Weltverfolgungsindex 2016: Gewalt gegen Christen nimmt zu

Ein Kreuz hängt in einem Stacheldrahtzaun nahe des Imjinkak Pavillon in Südkorea, sieben Kilometer entfernt von der Grenze zu Nordkorea.
Foto: Reuters/Lee Jae Won
Ein Kreuz hängt in einem Stacheldrahtzaun nahe des Imjinkak Pavillon in Südkorea, sieben Kilometer entfernt von der Grenze zu Nordkorea.
Weltverfolgungsindex 2016: Gewalt gegen Christen nimmt zu
Zahl der Morde fast verdoppelt
Das Hilfswerk Open Doors konstatiert in seinem jährlichen Bericht eine "Intensivierung der Christenverfolgung". Vor allem der islamische Extremismus ist dabei die Triebfeder. Am schlechtesten ist die Situation der Christen jedoch weiter in Nordkorea. Es schätzt, dass angesichts der jüngsten "enorm temporeichen Entwicklung" weit mehr als 100 Millionen christliche Gläubige verfolgt werden.
13.01.2016
dpa, epd, evangelisch.de

Verfolgung, Zwangsarbeit und Folter: In keinem Land der Erde werden Christen wegen ihres Glaubens laut einer Studie stärker verfolgt als in Nordkorea. Im Weltverfolgungsindex 2016 des christlichen Hilfswerks Open Doors belegt das Land bereits im 14. Jahr hintereinander den Spitzenplatz. Pakistan rückt von Rang acht auf sechs, Eritrea sogar von Rang neun auf drei. Libyen gehört zum ersten Mal zu den ersten zehn Ländern des Index.

Insgesamt habe sich die Zahl der wegen ihres Glaubens ermordeten Christen und der attackierten oder zerstörten Kirchen seit dem Vorjahr in etwa verdoppelt. Open Doors zählt dabei nach eigener Aussage jeweils nur die aus Glaubensgründen belegten Taten, die der Organisation gemeldet wurden - also etwa nicht zwingend Kriegsopfer in Syrien. Im Berichtszeitraum 2015 wurden demnach 4344 Christen ermordet und sowie 1062 Kirchen angegriffen. Im Berichtszeitraum 2016 waren es 7100 ermordete Christen und 2406 attackierte Kirchen.

Im Weltverfolgungsindex der überkonfessionellen Organisation werden die 50 Länder aufgeführt, in denen Christen aufgrund ihres Glaubens am stärksten verfolgt und benachteiligt werden. Insgesamt setzt sich Open Doors in rund 60 Ländern für verfolgte Christen ein. In Nordkorea hat Diktator Kim Jong Un sein System zum Aufspüren von Christen weiter verstärkt, wie das Hilfswerk erklärte. Auch die Fluchtmöglichkeiten nach China seien durch zusätzliches Militär und Schutzzäune eingedämmt worden. "Zehntausende Christen, ganze Familien, befinden sich in den grausamen Arbeitslagern. Viele sterben an Folter, Unterernährung oder den Folgen der Zwangsarbeit", heißt es in dem Bericht.

In 35 der 50 Länder des Weltverfolgungsindex sei der islamische Extremismus die Haupttriebkraft der Verfolgung von Christen. Großen Anteil daran hätten islamistische Gruppen wie Boko Haram, Al-Shabaab und die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). "Christen sind die größte verfolgte Glaubensgemeinschaft weltweit", erklärte Markus Rode, Leiter von Open Doors Deutschland. "Angesichts eines Exodus von Christen aus dem Nahen Osten und einer Verfolgung im Stil ethnischer Säuberung, die auch auf Afrika übergreift, müssen Politiker und Kirchen ihre Anstrengungen zum Schutz und zur Unterstützung verfolgter Christen deutlich verstärken", appellierte Rode.

Der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Volker Kauder, sagte, der Bericht von Open Doors müsse aufrütteln. "Deutschland und Europa, aber auch die gesamte Weltgemeinschaft müssen noch stärker als bisher den wachsenden religiösen Fanatismus ächten", forderte er. Dabei müssten alle Staaten, Kirchen und alle friedliebenden Religionsgemeinschaften zusammenstehen, um die Religionsfreiheit generell zu verteidigen.

"Weit mehr als 100 Millionen christliche Gläubige werden verfolgt"

Das christliche Hilfswerk schätzt, dass angesichts der jüngsten "enorm temporeichen Entwicklung" weit mehr als 100 Millionen christliche Gläubige verfolgt werden. Sorgen bereite besonders der Exodus der Christen aus Syrien und dem Irak, wo vor allem die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) die Existenz der Glaubensgemeinschaften bedrohe, sagte Open-Doors-Analyst Thomas Müller der Tageszeitung "Die Welt" (Mittwochsausgabe).

Dort, wo Christen vertrieben würden, gehe "eine Epoche zu Ende", sagte Müller. In der vom IS beherrschten irakischen Stadt Mossul gebe es erstmals seit 1.600 Jahren keinen christlichen Gottesdienst mehr. Im Irak ist laut Open Doors die Anzahl der Christen von 1,1 Millionen beim Einmarsch der USA 2003 auf heute unter 300.000 gesunken. In Syrien sank sie demnach von 1,7 Millionen vor dem Beginn des Aufstandes gegen Präsident Baschar al-Assad und dem folgenden Bürgerkrieg auf heute deutlich unter einer Million.

Gewalt gegen Christen nehme auch in manchen nicht-muslimischen Ländern zu, hieß es. Es habe in diesem Jahr "buddhistische Mobs" gegen Christen in Sri Lanka gegeben, ebenso in Myanmar. "In Indien schürt die hindu-nationalistische Regierung Spannungen gegen Muslime und Christen", sagte Müller.

Zweifel an den Zahlen vom Weltverfolgungsindex

Das christliche Hilfswerk Open Doors unterstützt eigenen Angaben zufolge verfolgte Christen in etwa 60 Ländern weltweit. Die Organisation bezeichnet sich als überkonfessionell, steht aber der evangelikalen Deutschen Evangelischen Allianz nah.

Die Zahlen zur "Christenverfolgung", mit denen Open Doors arbeitet, werden von manchen Fachleuten angezweifelt. Denn nicht alle Verbrechen an Christen seien religiös motiviert. Und manches Mal werde der Begriff "Christenverfolgung" verwendet, um politische Motive für Mord und Totschlag zu verdecken.