In die Kirche mit Colt und Bibel

Eine Waffe liegt auf einer Bibel.
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Mehr Sicherheit in der Kirche durch Waffen? Das klingt in den USA nicht ganz so exotisch wie in Deutschland.
In die Kirche mit Colt und Bibel
Der Anschlag von Charleston löst eine neue Debatte über Schutz von Gotteshäusern in den USA aus: Nach dem Mord an neun afro-amerikanischen Kirchgängern sorgen sich Gemeinden vermehrt um die Sicherheit im Gotteshaus. Mancherorts greifen Pastoren zum Revolver und nehmen Schießunterricht.

"Im Namen Jesu Christi, Friede sei mit Dir", grüßt Geof Peabody. Der Waffenexperte aus dem kalifornischen Placerville ist von der Debatte über Schutz durch Waffen in Kirchen nicht überrascht. Seit zehn Jahren arbeite er mit Pastoren. Auf seinem Trainingsplatz habe er bereits rund 450 Geistliche im Gebrauch von Schusswaffen unterrichtet. Gerade hätten 55 Pastoren seinen Kurs abgeschlossen und das Schießen mit Handfeuerwaffen gelernt.

Peabody lobt: Immer mehr Pastoren wollten "den Kopf nicht länger in den Sand stecken", sondern ihre Kirche aktiv schützen. Kirchen seien nicht immun gegen Gewalt und Kriminalität. Peabody ist ein Laienprediger der mehrere Tausend Mitglieder zählenden "Green Valley Community Church" in Placerville. Die unabhängige Kirche helfe vielen Menschen in Not, die unter "großem Stress stehen", sagt Peabody. Das berge Risiken.

USA: 200 Millionen Schusswaffen in Privathänden

"Knarren in der Kirche" klingt in den USA nicht ganz so exotisch wie in Deutschland. Weit mehr als 200 Millionen Schusswaffen sind in den USA in Privathänden. In einem Drittel aller Haushalte gebe es Pistolen, Revolver oder Gewehre, ermittelte das Pew-Forschungsinstitut 2013. Etwa 60 Prozent der Besitzer sind weiße Männer.

Das Thema "Sicherheit in Gotteshäusern" kommt alle paar Jahre hoch, meistens dann, wenn Kirchen oder Zentren anderer Religionen angegriffen wurden. 2007 erschoss ein Täter zwei Menschen in einer Ausbildungsstätte für Missionare in Arvada in Colorado und zwei Menschen in der nahe liegenden New-Life-Kirche. 2008 wurden zwei Menschen in der "Unitarian Universalist Church" in Knoxville in Tennessee erschossen, angeblich aus Protest gegen die "liberale Lehre" der Gemeinde.

Ein Rechtsextremist ermordete 2012 sechs Menschen im Sikh-Tempel in Oak Creek in Wisconsin. Zwei Jahre später fielen drei Menschen in einem jüdischen Zentrum in Kansas einem Neonazi zum Opfer. Und ein weißer Extremist sitzt nun als mutmaßlicher Täter in Untersuchungshaft nach dem Mord an den neun Kirchenmitgliedern in Charleston in South Carolina am 17. Juni.

Laut dem Informationsdienst "Religion News Service" hat die Bluttat afro-amerikanische Kirchen zu vorbeugenden Sicherheitsmaßnahmen angespornt, darunter Überwachungskameras. Das Massaker habe gezeigt, dass man auch in Betracht ziehen müsse, "dass Fremde Schlechtes im Sinn haben" können, so die Vorsitzende des "Nationalen Netzwerks afro-amerikanischer Geistlicher", Barbara Williams-Skinner.

Der Sicherheitsexperte Glen Evans arbeitet mit dem Verband "Church Security Alliance" in Dayton im Bundesstaat Ohio. Er helfe Gemeinden bei der Sicherheitsplanung, sagt er. Kirchen seien leichte Ziele für Einbruch und Diebstahl, und manchmal auch für Gewalttaten. Anlass für sein Engagement war der Mord an dem Baptistenpastor Fred Winters in Maryville in Illinois vor sechs Jahren. Ein laut Gericht psychisch gestörter Mann erschoss ihn mitten in seiner Predigt.

Kirchen: unterschiedliche Ansichten zu Waffen

Kirchen hätten sehr unterschiedliche Ansichten zu Schusswaffen, sagt Evans. Manche lehnten den Einsatz grundsätzlich ab. Schusswaffen in Händen von unausgebildeten Menschen könnten ohnehin mehr Schaden anrichten als Gutes tun. Doch Kirchen müssten planen für Notfälle. Das US-Ministerium für Heimatschutz hat 2013 Leitlinien veröffentlicht. Die Behörde empfahl Glaubensgemeinschaften, Notfallpläne zu entwickeln und Übungen abzuhalten. Jede Gemeinde müsse selber bestimmen, wie sie es mit Schusswaffen halte, heißt es.

Glen Peabody ist offenbar theologisch mit sich im Reinen: Seine Webseite ist voller Bibelstellen, die Selbstverteidigung rechtfertigen sollen. So ermahnt im Lukasevangelium (Kapitel 22, Vers 36) Jesus die Jünger, ein Schwert zu kaufen. Doch er zeigt sich auch erleichtert: Glücklicherweise habe noch kein von ihm ausgebildeter Pastor eine Schusswaffe einsetzen müssen.

Was bewaffneter Schutz von Gotteshäusern bewirken kann, zeigt nach Ansicht der Befürworter der Anschlag auf die New-Life-Kirche 2007: Dort schoss eine Sicherheitsfrau auf den Täter und verwundete ihn, bevor er nach vier Toten weitere Menschen ins Visier nehmen konnte. Der 24-Jährige tötete sich dann selbst.