Das Ziel vor Augen und im Herzen

Mann blickt nach vorn
© Getty Images/iStockphoto/electravk
Wenn man ein Ziel erreichen will, sollte man es im Blick behalten. Das schrieb schon Paulus, und Frank Muchlinsky stimmt ihm in seiner Zuversichtsmail zu.
Zuversichtsbrief, Woche 95
Das Ziel vor Augen und im Herzen
Wenn man ein Ziel erreichen will, sollte man es im Blick behalten. Das schrieb schon Paulus, und Frank Muchlinsky stimmt ihm zu.

Ich möchte nicht behaupten, dass ich das alles schon erreicht habe oder bereits am Ziel bin. Aber ich laufe auf das Ziel zu, um es zu ergreifen. Denn ich bin ja auch von Christus Jesus ergriffen. Brüder und Schwestern, ich bilde mir wirklich nicht ein, dass ich es schon geschafft habe. Aber ich tue eines: Ich vergesse, was hinter mir liegt. Und ich strecke mich nach dem aus, was vor mir liegt. Ich laufe auf das Ziel zu, um den Siegespreis zu gewinnen: die Teilhabe an der himmlischen Welt, zu der Gott uns durch Christus Jesus berufen hat.

Philipper 3,12–14 in der Übersetzung der Basisbibel, hier vorgelesen von Helge Heynold

Liebe Dauerläuferinnen, liebe Dauerläufer,

die Weihnachtsetappe ist nah. Schwierig wird es wieder werden, eingeschränkt und ein wenig verhalten. Ich hoffe, Sie bleiben trotzdem weithin unverdrossen und freuen sich auf die Feiertage. Als ich eben anfing, an Sie zu schreiben, fiel mir auf, dass dies bereits der 95. Zuversichtsbrief ist. Im Laufe der vielen Monate, die die Pandemie mittlerweile andauert, habe ich mir immer wieder vorgestellt, wann es denn wohl Zeit werden würde, mit den wöchentlichen Briefen aufzuhören. Es gab schließlich Zeiten, in denen wir hoffen konnten, die Pandemie in den Griff zu bekommen. Ich habe es mir schön vorgestellt, nach 95 Briefen aufzuhören. 95 Thesen, 95 Briefe – eine fein protestantische Zahl. Nun, mitten in der vierten Welle, wird mir wieder einmal deutlich, dass das Rennen noch nicht gelaufen ist, das Ziel ist noch nicht erreicht.

In dieser Situation hilft mir der Text aus dem Philipperbrief. Paulus schreibt hier ebenfalls von einem Ziel, das gleichzeitig greifbar und unerreichbar zu sein scheint. Paulus will ein durch und durch christliches Leben führen. Das ist für ihn zur einzig denkbaren Weise geworden, sein Leben zu führen. Ich stelle mir seine Sehnsucht mindestens so intensiv vor wie unseren Wunsch nach einem Leben, in dem wir einander ohne Einschränkungen begegnen können. Paulus will dieses Leben nicht nur für sich selbst, sondern für alle Christinnen und Christen, am besten für alle Menschen. Aber natürlich kennt er die Hindernisse auf seinem Weg ebenso wie die Umwege.

Dann nutzt er das Bild von einer Art Wettlauf, an dessen Ende ein kostbarer Preis winkt: "Ich laufe auf das Ziel zu, um es zu ergreifen", schreibt er, und kurz darauf noch einmal: "Ich laufe auf das Ziel zu, um den Siegespreis zu gewinnen." Der Preis, den Paulus an der Ziellinie winken sieht, ist das ewige Leben, "die Teilhabe an der himmlischen Welt". Das Ziel ist für Paulus ähnlich weit entfernt wie für uns das Ende der Pandemie. Es ist nicht greifbar, und dennoch streckt Paulus sich nach ihm aus. Darin steckt mehr als Beharrlichkeit. Paulus ist vollkommen fokussiert auf dieses Ziel. Er weigert sich zurückzublicken. "Ich vergesse, was hinter mir liegt", schreibt er. Das ist bei einem langen Weg eine kluge Sache. Anstatt sich darüber zu ärgern, was alles schiefgelaufen ist auf der Reise hin zu dem Ziel, bleibt das Ziel selbst im Blick. Sich selbst oder anderen Vorwürfe zu machen, ist reine Energieverschwendung, wenn man ans Ziel gelangen will.

Wohlgemerkt, es geht nicht darum, dass Paulus sich weigert, aus Fehlern zu lernen, aber lieber am Ende einer Sackgasse erkennen, dass man umkehren muss und bei der nächsten Abbiegung besser aufpassen, anstatt kräftezehrenden Streit zu suchen. Im Falle von Paulus sind es die immer wieder aufflammenden Kämpfe darum, wo jemand herkommen muss, um richtig christlich zu sein. "Habt nicht die Vergangenheit im Blick, sondern das Ziel!"

Und noch etwas wird deutlich: Paulus zieht seine Kraft für den langen Lauf aus dem Ziel selbst. Es ist, als ob er bereits etwas von seinem Siegespreis in der Hand hält oder vielmehr im Herzen. Er will nicht nur das Ziel ergreifen, er schreibt: "Ich bin ja auch von Christus Jesus ergriffen." Das ist ein Gedanke, der das Christentum seit jeher prägt: Wir sind noch nicht am Ziel, aber das Ziel hat uns bereits erreicht. Es ist das, was wir immer wieder feiern: Wir können nicht zu Gott gelangen, darum kommt Gott zu uns und geht mit uns bis zum endgültigen Ziel.

So können wir auch weiter durch die Pandemie gehen: das Ziel vor uns im Blick und bereits in unseren Herzen. Denn es geht uns doch um die Freiheit zusammenzukommen! Lassen wir uns ergreifen von der Erkenntnis, dass wir ein gemeinsames Ziel haben. Wer das erkennt, wird die eigene Kraft nicht damit verschwenden, gegen Maßnahmen zu demonstrieren, die helfen, Infektionen zu vermeiden. Wer das erkennt, wird seine Zeit nicht damit verschwenden, Witze über Impfgegner zu machen oder der Politik ihr Versagen vorzurechnen. Wer das Ziel vor sich und im Herzen hat, wird einfach tun, was uns näher ans Ziel bringt.

Darum lautet die Aufgabe für diese Woche: Nehmen Sie das Ende der Pandemie als Ziel in Ihren Blick und in Ihr Herz, nicht das Ende der Beschränkungen, sondern die Erlösung der Welt von Corona. Ich bin sicher, Ihnen fällt etwas ein, was Sie dafür tun können, dass wir dieses Ziel erreichen.

Alles Liebe für Sie!

Ihr Frank Muchlinsky