Nationaler Aktionsplan gegen die Wohnungslosigkeit in Deutschland

Nationaler Aktionsplan gegen die Wohnungslosigkeit in Deutschland
Die Bundesregierung will bis 2030 die Wohnungs- und Obdachlosigkeit in Deutschland überwinden. Bund, Länder und Kommunen sollen zusammenarbeiten. Von Verbänden wird der Plan begrüßt, sie dringen aber auf konkrete Schritte.

Berlin (epd). Die Bundesregierung hat erstmals ein Gesamtkonzept gegen Wohnungslosigkeit beschlossen. Das Kabinett billigte am Mittwoch in Berlin einen Nationalen Aktionsplan. Ziel ist es, die Obdach- und Wohnungslosigkeit in Deutschland bis 2030 zu überwinden. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) sprach von einer „Mammutaufgabe“. Kernpunkt für die Bekämpfung von Wohnungslosigkeit seien mehr bezahlbare Wohnungen.

Der Bund stelle Milliarden für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung, erklärte Geywitz. Von 2022 bis 2027 sind es den Angaben zufolge 18,15 Milliarden Euro. Ihr eigenes Ziel von jährlich 100.000 neuen Sozialwohnungen hat die Ampel-Regierung seit ihrem Amtsantritt indes bisher nicht erreicht.

Geywitz zufolge ist der Handlungsleitfaden für Bund, Länder und Kommunen gemeinsam mit Verbänden und den Praktikerinnen und Praktikern erarbeitet worden, die sich um wohnungslose Menschen kümmern. Ein Schwerpunkt soll auf „Housing First“-Programmen liegen. Es sollen Standards für die Hilfsangebote an wohnungslose Menschen entwickelt werden. So soll beispielsweise die getrennte Unterbringung von Frauen und Männern in Notunterkünften ermöglicht und der Zugang zu einer Krankenversicherung erleichtert werden.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, machte auf den hohen Anteil ausländischer Wohnungsloser von 80 Prozent aufmerksam. Es dürfe nicht sein, dass anerkannte Flüchtlinge oder Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine manchmal erst nach Jahren die Erstaufnahmeeinrichtungen oder Notunterkünfte verlassen könnten. Wohnungslosigkeit sei ein massives Integrationshindernis, sagte Alabali-Radovan.

Die Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, Eva Maria Welskop-Deffaa, nannte den Aktionsplan „ein starkes Signal, dass die Bundespolitik die örtlichen Akteure bei der Bekämpfung der Wohnungslosigkeit nicht länger allein lässt“. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege (BAGFW), der Deutsche Städtetag und die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) begrüßten, dass mit dem Aktionsplan erstmals ein Leitbild vorliege, um die Wohnungslosigkeit bis 2030 zu überwinden, wie es auch die EU anstrebt.

Die Verbände forderten in einer gemeinsamen Erklärung schnell konkrete Maßnahmen. Die Vorsitzende der BAG W, Susanne Hahmann, nannte als Hauptgründe für die hohe Zahl von Wohnungslosen steigenden Mieten, fehlende Sozialwohnungen und die große Zahl von Räumungsklagen. Die BAG W bemängelt, dass die von der Ampel-Koalition angekündigten Gesetzesänderungen zum Schutz vor Wohnungsverlust im Aktionsplan nicht vorgesehen sind. Auch das Deutsche Institut für Menschenrechte kritisierte, die Schonfristregelung - also die Möglichkeit, dass eine Kündigung unwirksam ist, wenn die Mietschulden nachgezahlt werden - müsse dringend auf die ordentliche Kündigung ausgeweitet werden. Bisher gilt sie nur für die außerordentliche Kündigung.

Nach Angaben der Bundesregierung waren Anfang 2022 rund 178.000 Menschen in Unterkünften untergebracht, darunter rund 47.000 Kinder. Auf der Straße lebten zum selben Zeitpunkt Schätzungen zufolge knapp 87.000 Menschen. Neue Zahlen werden Ende dieses Jahres veröffentlicht. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) geht nach ihren Hochrechnungen davon aus, dass Mitte 2022 rund 447.000 Menschen ohne eigene Wohnung waren und von diesen 50.000 auf der Straße lebten. In die Hochrechnungen der Wohnungslosenhilfe werden Geflüchtete ohne eigene Wohnung einbezogen sowie Menschen, die vorübergehend bei Bekannten oder Freunden unterkommen.