Gorleben-Bilanz der Seelsorger: "Knapp vorbei an wunderbar"

Gorleben-Bilanz der Seelsorger: "Knapp vorbei an wunderbar"
"Wir haben Demonstranten und Polizisten miteinander lächeln sehen. Beim Wegtragen!" Stefan Wichert-von-Holten, der Probst des evangelischen Kirchenkreises Lüchow-Dannenberg, zieht nach dem Einsatz beim Castor-Transport eine ausgesprochen positive Bilanz. 72 Seelsorger waren von Freitag bis Dienstag im Einsatz.
09.11.2010
Von Anne Kampf

Ihre Aufgabe: Die Lage beobachten, für Demonstranten und Polizisten ansprechbar sein und eingreifen, wenn Gewalt angewandt wird. Bei der Auflösung einer Sitzblockade in Gorleben gab es laut Wichert-von-Holten an einer Stelle "eine Unverhältnismäßigkeit der Polizei", die sei aber sofort erkannt worden. Bei der Räumung der Gleise in Harlingen baten Demonstranten die Seelsorger, als "Gesprächsbrücke" zur Polizei zu fungieren, "die Polizisten waren übermüdet und heilfroh über diesen Gesprächsfaden", freut sich der Probst.

Die Pfarrer, Diakone und Ehrenamtlichen in ihren weißen Westen mit der Aufschrift "Seelsorger" hätten wie ein "kleiner Taschenspiegel" gewirkt: Sie wurden von beiden Seiten angesprochen mit der Frage: "Was beobachten Sie gerade? Hier gibt es eine Überforderung!" Die Rückmeldung der Seelsorger sei dann erstaunlich schnell umgesetzt worden.

Probst: "Politik ist eine Zumutung"

In vielen Situationen hätten sich Demonstranten und Polizisten beieinander bedankt, so Wichert-von-Holten. "Die Polizei hatte Respekt vor den Demonstranten. Wir wissen aus den Gesprächen, dass das absolute Gros der Polizei die Meinung der Demonstranten teilt. Sie waren erstaunt über die Menge der Menschen und über die Art und Weise der Demo." Die Polizei habe Friedlichkeit erlebt, das selbst durch Friedenswillen eingelöst und insgesamt einen sehr guten Dienst gemacht, lobt der Probst die Beamten. Sehr vieles sei erstaunlich gut verlaufen, so wie er es vorher nicht angenommen habe.

Wichert-von-Holten ist froh darüber, dass die Seelsorger zum Erfolg der Protestaktionen beitragen konnten. Es sei nicht nur Stimmung, sondern qualifizierte Meinung an die Öffentlichkeit gebracht worden. Inhaltlich steht die evangelische Kirche im Wendland auf der Seite der Castor-Gegner: "Die Nachvollziehbarkeit der Politik ist momentan eine schwerwiegende Herausforderung. Um nicht zu sagen eine Zumutung", sagt der Probst. Niemand habe Verständnis dafür, dass alternativlos nur in Gorleben ein Endlager-Standort erforscht werden soll.


Anne Kampf ist Redakteurin bei evangelisch.de.