Warum feiern deutsche Christen den Darwin-Tag nicht?

Warum feiern deutsche Christen den Darwin-Tag nicht?

Weitgehend unbemerkt vorübergegangen ist der vielleicht höchste atheistische Feiertag: Darwin Day am 12. Februar, der Tag, an dem Charles Darwin 1809 geboren wurde. Schade, dass die Kirche in Deutschland nicht mitmacht.

Kaum einer dürfte hierzulande davon Notiz genommen haben - nur "Spiegel Online" brachte anlässlich des Darwin Day einen Artikel. In dem Text von Frank Patalong wird allerdings wieder mal nur die Kontroverse zwischen Wissenschaftsanhängern und "religiösen Fundamentalisten", speziell "den" Evangelikalen, beleuchtet. "Fisch frisst Fisch", ist der Artikel überschrieben – eine Anspielung auf das christliche Ichthys-Symbol und antichristliche Verballhornungen davon, siehe Bild. Dementsprechend kommen in dem "Spiegel Online"-Artikel praktisch nur die Scharfmacher auf beiden Seiten zu Wort, beispielsweise die Gruppierung Antitheismus.de, selbsternannte "Seite gegen den religiösen Wahn", die in einer Pressemitteilung behauptet: "Gläubige wehren sich heute wie damals gegen die Realität". Immerhin legt Patalong auch nahe, dass sich beide Seiten in Sachen Intoleranz kaum unterscheiden. Sein Fazit: "Der Ton wird schärfer."

Dass es auch anders geht, dass christlicher Schöpfungsglaube und wissenschaftliches Bild von der Entstehung der Welt und des Lebens keinesfalls in Widerspruch stehen müssen, wenn man nur von dem unseligen wortwörtlichen Verständnis der Schöpfungstexte in der Bibel wegkommt, bleibt leider völlig außen vor. Journalistisch bringt diese Schwarz-Weiß-Malerei ohne Grautöne natürlich eine schöne Spannung in so einen Text. Dem Auftrag der Presse, die Menschen möglichst objektiv über das zu informieren, was in der Welt vor sich geht, wird es freilich kaum gerecht.

Die Schuld kann man aber nicht allein dem "Spiegel" anlasten. Denn die Kirchen, gerade die evangelischen in Deutschland, verhalten sich bei dem Thema auch ziemlich passiv. Dabei wäre es wichtig für die Sprach- und Anschlussfähigkeit von Christen (oder allgemein Anhängern gleich welcher Religion), sich aktiv mit den Erkenntnissen der Naturwissenschaft auseinander zu setzen. Doch gar zu oft unterbleibt dies – oder aber es werden, wie teilweise im freikirchlichen Bereich, unter der Prämisse eines wortwörtlichen Schrift-(Miss-)Verständnisses zentrale Aussagen der Evolutionslehre als nicht-bibelkompatibel beiseite gewischt.

Wie sich beide Anliegen verbinden lassen – das des Darwin Day sowie die Sprachfähigkeit des Christentums in der heutigen Wissenschaftswelt – zeigt eine Initiative in der englischsprachigen Welt: Dort begehen zumindest einige Kirchen das Darwins Geburtstag am nächsten gelegene Wochenende als "Evolution Weekend" beziehungsweise feiern im Gottesdienst den "Evolution Sunday". Eine gute Idee. Denn jenseits der "Fisch frisst Fisch"-Kampfesrhetorik lässt sich durchaus ein ernsthaftes Anliegen für den Darwin-Tag feststellen. Der "Humanistische Pressedienst" macht sich dafür etwa mit folgendem Argument stark: "Feiern sind ein wichtiger Teil jeder Kultur. Sie stellen eine Tradition und eine gemeinsame Bindung, die unter jenen geteilt werden kann, die ihre Kultur bilden. (...) Unglücklicherweise basieren die meisten Feierlichkeiten auf antiken Traditionen, die lediglich für ein bestimmtes Land oder eine bestimmte Kultur relevant sind (...)" - deshalb sei die Zeit für eine "Globale Feier" gekommen, "um eine gemeinsame Bindung unter allen Menschen zu befördern".

Wer im Sinne von Paulus als Christ den Juden ein Jude, den Griechen ein Grieche sein will, sollte sich hier nicht lumpen lassen. Eine Kirche, die von sich aus das Anliegen des Darwin Day in unserer Gesellschaft unterstützt und damit deutlich macht, dass recht verstandener Glaube keinesfalls vernunft- oder wissenschaftsfeindlich ist, könnte zumindest die Gebildeten und Gesprächsbereiten unter den Verächtern des Glaubens von mancher Fehleinschätzung abhalten.

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