EKD zu Afghanistan: Von Frieden kann nicht die Rede sein

Ein Bundeswehrsoldat auf einem Aussichtspunkt bei Mazar-e Sharif (2007)
Foto: epd-bild/Stefan Trappe
Ein Bundeswehrsoldat auf einem Aussichtspunkt bei Mazar-e Sharif (2007)
EKD zu Afghanistan: Von Frieden kann nicht die Rede sein
"Nichts ist gut in Afghanistan", sagte die damalige Ratsvorsitzende Margot Käßmann vor vier Jahren. Bis heute bleibt die Evangelische Kirche in Deutschland bei ihrem kritischen Blick auf den Militäreinsatz.

Ein knappes Jahr vor dem Abzug der internationalen Truppen hat die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) eine kritische Bilanz des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr vorgelegt. In der am Montag in Berlin veröffentlichten Stellungnahme benennt die EKD-Kammer für Öffentliche Verantwortung als aktuelle Probleme die prekäre Sicherheitslage in weiten Teilen des Landes, fehlende rechtsstaatliche und friedensfördernde Strukturen sowie verbreitete Armut.

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Von einem Frieden in Afghanistan könne nicht die Rede sein, schreibt der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider im Vorwort zur Schrift "Selig sind die Friedfertigen". Die aktuellen Probleme in Afghanistan hätten sich nach Einschätzung der evangelischen Kirche verringern lassen, wenn es von Anfang an einen umfassenderen Einsatzplan gegeben hätte. Ein Versäumnis sehen die Experten darin, dass lange Zeit ein friedens- und sicherheitspolitisches Gesamtkonzept unter dem Primat des Zivilen gefehlt habe. Zu einem solchen Konzept gehörten auch Ausstiegsszenarien.

"Hoffnung auf dünnem Eis"

"Der Auftrag war nicht klar genug", sagte der EKD-Ratsvorsitzende Schneider im Deutschlandfunk. Künftig müsse der Bundestag in vergleichbaren Fällen nicht nur ein militärisches Mandat beschließen, sondern auch ein Konzept zum Aufbau einer zivilen Struktur. Der EKD-Friedensbeauftragte Renke Brahms sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Ich bin überzeugt, dass Interventionen wie in Afghanistan in Zukunft nicht wieder so schnell begonnen werden." Es habe von Beginn an "eine widersprüchliche und sich ständig ändernde Zielsetzung gegeben".

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Den Anstoß für die jetzt veröffentlichte EKD-Stellungnahme lieferte der Besuch einer Delegation unter Leitung von Schneider im Februar 2011 in Afghanistan. "Es gibt Hoffnung in Afghanistan– aber es ist Hoffnung auf dünnem Eis", bilanzierte der Ratsvorsitzende damals, nachdem rund ein Jahr zuvor seine Amtsvorgängerin Margot Käßmann mit der Aussage "Nichts ist gut in Afghanistan" eine intensive Debatte über den Militäreinsatz am Hindukusch ausgelöst hatte. Nach dem Besuch Schneiders wurde die Kammer beauftragt, den Afghanistan-Einsatz anhand des Leitbildes des gerechten Friedens der EKD-Friedensdenkschrift von 2007 zu erörtern. Kammermitglieder unter Vorsitz des ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, sind etwa Bundesminister Hermann Gröhe (CDU), Staatsminister Michael Roth (SPD) und der FDP-Politiker Stefan Ruppert.

In ihrer Bewertung gibt die Kammer zu bedenken, dass von Beginn an eine problematische Überschneidung zwischen der Stabilisierungsmission der ISAF und der auf dem Selbstverteidigungsrecht basierenden militärischen Operation (OEF) bestanden habe. Ob unvorhergesehene und ungewollte Gewaltmaßnahmen während des Einsatzes mit der Interventionsentscheidung legitimiert sind, wird in der EKD-Kammer unterschiedlich beurteilt.

EKD fordert einen Regelung für Drohen

Kontrovers werden in der Stellungnahme gezielte Tötungen von Aufständischen und Terrorismusverdächtigen bewertet. Für einen Teil der Kammer sind diese Operationen nicht mit den Kriterien rechtserhaltender Gewalt vereinbar. Eine andere Position bestreitet, dass es eine institutionalisierte Praxis gezielten Tötens nichtstaatlicher Gewaltakteure gibt. Für den Einsatz von bewaffneten Drohnen wird in der theologisch-ethischen Orientierung eine völkerrechtlich verbindliche Regelung gefordert. Klärungsbedarf gebe es ebenfalls beim Schutz der Zivilbevölkerung.
  
Zur Perspektive für Afghanistan nach dem Abzug der Truppen empfiehlt die evangelische Stellungnahme unter anderem die Wiedergutmachung von Schäden, den Abbau von Waffenpotenzialen, die Entwaffnung von Milizen, den Schutz afghanischer Bundeswehr-Mitarbeiter durch Aufnahme in Deutschland sowie zivilgesellschaftliche Allianzen für den Frieden.