Luther nutzte verbale Attacken als Stilmittel

Luther nutzte verbale Attacken als Stilmittel
Der Schriftsteller Feridun Zaimoglu hält Martin Luther (1483-1546) für einen "wortgewaltigen Gottesmann", der bewusst verbale Attacken als Stilmittel benutzte. Der Kirchenreformator habe begriffen: "Man braucht das Rabiate und das Ruppige", sagte Zaimoglu der Berliner "tageszeitung" (Dienstag). Der Kieler Autor äußerte sich anlässlich seines neu erschienenen Luther-Romans "Evangelio" (Kiepenheuer & Witsch).

Luther sei ein Stubengelehrter gewesen, "der hinausgeht und den einfachen Menschen, den Angehörigen verschiedener Zünfte, den Handwerkern Worte ablauscht und sie als passend für die Übersetzungen erfindet", sagte Zaimoglu. Insofern sei der Reformator "ein genialer Verdolmetscher" gewesen.

Zugleich wirke Luther heute oft befremdlich. Zaimoglu verwies auf Schriften, in denen Luther die Juden verunglimpfte oder die "Römlinge" sowie den Papst beschimpfte. "Das Widerwärtige machte auch nicht Halt vor den Frauen", erklärte der Autor. "Jede Frau, die um die Wirkung von Heilkräutern wusste oder sich die Frömmigkeitsdiktatur verbat oder ein bisschen Lebenslust an den Tag legte, wurde als Hexe denunziert", sagte Zaimoglu der "tageszeitung".

Mit Blick auf das 500. Reformationsjubiläum, das die evangelische Kirche in diesem Jahr feiert, äußerte der Schriftsteller Verwunderung: "Ich bin etwas verblüfft darüber, wie man im Jubiläumsjahr Luther und seine Zeit aufbereitet." Es sei nicht nur so, "dass man da kleine Playmobilfiguren hinstellt, es ist auch so, dass man den guten, etwas geschwollenen Luther, den späten Luther aufbläst, und ihn sich zurechtmacht, als sei er unser Zeitgenosse". Es sei nicht dagegen einzuwenden, ein Jubiläum zu feiern. Der Autor kritisierte jedoch: "Je weniger man den eigentümlichen Luther meint, desto besser scheint es den Feiernden zu gehen."