Weniger private Überschuldung trotz Corona-Krise

Weniger private Überschuldung trotz Corona-Krise
Schuldenatlas: Staatliche Leistungen in der Pandemie haben geholfen
Die Verschuldung der Verbraucher ist trotz Corona-Pandemie stark zurückgegangen. Eine Entwarnung bedeutet das nach Ansicht von Finanzexperten nicht: Die Folgen der Pandemie könnten sich zeitverzögert bei den Privathaushalten niederschlagen.

Neuss (epd). Trotz der Corona-Pandemie hat die Zahl der überschuldeten Verbraucher in Deutschland im Jahr 2021 einen Tiefststand erreicht: Es sind so wenige wie noch nie seit Beginn der Auswertungen 2004. Das geht aus dem am Mittwoch vorgestellten Schuldneratlas der Firma Creditreform Wirtschaftsforschung in Neuss hervor. Demnach hat sich die Zahl überschuldeter Privatpersonen gegenüber dem Vorjahr um rund 700.000 Fälle auf 6,16 Millionen verringert - ein Minus von rund zehn Prozent.

3,08 Millionen Haushalte gelten damit als überschuldet und nachhaltig zahlungsgestört. Die Überschuldungsquote, also der Anteil überschuldeter Personen im Verhältnis zu allen Erwachsenen in Deutschland, sank den Angaben zufolge um mehr als einen Prozentpunkt auf 8,86 Prozent und ist damit erstmals unter die Neun-Prozent Marke gefallen.

Von einem „Überschuldungs-Paradoxon“, sprach Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Wirtschaftsforschung bei Creditreform, angesichts der positiven Zahlen während der lang anhaltenden Corona-Lage. Bereits im vergangenen Jahr habe sich die Situation erstaunlich positiv entwickelt. Staatliche Leistungen in der Pandemie, insbesondere das Kurzarbeitergeld und die Überbrückungshilfen, hätten die Wirtschaft gestützt und stabilisiert und Insolvenzen verhindert, sagte Hantzsch. „Wir sind noch in der Subventionsblase drin“, fügte er hinzu.

Die Folgen der Corona-Pandemie seien bei der Überschuldung jedoch nicht akut spürbar, sondern würden zeitverzögert und mit Langzeitwirkung auftreten. „Megatrends wie gestörte Lieferketten, steigende Energiepreise und anhaltende Inflation wirken erst auf die Wirtschaft und dann auf die Geldbeutel der Verbraucher“, erläuterte Hantzsch. Zudem seien angesichts der unklaren Lage viele Verbraucher vorsichtig mit Ausgaben und zurückhaltend im Konsum. Dadurch hätten Privathaushalte mehr als 200 Milliarden Euro zusätzlich seit Anfang 2020 angehäuft.

„Die aktuellen Zahlen zeigen uns einen positiven Gesamttrend auf fast allen Ebenen“, sagte Stephan Vila, Geschäftsführer von Creditreform Boniversum und microm. Überschuldungsquoten und -fälle würden bei Männern und Frauen sowie in fast allen Altersgruppen sinken. Eine Entwarnung bedeute das aber nicht: „Zwar sinkt die direkte Betroffenheit von Unternehmen und Verbrauchern durch die Corona-Verordnung weiter, derzeit sind aber immer noch 32 Prozent oder rund 13,5 Millionen Haushalte von Einbußen beim Haushaltsnettoeinkommen betroffen.“

Nach Einschätzung von Michael Goy-Yun bleibt Altersarmut ein Thema. Der Geschäftsführer von Creditreform Boniversum und microm berichtete, dass die 60- bis 69-Jährigen 2021 als einzige Altersgruppe einen Anstieg der Überschuldungsfälle und -quote zeigten. Derzeit seien 769.000 Überschuldungsfälle in diesem Alterssegment zu verzeichnen - ein Zuwachs von 44.000 Fällen oder sechs Prozent.