Einmischen gegen Verschwörungstheorien

Podium "Wahrheit. Macht. Politik." auf dem Kirchentag
© epd-bild/Tim Wegner
Mitunter heftige Diskussionen auf dem Podium "Wahrheit. Macht. Politik." Mit Stefan Niggemeier, Gründer und Herausgeber Übermedien; Melanie Amann, Der Spiegel; Michael Kretschmer, Ministerpräsident von Dresden; Moderation Martin Schmidt; Moderation Christiane Grefe; Nikolaus Schneider, Präses i. R., ehem. Ratsvorsitzender Ev. Kirche in Deutschland (EKD); Uschi Jonas, Recherchezentrum Correctiv-Faktencheck (v. l. n. r.).
Diskussion auf dem Kirchentag
Einmischen gegen Verschwörungstheorien
Der ehemalige Ratsvorsitzende der EKD, Nikolaus Schneider hat die Kirchentagsbesucher aufgefordert, auch mit Menschen außerhalb ihrer eigenen Filterblase auf Social Media zu kommunizieren. "Wir brauchen ein Mindestmaß an Austausch. Wenn das nicht mehr funktioniert, bricht eine Gesellschaft zusammen", sagte er auf dem Kirchentag. Auf dem Podium diskutierte er mit Journalisten wie man Fake News und Verschwörungsmythen eindämmen kann, weil sie die Demokratie gefährden können.

Wenn sich immer mehr Fake News ausbreiten, dann verunsichert das viele, sagte Nikolaus Schneider. Bald machten sich dann viele nicht mehr die Mühe sich eine eigene Meinung zu bilden. Das aber öffne die Türen für Propaganda und Diktatur. Der Wahrheit kann man sich laut Schneider immer nur annähern durch Diskussion. Nur Diktatoren sagten, sie hätten die Wahrheit, da gebe es keine Diskussion mehr. Das unterstrich der frühere EKD-Ratsvorsitzende auf der Podiumsdiskussion mit dem Titel "Wahrheit. Macht. Politik -Verschwörung, Fake News, Lobbyismus: Demokratie in Gefahr?"

Auf dem Podium berichteten außerdem mehrere Journalist:innen, welche Gefahr sie durch die Verbreitung von Fake News in den Social Media und anderen Internetplattformen sehen. Uschi Jonas vom Recherchezentrum Correctiv-Faktencheck sagte, dass Desinformationen auf Twitter inzwischen gar nicht mehr geahndet werden. Es sei schon immer schwierig gewesen. Man müsse grundsätzlich kritischer auf Meldungen in den sozialen Medien schauen. Auf den Wahrheitsgehalt könne man nicht vertrauen, schon weil allein die Absender nicht echt sein müssen. Correctiv mache auf Social Media Faktenchecks und veröffentlicht seine Recherchen auf seiner Website. Man könne dem Portal auch auf Verdacht Meldungen für den Faktencheck schicken.

Spätestens nach 14 Tagen sei der Faktencheck abgeschlossen und auf ihrer Homepage einzusehen. Dann sei zwar die Fake-Meldung schon viral gegangen, aber immerhin könne man mit Fakten zur Aufklärung dagegenhalten. Beispielsweise kursierte offenbar von Klimawandelleugnern ein Foto, das die Freiheitsstatue in New York heute und vor hundert Jahren zeigte. Mit der Anmerkung, dass es keinen Anstieg des Meeresspiegels gäbe, weil der Pegelstand immer noch gleiche sei. Der Faktencheck von Correctiv hätte ergeben, dass es dort auch Flut und Ebbe gebe. Damit waren die Fotos als Beweis nicht brauchbar.

Grundsätzlich gibt es ein Problem, wenn die gemeinsame Wissensbasis in einer Gesellschaft verschwindet. Weil etwa immer weniger Menschen Zeitung läsen oder Öffentlich-rechtlichen Rundfunk hörten. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer sieht das als Problem für den Erhalt der Demokratie. Er sagte: "Wir brauchen den Öffentlich-rechtlichen Rundfunk! Der ist verlässlich und total wichtig." Man möge nur in Länder schauen, in denen es nur private Medien gebe. Er schätze auch die Idee, Presseverlage zu unterstützen. Nur die Umsetzung sei ihm nicht klar. 

Das Publikum wollte in der Diskussion wissen, wie man mit Verschwörungsanhängern umgehen soll. Soll man auch Corona-Leugner in eine Talkshow einladen? Während Ministerpräsident Kretschmer glaubte, dass man gut vorbereitet, so einen Corona-Leugner gut entlarven könne, war die Spiegel-Journalistin Melanie Aman da anderer Meinung. Ihrer Erfahrung nach könne auch ein Fakten-Check die Verschwörungsmythen-Anhänger nicht überzeugen. Kretschmer verwies auf ein eigenes Gespräch mit einem bekannten Arzt und Corona-Leugner. Am Ende sei von dessen Expertise nichts mehr übriggeblieben. Seiner Meinung nach sei das deren Geschäftsmodell, Corona-Kritik zu äußern. "Die surfen auf einer Welle dagegen". 

Das Resümee am Ende der Diskussion, ob die Fake News künftig zum Schutz der Demokratie eingedämmt werden können, fiel gemischt aus. Zwar sprachen sich alle Podiumsteilnehmer dafür aus, weiterzumachen, aufzuklären mit Faktenchecks und mit allen Meinungsgruppen auch menschlich im Gespräch zu bleiben. Doch es bleibe ein mühsames Geschäft. Und ab zu müsse auch eine Grenze gezogen werden, sagte die Rechercheurin Jonas von Correctiv.