7 Wochen Ohne, Woche 2: "Die Wahrheit erkennen"

© 7 Wochen Ohne/Anna-Kristina Bauer
7 Wochen Ohne, Woche 2: "Die Wahrheit erkennen"
Das Motto der evangelischen Fastenaktion "7 Wochen Ohne" lautet dieses Jahr: "Mal ehrlich! Sieben Wochen ohne Lügen". In der zweiten Woche "Lügenfasten" geht es um den Baum der Erkenntnis und darum, warum man von ihm essen sollte.

Und die Schlange war listiger als alle Tiere auf dem Felde, die Gott der HERR gemacht hatte, und sprach zu der Frau: Ja, sollte Gott gesagt haben: Ihr sollt nicht essen von allen Bäumen im Garten? Da sprach die Frau zu der Schlange: Wir essen von den Früchten der Bäume im Garten; aber von den Früchten des Baumes mitten im Garten hat Gott gesagt: Esset nicht davon, rühret sie auch nicht an, dass ihr nicht sterbet!
Da sprach die Schlange zur Frau: Ihr werdet keineswegs des Todes sterben, sondern Gott weiß: an dem Tage, da ihr davon esst, werden eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist. Und die Frau sah, dass von dem Baum gut zu essen wäre und dass er eine Lust für die Augen wäre und verlockend, weil er klug machte. Und sie nahm von seiner Frucht und aß und gab ihrem Mann, der bei ihr war, auch davon und er aß. Da wurden ihnen beiden die Augen aufgetan und sie wurden gewahr, dass sie nackt waren, und flochten Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze. (Gen 3,1-7)

Liebe Mitfastende,

die erste Woche Lügenfasten liegt hinter uns. Vielleicht sind Sie schon sensibel geworden für die Momente, in denen Ihnen eine Lüge auf der Zunge liegt. Vielleicht haben Sie schon ein- oder zweimal der Bequemlichkeit widerstanden, die die Lüge mit sich gebracht hätte? Wie auch immer Ihr persönlicher Start war, ich wünsche Ihnen, dass Sie weiterhin Lust haben, gemeinsam nach der Wahrheit zu suchen, sie zu erkennen und etwas aus ihr zu machen.

In dem Bibeltext für diese Woche geht es um genau diesen Moment bei der Suche nach der Wahrheit. Es geht um den Augenblick der Erkenntnis. Die ausgesuchte Textstelle mit dem Baum der Erkenntnis ist sehr bekannt. Leider wird sie immer noch der "Sündenfall" genannt, dabei kommt das Wort Sünde überhaupt nicht vor. Es ist, wenn man genau hinschaut, die Geschichte von zwei Menschen, die neugierig auf die Wahrheit sind. Es ist den Menschen von Gott verboten worden, vom Baum der Erkenntnis zu essen. Der Mensch soll in seinem paradiesischen Garten leben, sich um die Bäume kümmern und von fast allen essen. Wie lange das gutgeht, schreibt die Bibel nicht. Aber sie erzählt von dem Moment, an dem der Wunsch nach Klugheit und Erkenntnis schwerer wiegt als das Verbot.

Die Geschichte von der Frau und der Schlange und dem Mann und dem Baum lässt viele Fragen offen, und also lässt sie viele Möglichkeiten der Interpretation zu. Eine besonders spannende Frage ist meiner Meinung nach: Was verspricht sich die Frau von dieser Klugheit, die der Baum verheißt? Welche Erkenntnis hätte sie gern? Welche Wahrheit würde sie gern aufdecken? Will sie einfach klug werden, um so einen Vorsprung vor dem Mann zu haben? Das ist eher unwahrscheinlich, denn schließlich gibt sie ihm etwas von der Frucht ab. Will sie vielleicht herausbekommen, ob nun Gott oder die Schlange recht hat: Was wird passieren, wenn sie diese Frucht isst? Oder möchte sie wissen, was dieses Verbot überhaupt soll? Warum Gott einen verbotenen Baum ausgerechnet in die Mitte des Gartens pflanzt?

Was auch immer hinter dem Wunsch steckte, klug zu werden, die beiden Menschen essen von der Frucht, und die Wirkung setzt ein. Sie entdecken, dass sie nackt sind. Das kann man für eine große Enttäuschung halten, aber diese Erkenntnis hat eine Menge Folgen. Nackt sein bedeutet schutzlos sein. Nackt sein bedeutet, dass sie zum ersten Mal ihre Unterschiede erkennen. Mit einem Mal sind sie sich darüber im Klaren, dass sie Individuen sind und ein Gegenüber haben. Dass die beiden später aus dem Garten geworfen werden, ist nur die logische Weiterführung dieses Moments. Wahrheiten zu erkennen kann bedeuten, aus der Komfortzone katapultiert zu werden. Wer naiv im kleinen Garten lebt, den interessiert nicht, was woanders vor sich geht. Die Mauern, die den Garten umgeben, sind für ihn kein Käfig, sondern ein Schutz. Doch in dem Moment, in dem sich der Blick weitet, ändert sich das alles.

Hat es sich also gelohnt, sich der Erkenntnis der Wahrheit zu stellen? Oder wäre es tatsächlich besser für die beiden gewesen, in ihrer kindlichen Naivität zu verharren? Ich möchte heute eine Lanze brechen für Eva und Adam und sagen: "Danke, dass ihr euch für die Wahrheit entschieden habt! Ihr habt es möglich gemacht, dass wir Menschen uns nicht nur um uns selbst kümmern. Ihr seid die Ersten gewesen, die neugierig genug waren, erwachsen zu werden und zu erkennen, dass die Wahrheit Konsequenzen hat, die ihr tragen müsst und auch tragen könnt. Ihr hab euch getraut, danach zu fragen, was hinter der Gartenmauer ist, und schließlich habt ihr euch dem gestellt, was da draußen vor sich geht."

Für unser Lügenfasten kann diese Geschichte eine gute Anregung sein. Häufig lügen wir nicht böswillig, sondern richten uns in unseren kleinen paradiesischen Gärten ein und meinen, das sei alles, was existiert. Wir ahnen, dass es mehr gibt, aber wir trauen uns nicht, von der "Frucht der Erkenntnis" zu essen, weil wir die Konsequenzen fürchten. Etwas zu ignorieren, ist auch eine Lüge. Nutzen Sie doch diese Fastenzeit dafür, die Neugier siegen zu lassen. Verlassen Sie in dieser Woche einmal ganz absichtlich Ihre bekannten Wege. Gehen Sie einen Umweg auf Ihrem Weg nach Hause. Biegen Sie in eine Straße ein, in der Sie noch niemals waren! Oder sprechen Sie einen Menschen an, mit dem Sie bisher noch nicht geredet haben! Verlassen Sie absichtlich Ihre Komfortzone und stellen Sie sich der Tatsache, dass es mehr gibt als Ihre kleine Welt. Wie immer gilt auch hier: Passen Sie auf, dass es Ihnen gut dabei geht. Machen Sie sich keinen Druck, besonders ungewöhnliche oder gar gefährliche Pfade zu betreten. Es geht lediglich darum, Ihrer Neugier Raum zu geben und bereit für das zu sein, was Sie umgibt.

Ich wünsche Ihnen eine spannende Woche!

Ihr Frank Muchlinsky