Silicon Savannah: Afrika hofft auf einen Online-Boom

Foto: epd-bild/Friedrich Stark
13 Prozent der 1,1 Milliarden Afrikaner nutzen inzwischen das Internet, so wie dieser junge Mann in Südafrika. Zum Vergleich: In Europa sind es 74 Prozent.
Silicon Savannah: Afrika hofft auf einen Online-Boom
Jobsuche per Handy, E-Learning und Software made in Kenya: Auch in Afrika kündigt sich eine technologische Revolution an. Aber von einem Internet-Zugang können viele Schulen dort bis heute noch nicht einmal träumen.
09.10.2012
epd
Bettina Rühl

Von außen sieht das Gewerbegebäude an einer Ausfallstraße der kenianischen Hauptstadt Nairobi völlig unscheinbar aus. Umso größer ist die Überraschung nach dem Öffnen der schweren Eisentür in der vierten Etage: In einem lichtdurchfluteten Großraumbüro arbeiten junge Leute konzentriert an ihren Laptops. "88 Meilen pro Stunde" heißt die Initiative, die High-Tech-Firmen Kapital vermittelt und Räume überlässt.

Der Name spielt auf den Film "Zurück in die Zukunft" an. "Es handelt sich um ein Netzwerk von Mentoren, die junge Start-Up-Unternehmen fördern", erklärt Nancy Wang, 27. Die Kanadierin mit chinesischen Wurzeln hat zusammen mit einem Briten somalischer Herkunft eines der Unternehmen gegründet, die die Bürofläche nutzen: "M-Kazi", eine Arbeitsvermittlung. IT-gestützt schickt sie Job- oder Arbeitsangebote auf die Handys von Kunden, die sich wiederum per Handy bewerben können.

Enorme Wachstumsrate bei der Netznutzung

Weil es viele solcher Start-Ups gibt, bezeichnet die kenianische Regierung Nairobi gerne als "Silicon Savannah" in Anlehnung an das kalifornische Silicon Valley, das amerikanische High-Tech-Mekka. Tatsache ist: Nairobi ist einer der Schwerpunkte einer technologischen Revolution, die mit unterschiedlicher Intensität in ganz Afrika abläuft.

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Noch vor kurzem war der Kontinent in Bezug auf die Informationstechnologie praktisch abgekoppelt von der Welt. Jetzt nutzen immerhin 13 Prozent der 1,1 Milliarden Afrikaner das Internet. Relativ gesehen ist das immer noch wenig, in Europa sind es 74 Prozent. Aber die Wachstumsrate in Afrika ist enorm, noch vor wenigen Jahren waren es nur drei Prozent.

Die Grundlage für den Boom sind neun Glasfaserkabel, die den Kontinent inzwischen mit Europa verbinden. Noch vor fünf Jahren war es ein einziges. Damals konnte sich nur die absolute Elite einen Internetzugang leisten. Im westafrikanischen Sierra Leone zum Beispiel kostete eine satellitengestützte Internetverbindung mit einer Geschwindigkeit von zwei Megabit pro Sekunde 8.000 US-Dollar im Monat.

Ohne Geld wird das Netz nicht weiter ausgebaut

Dank des Glasfasernetzes sind die Preise vor allem in den Küstenländern drastisch gefallen. Aber nicht überall. Monopolisten geben den Preisverfall häufig nicht an ihre Kunden weiter. Außerdem sind die riesigen Flächenstaaten im Inneren des Kontinents wie Tschad oder Kongo nach wie vor praktisch abgekoppelt. Sahelstaaten wie Niger oder Mali haben für den Ausbau des Netzes kaum Geld. Beim Internet sind die Unterschiede auch zwischen Städten und Dörfern riesig. Während in Kenia gut 30 Prozent der Bevölkerung einen Zugang zum Internet haben, sind es im Niger oder im Kongo weniger als ein Prozent.

Nancy Wang und ihr Geschäftspartner Lino Carcoforo sind typisch für die Elite, die Afrikas IT-Revolution vorantreibt. Die beiden sind keine Informatiker, sondern junge Geschäftsleute und offen für alle Chancen, und zwar weltweit. Nach früheren Unternehmungen in Hongkong, Kanada, Somaliland und dem Südsudan entschieden sie sich für Nairobi, weil sie annehmen, dass sie im dort boomenden IT-Sektor derzeit am meisten Geld verdienen können. Die beiden haben ein Team junger Informatiker angestellt, die Programme entwickeln.

Zukunftsmodell: Laptops mit Solaranlagen

An Afrikas technologische Zukunft glaubt auch Simon Kinuthia. Der kenianische Buchhalter arbeitete 20 Jahre im Staatsdienst, bis er feststellte: "Computer machen meine Arbeit inzwischen viel besser als ich." Statt die neue Technologie als feindlich zu betrachten, beschloss er, sich eine Stück vom IT-Kuchen zu erobern. Gemeinsam mit zwei Partnern gründete er die Firma "Computer Revolution Africa" und zog mit dem jungen Unternehmen in eine Villa aus der Kolonialzeit.

Die alten Räume beherbergen nun etliche Büros, in denen die Mitarbeiter Software für Unternehmen, Banken und den Staat entwickeln.s geht um den Einstieg ins elektronische Regieren und elektronische Lernen. Allerdings ist die Vernetzung der Schulen außerhalb der Hauptstadt selbst in Kenia Zukunftsmusik.

Deshalb wirbt Kinuthia um Spender für Schulcomputer und Solaranlagen: "Wir wollen, dass innerhalb der nächsten 15 bis 20 Jahre jedes Kind einen Computer besitzt und die Möglichkeit hat, über das Internet Informationen aus der ganzen Welt zu bekommen."