Erdogans Beschwerde im Fall Böhmermann als unbegründet abgewiesen

Erdogans Beschwerde im Fall Böhmermann als unbegründet abgewiesen
Die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz hat dem türkischen Staatschef eine weitere Niederlage beschert. Seine Beschwerde gegen die Einstellung der Ermittlungen in der Böhmermann-Affäre wurde abgewiesen. Ausgeschöpft ist der Rechtsweg damit noch nicht.

Koblenz (epd). Die Beschwerde des türkischen Staatschefs Recep Tayyip Erdogan gegen die Verfahrenseinstellung im Fall Böhmermann ist als unbegründet abgewiesen worden. Die zu klärenden rechtlichen Fragen seien von der Mainzer Staatsanwaltschaft "im Ergebnis zutreffend und im Einklang mit der Rechtsprechung beantwortet" worden, teilte die Generalstaatsanwaltschaft in Koblenz am Freitag mit. Bei Böhmermanns "Schmähgedicht" habe ein "sachlicher Bezug" zum damals öffentlich diskutierten Umgang Erdogans mit der Meinungs- und Kunstfreiheit in der Türkei vorgelegen.

Damit ist der Rechtsweg für Erdogan noch nicht komplett ausgereizt. Es bleibe die Möglichkeit, die erfolglose Beschwerde über ein Klageerzwingungsverfahren vor dem rheinland-pfälzischen Oberlandesgericht anzufechten, sagte Generalstaatsanwalt Jürgen Brauer dem Evangelischen Pressedienst (epd). Außerdem verhandelt das Landgericht Hamburg am 2. November eine private Unterlassungsklage des türkischen Präsidenten gegen den ZDF-Moderator Jan Böhmermann.

Kontext zu beachten

In einem ausführlichen 20-seitigen Schreiben begründete Generalstaatsanwalt Brauer, warum auch er in Böhmermanns Gedicht keinen Fall von strafbarer Majestätsbeleidigung sieht und einer Anklage nur geringe Erfolgschancen eingeräumt hätte: Es sei "unzulässig, sich bei der Beurteilung der Darbietung auf den Wortlaut der Gedichtverse zu beschränken, ohne den Gesamtkontext, in den sie gestellt wurden, zu berücksichtigen". Damit eine strafbare Beleidigung vorliege, müsse die Diffamierung der angegangenen Person im Vordergrund stehen.

Erdogan habe selbst zuerst "mit drastischen Mitteln" auf einen von der Meinungs- und Kunstfreiheit gedeckten Beitrag reagiert, als die Türkei wegen eines Satirebeitrags der NDR-Sendung "extra 3" unter anderem den deutschen Botschafter einbestellte. Zwar sei Böhmermann von der Auseinandersetzung um das Erdogan-Spottlied der Kollegen nicht direkt betroffen gewesen, doch "durfte er sich als Ausübender der tangierten Kunstgattung betroffen fühlen". Nach eigenen Angaben habe der Moderator danach zeigen wollen, dass der türkische Präsident mit seinem Vorgehen gegen "extra 3" eine Grenze überschritten hatte.

Die Staatsanwaltschaft könne diese Absicht nicht widerlegen und daher auch nicht nachweisen, dass Böhmermann den türkischen Präsidenten durch die im "Schmähgedicht" beschriebenen sexuellen Praktiken und abwertenden Bezeichnungen als Person diffamieren wollte. Zugunsten von Böhmermann sprächen auch dessen mehrfache Hinweise auf den Satirecharakter seiner Sendung und der Umstand, dass die Aussagen über Erdogan erkennbar nicht ernst gemeint waren.

DJV: Entscheidung erwartungsgemäß

"Tatsächlich ist der Text des 'Gedichts' von einer Reihe offensichtlicher Unsinnigkeiten und völlig übersteigerter Absurditäten gekennzeichnet", heißt es in der Begründung der Generalstaatsanwaltschaft weiter. Für den Vorwurf der Volksverhetzung gebe es ebenfalls keine hinreichenden Belege. Erdogan werde nicht kritisiert, weil er Türke oder Moslem sei, sondern allein wegen seiner Haltung zu Grundfreiheiten.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) nannte die Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz "erwartungsgemäß". DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall erklärte, der türkische Präsident "sollte seine Energie nicht weiter auf aussichtslose juristische Auseinandersetzungen verwenden, sondern sich stattdessen mit der gleichen Vehemenz um die Wiederherstellung der Pressefreiheit in seinem Land bemühen".

Gegenstand des mehrmonatigen Streits ist ein Beitrag aus Jan Böhmermanns ZDF-Sendung "Neo Magazin Royale" von Ende März. Ein Ermittlungsverfahren gegen den Moderator hatte die Staatsanwaltschaft Mainz Anfang Oktober eingestellt.