Politologe Münkler verurteilt Friedensmanifest

Die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht und die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer
© dpa/Rolf Vennenbernd
Die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht und die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer fordern in ihrem "Manifest" die Waffenlieferungen an die Ukraine zu stoppen. Russland überzieht die Ukraine seit einem Jahr mit einem Krieg. Mit den Waffen konnte sich das Land bisher verteidigen. Doch es drohe eine weitere Eskalation in Richtung Weltkrieg befürchten die Initiatorinnen.
Idee des Pazifismus verraten
Politologe Münkler verurteilt Friedensmanifest
Der Berliner Politologe Herfried Münkler hat den von der Publizistin Alice Schwarzer und der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht initiierten Friedensaufruf als "gewissenloses Manifest" verurteilt. Schwarzer, Wagenknecht und die Unterzeichnenden des Aufrufs, der von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den Stopp der "Eskalation der Waffenlieferungen" an die Ukraine und eine "starke Allianz für Friedensverhandlungen" fordert, "betreiben mit kenntnislosem Dahergerede Putins Geschäft", sagte der emeritierte Professor der Berliner Humboldt-Universität dem "Kölner Stadt-Anzeiger".

Münkler wirft Schwarzer und Wagenknecht vor, mit ihrem "Manifest für Frieden" die gesamte Idee des Pazifismus und das Grundanliegen der Friedensbewegung bloßzustellen. "Wer das Wort Frieden nicht bloß für eine beliebige Wünsch-dir-was-Vokabel hält, muss dem mit Entschiedenheit entgegentreten."

Die Idee des Pazifismus, wie sie seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts in internationale Vertragssysteme überführt worden sei, beruhe auf dem Verbot des Angriffskriegs, erklärte Münkler. Die Verteidigung gegen einen Aggressor bleibe selbstverständlich zulässig. "Das Manifest aber nivelliert fortgesetzt die Kategorien von Angriff und Verteidigung. Pazifismus ist dann nicht anderes als Unterwerfungsbereitschaft", betonte er. Das sei er aber nie gewesen, "und was wir in diesem Papier vorgeführt bekommen, ist das Ende einer politisch ernstzunehmenden Friedensbewegung".

Manifest nivelliere die Kategorien von Angriff und Verteidigung

Hätte es in Deutschland etwas mehr vergleichende Kriegsforschung gegeben, käme man womöglich nicht zu der schlichten Alternative "Krieg oder Diplomatie", wie das Manifest sie aufmache, gibt Münkler zu bedenken. In der gesamten Kriegsgeschichte der vergangenen 400 Jahre hätten parallel zu dem Kriegsgeschehen auf dem Schlachtfeld stets Verhandlungen stattgefunden. Auch im Ukraine-Krieg wurde und werde verhandelt, wie etwa beim Abkommen über Getreidelieferungen

Auch in der Beschreibung des Kriegsgeschehens sei das Manifest verlogen, kritisierte Münkler. Der Politikwissenschaftler nannte als ein Beispiel die Passivkonstruktion zu Anfang des Manifests mit der Formulierung "Frauen wurden vergewaltigt". "Als ob unklar wäre, wer diese abscheulichen Verbrechen begangen hat", kritisierte Münkler. Das Manifest sage eben nicht klar, dass die russische Armee in die Ukraine eingefallen sei. Das Manifest "ist beschönigend, verlogen und geht gewissermaßen eine Komplizenschaft mit dem Aggressor ein".

Unterdessen hat sich der frühere Bundeswehr-General Erich Vad dem Manifest angeschlossen. Vad warnt vor der Gefahr eines Weltkriegs, sollten der Ukraine weiter schwere Waffen und etwa Kampfjets geliefert werden. "Es kann in dieser Lage keine militärische Lösung herbeigeführt werden", sagte Vad im NDR Info-Radio: "Es ist zwar sinnvoll, die Ukraine zu stabilisieren, aber im Moment eskalieren wir weiter, ohne die Situation zu ändern." Vad unterstützt die Online-Petition der Journalistin Alice Schwarzer und der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht.

Im sogenannten "Manifest für den Frieden" wird Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) aufgefordert, sich für Verhandlungen einzusetzen und die Waffenlieferungen zu stoppen. Die am Freitag gestartete Petition hat den Streit um Waffenlieferungen an die Ukraine am Wochenende neu entfacht.

Zu den Erstunterzeichnern des Manifests zählt die frühere EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann. Zu den Kritikern des Manifests zählt die Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne).