriffe "Sozialklimbim" und "Heizungs-Stasi" landen auf den Plätzen zwei und drei der Unwort-Liste.

Das Unwort des Jahres 2023 lautet "Remigration". Das Wort werde als "beschönigende Tarnvokabel" von rechten Parteien und rechtsextremen Gruppierungen verwendet, um damit die Zwangsausweisung bis hin zu Massendeportationen von Menschen mit Migrationsgeschichte zu fordern, sagte die Jurysprecherin der sprachkritischen Aktion, Constanze Spieß, am Montag in Marburg. Der aus der Migrationsforschung stammende Begriff, der vor allem freiwillige Formen einer Rückkehr bezeichne, werde ideologisch vereinnahmt und umgedeutet. Ziel sei die Verschleierung einer menschenunwürdigen Abschiebe- und Deportationspraxis.

Als zweites Unwort kritisierte die Jury den Begriff "Sozialklimbim". Der Ausdruck sei in der Diskussion um die Kindergrundsicherung verwendet worden und würdige einkommensschwache Personen herab. Soziale Transferleistungen, die ein Leben in Würde sichern sollen, würden als "unnützes Beiwerk oder sinnloses Getue" diffamiert. Auf Platz drei der Unwort-Liste landete der Ausdruck "Heizungs-Stasi". Das Wort diene der populistischen Stimmungsmache gegen Klimaschutzmaßnahmen, kritisierte die Jury. Das Gebäudeenergiegesetz werde als diktatorische Repression verunglimpft. Außerdem verhöhne der Begriff die Opfer der Staatssicherheit der ehemaligen DDR.

Insgesamt erhielt die Jury 2.301 Einsendungen mit 710 verschiedenen Ausdrücken. Knapp 110 von ihnen entsprachen den Unwort-Kriterien.
Die Jury will mit der jährlichen Wahl des Unworts des Jahres seit 1991 kritische Diskussionen über den öffentlichen Sprachgebrauch anregen. Sie wähle Begriffe aus, die gegen das Prinzip der Menschenwürde oder der Demokratie verstoßen, die einzelne gesellschaftliche Gruppen diskriminieren oder die beschönigend, verschleiernd oder irreführend sind, erklärte Spieß.

Der ehrenamtlichen Jury gehören neben der Vorsitzenden Spieß an: die Sprachwissenschaftler Kristin Kuck (Universität Magdeburg), Martin Reisigl (Universität Wien) und David Römer (Universität Kassel) sowie die Journalistin und Dozentin Alexandra-Katharina Kütemeyer. Sie wurden für die Wahl des Unworts 2023 durch den ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Ruprecht Polenz ergänzt.

Im vergangenen Jahr hatte die Jury mit "Klimaterroristen" einen Begriff gewählt, mit dem Aktivisten gegen die Klimaerhitzung diffamiert und kriminalisiert würden. 2021 lautete das Unwort "Pushback", das die menschenfeindliche Zurückweisung von Flüchtlingen an der EU-Grenze beschönige. 2020 gab es mit "Corona-Diktatur" und "Rückführungspatenschaften" erstmals ein Unwortpaar. Die Unwörter der Vorjahre lauteten "Klimahysterie" (2019), "Anti-Abschiebe-Industrie" (2018) und "alternative Fakten" (2017).