Glückwünsche für die Tonne!

Glückwünsche für die Tonne!
Dieser Tage ist das Misstrauen in die Politik sehr stark: "Wissen die überhaupt noch, was die machen?“ Schon irgendwie traurig, wie dieses Corona es schafft, einige Menschen scheinbar völlig abzuspalten: "Covidioten“ vs. "Schlafschafe“

Das Ganze schaukelt sich hoch. Es schwelt in Familien, im Freundeskreis, manchmal am Arbeitsplatz. Auf einmal sind da Menschen, die ich schon ewig kenne, die jetzt etwas von Weltverschwörungen schreiben. Ich lese das und weiß: Da kommen wir so schnell nicht raus. Misstrauen, das erstmal da ist, verschwindet nicht. Es wächst und trennt.

Ich weiß das, weil ich selber misstraue und gelernt habe, dass Misstrauen wichtig sein kann.

Und das hinterlässt Spuren. Weil mein Vertrauen schon einmal enttäuscht wurde, misstraue ich heute schneller und nächstes Mal noch schneller. Kürzlich bekam ich per Mail Glückwünsche zur Geburt meiner Tochter von einer Person, die ich nicht kenne. Eigentlich schön, aber dann stand da auch das in der Mail:

"Ich möchte Euch gerne etwas schenken, und da Häkeln nicht so mein Ding ist, wollte ich fragen, ob ich Euch Geld schenken kann? Es soll aber wirklich für Euch sein, nicht für euer Projekt.“

Bei mir schrillten gleich alle Alarmglocken. Hier will mir jemand ans Bein pinkeln. Will mich diskreditieren, denn natürlich darf ich kein Geld annehmen. Auf keinen Fall! Pastor*innen dürfen das aus gutem Grund nicht, wir sollen uns durch unsere Arbeit nicht bereichern. Ich schrieb also natürlich freundlich ablehnend zurück, aber ärgerte mich den Rest des Tages über diesen dummdreisten Versuch, mir eine Falle zu stellen. Es war für mich absolut deutlich, dass dies kein ehrlicher Glückwunsch ist, sondern nur ein mieser Test.

Wie schnell Misstrauen geht, weiß ich also. Es gäbe da ja diese winzig kleine Möglichkeit, dass es ein ernstes Anliegen war. Dass jemand einfach etwas Gutes tun wollte. Das ist unwahrscheinlich, denke ich auch jetzt noch. Aber theoretisch ist doch alles möglich. Warum sollte es also nicht möglich sein, dass mir jemand -unwissend, dass es verboten ist- finanziell eine Freude machen will? Ich hätte ja das Gute zumindest in Erwägung ziehen können. Aber Misstrauen tötet das Gute.

So ist das bei Demonstrationen und in unserem Posteingang. Misstrauen zerstört Beziehungen, bevor sie entstehen. Deswegen werden die "Covidioten“ und die "Schlafschafe“ auch nicht einfach durch Argumente wieder zusammenfinden. Misstrauen sitzt tiefer, im Bauchraum! Und da ist mehr Platz als im Kopf.

Dagegen angehen kann man sich vornehmen, aber was wäre dann das Ziel? Einfach allem vertrauen, was uns so unter die Nase kommt und jedem glauben? Blinde Naivität statt sorgsames Abwägen? Soll ich wirklich allen alles glauben? Das ist nicht meins! Ich könnte das nicht und will es auch gar nicht, denn natürlich gibt es Menschen, die es nicht einfach gut meinen. Stattdessen will ich aber zumindest Misstrauens freie Orte haben. Begegnungen erleben, wo nur Vertrauen ist. Vielleicht wirkt das und strahlt etwas aus auf das andere und auf meine Mails.

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