Wie die Diakonie mit einem Nazi-Shitstorm fertig wurde

Wolke in Form eines "Dislike"-Zeichens
Foto: Getty Images/iStockphoto/rafal_olechowski
Wie die Diakonie mit einem Nazi-Shitstorm fertig wurde
Ein Video der Diakonie Deutschland über eine Solidaritätsaktion für Flüchtlinge wurde auf Facebook übel kommentiert. Online-Manager Stephan Röger bat Kollegen um Rat und Hilfe - mit Erfolg.

So etwas hat Diakonie-Online-Manager Stephan Röger noch nicht erlebt: Ein harmloses Video über eine Solidaritäts-Aktion für Flüchtlinge hat seit vergangenem Mittwoch einen rechtsradikalen Shitstorm ausgelöst, der für die Diakonie-Pressestelle kaum zu bewältigen war. Verschiedene rechte Foren hatten das Video geteilt und von ihren Anhängern kommentieren lassen, "das ist am Donnerstag und Freitag quasi explodiert", erzählt Stephan Röger. Auch auf der Pressekonferenz mit den anderen Verbänden, die die Armband-Aktion mittragen, sei am Freitag über die "Hasswelle auf unserer Facebookseite" gesprochen worden. Stefan Röger begann, Kommentare zu löschen, zu sichern, bei Facebook zu melden. In einigen Fällen, wenn er Beleidigung, Diffamierung und Verunglimpfung erkannte, hat der Online-Manager sogar Anzeige bei der Berliner Internetpolizeiwache erstattet. "Wir rechnen nicht damit, dass es was bringt, aber dass es registriert wird", erklärt er.

Doch irgendwann kam der Online-Manager nicht mehr nach. Er war allein, Kollegen der Pressestelle im Urlaub oder auf Dienstreise – die Arbeit auf Facebook erfordere bei solchen Shitstorms eigentlich eine volle Stelle, schätzt Röger. Deswegen bat er Kollegen um Hilfe – per Facebook: "Liebe Leute, wir erleben gerade seit 3 Tagen eine Welle von Schmäh-, Hetz- und Beschimpfungs-Kommentaren auf unserer FB-Seite Diakonie Deutschland zum Thema Flüchtlinge", schrieb er am Freitag, dem 16. Oktober, und fragte: "Wie reagieren?" Am Schluss seines Eintrages formuliert Röger schon versteckt einen Appell: "Leider traut sich offensichtlich keiner mehr, da gegen zu halten. Dass es positive Stimmen gibt, die für eine Willkommenskultur eintreten, wissen wir aus anderen Zusammenhängen. Für Unterstützung, Tipps (…) sind wir dankbar."

"Wir unterstützen euch"

Wie sollen Administratoren mit Trollen und Hass-Kommentieren umgehen? Der Social-Media-Manager der "Welt", Martin Hoffmann, hat in einem Artikel für die Fachzeitschrift "Journalist" (8/2015) "8 Dinge, die man über Trolle wissen muss" aufgeschrieben. Manche seiner Empfehlungen sind im Fall von rechtsradikalen Äußerungen möglicherweise zu schwach oder unangemessen (den Troll anrufen, mit Humor reagieren), andere verstehen sich von selbst ("Null-Toleranz-Strategie" und "direkt sperren"). Bei unüberblickbar großen Shitstorms rät Martin Hoffmann zu technischen Hilfen wie Wortfiltern und Spamfiltern. Hartnäckige Einzelkommentierer rufe die "Welt" auch einfach mal an, damit sie sich "erwischt" fühlen, manche ließen sich auch durch die Präsentation von Fakten zur Ruhe bringen (bis hin dazu, das sich einmal ein Troll für falsche Behauptungen entschuldigte). Auf keinen Fall jedoch, schreibt Martin Hoffmann, solle sich Community-Manager "auf einen öffentlichen Zweikampf mit einem Troll" einlassen.

Besser ist es, mehrere Leute zu aktivieren, damit sie den Hasskommentaren gemeinsam begegnen. So hatte es sich Diakonie-Online-Manager Stephan Röger instinktiv schon überlegt, als er seinen Hilferuf postete. "Die Nutzer müssen merken, dass auf der anderen Seite des WLANs auch Menschen sitzen", schreibt "Welt"-Social-Media-Manager Hoffmann in seinem Artikel. "Schon bevor eine Situation in den Kommentaren eskalieren kann, grätschen wir dazwischen." Präsenz zeigen und klar Stellung beziehen – das hat letztendlich auch im Fall des Diakonie-Videos die beste Wirkung erzielt. Eine ganze Reihe von Kolleginnen und Kollegen "aus dem evangelischen und katholischen Bereich" haben sich bei Stefan Röger gemeldet – per Mail, Anruf oder direkt auf Faceboook – und gesagt: "Wir unterstützen euch."

Die Mitglieder der Facebook-Gruppe "Kirche und Social Media" posteten unter den Aufruf von Stephan Röger unter anderem: "Ich schreibe gerne ein paar Kommentare gegen die Schmäher und Schimpfer. Solche Gedanken dürfen nicht unwidersprochen bleiben!" – Es ist jetzt sehr wichtig, sich nicht einschüchtern zu lassen." –  "Lasst die Populisten und die Faschisten nicht unwidersprochen. Argumentiert mit denen, die ernsthafte Argumente bringen. Redet, redet, redet. Das sind die 'Waffen' der Demokratie…" – "Ihr habt viele Menschen und die Bibel auf Eurer Seite." – " Sagt Bescheid, wenn ihr Hilfe braucht. Auf Zeit können sich sicher einige als Admin einschalten."

Viele haben sich tatsächlich direkt in den Hass-Shitstorm eingeklinkt und ihre Posts dort abgesetzt. "Das war eine supergroße Hilfe und zeigt mir, wie man an der Stelle auch gemeinsam zusammensteht und gemeinsam diesem ganzen Mob begegnen kann", freut sich Stephan Röger. "Wir überlassen dieser Truppe nicht die Meinungshoheit!" Und das Angebot, der Diakonie-Pressestelle zu helfen, will er gern annehmen: Sollte ein ähnlicher Shitstorm wie am vergangenen Donnerstag und Freitag noch einmal aufziehen, will Stephan Röger Kollegen bitten, ihm auch beim Lesen, Administrieren und Löschen der Kommentare zu helfen.