Koalition will Mediziner vor radikalen Abtreibungsgegnern schützen

Koalition will Mediziner vor radikalen Abtreibungsgegnern schützen
Ärztepräsident Reinhardt hat die Koalition aufgefordert, seine Kolleginnen und Kollegen vor den Bedrohungen radikaler Abtreibungsgegner zu schützen. SPD, Grüne und FDP haben das bereits vereinbart; in diesem Jahr soll das Gesetz nun kommen.

Berlin (epd). Die Ampel-Koalition will den Schutz von Ärztinnen, Ärzten und Schwangeren vor radikalen Abtreibungsgegnerinnen und -gegnern verbessern. Die frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Ulle Schauws, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), der entsprechende Gesetzentwurf werde voraussichtlich bis März in den Bundestag eingebracht. Federführend ist Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne). Im nächsten Schritt muss der Gesetzentwurf vom Kabinett beschlossen werden.

Schauws sagte, Belästigungen und Bedrohungen durch Abtreibungsgegner vor Arztpraxen, Kliniken oder Beratungsstellen seien „ein unhaltbarer Zustand“. Schwangere würden massiv in ihrer Privatsphäre verletzt. Die Zahl der Praxen, die Abbrüche vornehmen, gehe auch wegen der Gehsteigbelästigungen und Bedrohungen zurück. Sie habe sich in den vergangenen Jahren auf bundesweit 1.000 halbiert.

Zuletzt hatte der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, die Ampel-Koalition aufgefordert, den Schutz von Ärztinnen und Ärzte zu verbessern, die Abtreibungen vornehmen. Sie müssten wirksam vor Drangsalierungen, Bedrohungen und Angriffen bewahrt werden, sagte Reinhardt dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (Dienstag). Die Mediziner hätten es zum Teil mit radikal auftretenden Aktivisten zu tun, die in der Nähe von Praxen wochenlang demonstrieren, und bekämen Mails mit Beleidigungen und auch expliziten Bedrohungen. „Nötig ist, dass dies konsequenter als bisher verfolgt und auch strafrechtlich geahndet wird“, forderte Reinhardt: „Was einige Kolleginnen und Kollegen erleben, geht über das Recht auf Versammlungsfreiheit und freie Meinungsäußerung weit hinaus.“

Die Gesundheitsexpertin der FDP-Bundestagsfraktion, Christine Aschenberg-Dugnus, unterstützte den Ärztepräsidenten. Sie sagte dem epd, Reinhardts Forderungen seien „absolut nachvollziehbar“. Meinungsäußerungen müssten klar von Bedrohungen und Übergriffen abgegrenzt werden: „Hier muss konsequent gegen Störer ermittelt und notfalls Anklage erhoben werden“, verlangte Aschenberg-Dugnus.

Im Gesetzentwurf ist eine Abstandsregel von 100 Metern zu Praxen oder Eingängen von Kliniken oder Beratungsstellen vorgesehen. In diesem Bereich sollen sogenannte Gehsteigbelästigungen verboten werden. Dazu zählt, Schwangere und Mitarbeitende von Beratungsstellen, Kliniken oder Arztpraxen am Betreten der Gebäude zu hindern oder Frauen gegen ihren Willen anzusprechen, sie einzuschüchtern und von einer Abtreibung abhalten zu wollen. Nach Angaben aus Fraktionskreisen sollen Bußgelder von bis zu 5.000 Euro verhängt werden können.

Die rechtspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Sonja Eichwede und die frauenpolitische Sprecherin, Leni Breymaier, sagten dem epd, sogenannte Lebensschützerinnen und -schützer versuchten, in das Selbstbestimmungsrecht von Frauen einzugreifen und Ärztinnen, Ärzte und Beratungsstellen an ihrer Arbeit zu hindern. Das Kabinett müsse das Gesetz dagegen nun zeitnah beschließen. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast, erklärte, sie habe sich die sogenannten Mahnwachen mehrfach angeschaut: „Es ist abstoßend, wie vorgegangen wird“, erklärte sie. Man könne unterschiedlicher Auffassung sein, aber der Schutz von Ratssuchenden sei ein hohes Gut.

Abtreibungen sind im Paragrafen 218 des Strafgesetzbuches geregelt, wonach sie zwar grundsätzlich verboten sind, nach vorheriger Beratung bis zur zwölften Schwangerschaftswoche aber ohne Strafe bleiben. Die Ampel-Koalition lässt diese Regelung derzeit durch eine von ihr eingesetzte Kommission prüfen. SPD, Grüne und FDP haben außerdem vereinbart, gegen die Methoden der Lebensschützer vorzugehen: „Sogenannten Gehsteigbelästigungen von Abtreibungsgegnerinnen und Abtreibungsgegnern setzen wir wirksame gesetzliche Maßnahmen entgegen“, heißt es im Koalitionsvertrag.